RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4). Indira Jackson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Indira Jackson
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738093896
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konnte. Wer weiß, was sein Vater ihr und Großpapa Youssef antun würde, wenn der Schwindel aufflog?

      Und so machte er sich drei Wochen nach seinem 16. Geburtstag alleine auf den Weg in eine unbekannte Zukunft.

       Er war jetzt ein Ausgestoßener, ein Mann ohne Heimat.

      2014 - Dubai - Eine neue Spur

      Was Carina schließlich weiter half, war purer Zufall.

      Sie hatte wieder ein Taxi genommen, das sie in der Nähe ihres Hotels am Markt absetzte.

      Wenn sie schon hier festsaß, wollte sie wenigstens das Beste draus machen und die Schätze des Marktes erkunden.

      Bald war sie im Trubel gefangen und wieder packte sie die Faszination für dieses Land.

      Als die Münchnerin sich an einem Stand etwas Kühles zu trinken kaufte, hörte sie neben sich ein Paar begeistert über ein Ereignis schwärmen, das sie wohl am Morgen erlebt hatten. Ihrem Akzent nach waren es Engländer.

      Da Carinas Englisch ganz passabel war, konnte sie nicht umhin, einige Brocken des Gespräches mitzuverfolgen. Als sie die Worte Reiter, Pferde und Gewehre hörte, horchte sie auf.

      Sie sprach die beiden an, die ihr bereitwillig Auskunft gaben:

      Man hatte ihnen im Hotel empfohlen, als besonderes Highlight auch den Karawanen-Sammelplatz vor den Toren der Stadt zu besichtigen. Besonders am frühen Morgen sei das Treiben dort faszinierend.

      So waren sie am heutigen Morgen dort hingegangen und wären Zeuge des Aufbruchs einer Reiterschar gewesen, die sich nicht wie sonst üblich auf Kamelen, sondern auf wunderschönen, arabischen Pferden auf den Weg in die Wüste gemacht hätten. Man hatte gemunkelt, dass das die Männer eines wichtigen Scheichs gewesen seien.

      Das sei ein Anblick gewesen – herrlich!

      Die vielen tollen Tiere, aber auch ihre stolzen Reiter!

      Und da wusste Carina, wo sie als Nächstes hin musste …

      2014 - Dubai - Unerwartete Hilfe

      Sie hatte die beiden, die tatsächlich aus England waren und hier zwei Wochen Urlaub verbrachten, noch nach dem Weg zum Karawanenmarkt gefragt.

      Wie sich herausstellte, war die Strecke, die sie bis dorthin zurücklegen musste nicht weit. Sie kam 20 Minuten später dort an.

      Carina brauchte eine Weile um sich zurechtzufinden, doch bald hatte sie herausgefunden, dass es zwei unterschiedliche Gruppen von Menschen dort gab:

      Diejenigen, die ihr als Ausflug einen Tagesritt oder Ausfahrt mit dem Jeep in die Wüste anbieten wollten und diejenigen, die gerade damit beschäftigt waren, einen ernsthaften Ritt in die Wüste vorzubereiten.

      Problematisch war, dass es in der letzteren Gruppe, die für sie ja die Interessante war, kaum Personen gab, die sich mit ihr abgeben wollten oder die gar mit ihr sprachen. Zum einen Teil, weil sie eine Frau war, zum anderen Teil, weil die Araber schlichtweg kein Deutsch oder Englisch verstanden.

      Sie wollte die Suche schon aufgeben, da geriet sie an einen Mann, der sich als sehr hilfsbereit herausstellte. Er sprach ein fehlerbehaftetes, aber verständliches Englisch und erzählte ihr, er wolle noch am gleichen Abend aufbrechen, auf Pferden, weil diese schneller waren als Kamele.

      Ja, alle Karawanen mussten zunächst in die Oase von Wahi, denn in der Wüste würde man immer der Spur des Wassers folgen. Er könne sie bis zur Oase mitnehmen. Da sie in einem kleinen Trupp ritten, wären sie schneller als jede Karawane, die mit vielen Kamelen entsprechend langsam war.

      Carina konnte ihr Glück kaum fassen! Der Mann war ihr trotz seiner freundlichen Worte zwar nicht wirklich sympathisch, irgendwie wirkte er nicht echt. Aber sie schob das auf die Tatsache, dass er ihr Geld wollte.

      Als sie bereits Details besprochen hatten und über den Preis feilschten, platzte plötzlich ein temperamentvoller, rundlicher Araber dazwischen. Eine heftige Diskussion auf Arabisch folgte, woraufhin sich ihr Wüstenführer ganz schnell und ohne Gruß davon machte.

      Mit offenem Mund starrte sie ihm hinterher. Sie konnte es nicht fassen! Wo ging er hin?

      Auf einmal wurde sie des anderen Mannes gewahr, der anfing, sie in Englisch anzugreifen: „Sind Sie eigentlich wahnsinnig? Haben Sie eine Ahnung, wer das war? Einer der bekanntesten Mädchenhändler hier in der Gegend! Der hätte Sie nie nach Wahi gebracht, sondern in den nächsten Harem! Es gibt hier genügend reiche Araber, die viel Geld für eine blonde, attraktive Frau bezahlen würden!“

      Der Ausbruch wurde von wilden Gesten und Kopfschütteln begleitet.

      Carina bekam einen roten Kopf – ein Mädchenhändler? Wirklich? Ein Schauer rannte ihr den Rücken hinunter. Wenn das stimmte?!

      Aber dann fand sie erstmal ihre Worte wieder: „Wer sind Sie?! Und warum sollte ich ausgerechnet Ihnen glauben?! Vielleicht haben Sie gerade meine einzige Chance vertan. Was haben Sie ihm eigentlich erzählt, dass er so schnell verschwunden ist?“

      Der Mann wurde etwas verlegen: „Ich habe ihm gesagt, dass Sie meine Ehefrau sind und ihn auf Ihren Ring am Finger hingewiesen. Sie würden mir weglaufen wollen und er solle sich schnell davon machen, bevor ich die Polizei rufe. Das hat gewirkt. Tut es immer. Ehemänner werden hierzulande respektiert.“ Er grinste frech.

      Carina wusste nicht, ob sie lachen oder böse sein sollte. Dann fragte sie nochmals: „Und warum sollten Sie mir helfen wollen?“

      Er deutete auf ihre Kette: „Wegen des Amuletts. Ich mache schon seit Jahren gute Geschäfte mit Scheich Suekran al Medina und diese Geschäftsbeziehung will ich mir nicht verscherzen. Wenn er es Ihnen erlaubt, sein Emblem um den Hals zu tragen, müssen Sie ihm wichtig sein. Also sind Sie auch mir wichtig.“

      „Dann helfen Sie mir wenigstens! Ich muss ihm nach. Ich heiße übrigens Carina Hartmann. Aus Deutschland.“

      „Und mein Name ist Hatem – ich bin wie gesagt Händler hier, seit einigen Jahren bereits. Mein Laden ist gleich dort drüben.“ Er deutete auf einen Laden nur wenige Meter weiter.

      „Von dort aus habe ich Sie mit diesem … Abschaum beobachtet", fuhr er fort. „Sie können froh sein, dass ich gerade nichts zu tun hatte und vor meinem Laden saß.“

      Und dann fragte er: „Wem wollen Sie unbedingt hinterher?“, und Carina antwortete etwas ungeduldig: „Dem Scheich.“

      Wenn sie gedacht hatte, Hatem zu beeindrucken, hatte sie sich jedoch geirrt. Er lachte. Und lachte. Dröhnend, als ob er den besten Witz aller Zeiten gehört hatte.

      „Sie müssen wahnsinnig sein. Zu viel Hitze.“ Er wischte sich die Tränen aus den Augen, die ihm vor lauter Lachen übers Gesicht rannen und machte eine eindeutige, kreisende Bewegung mit seiner rechten Hand auf Höhe seiner Schläfe.

      Carina war wütend – was bildete der Straßenhändler sich eigentlich ein?! Beleidigt drehte sie sich ohne ein weiteres Wort um und ging forschen Schrittes davon.

      Hatem hatte aufgehört zu feixen und kam ihr nach. Er hielt sie am Handgelenk fest und zwang sie so, stehen zu bleiben.

      „Hören Sie! Sie haben keine Ahnung, auf was Sie sich da einlassen. Die schneiden Ihnen den Hals auf, bevor Sie auch nur nahe genug heran sind, um zu sagen, was Sie wollen.“

      „Ach ja?“ fauchte Carina. „Ich denke dieses tolle Amulett hier wirkt Wunder? Wieso sollten Sie mir dann den Hals aufschneiden?“

      Jetzt dachte Hatem einen Moment lang nach. „Da haben Sie natürlich recht. Ok. Aber was wollen Sie denen denn sagen? Glauben Sie, Sie kriegen so einfach eine Audienz beim Scheich?“

      „Ja! Ich habe ihn gestern erst kennengelernt. Und wissen Sie was? Ich habe ihm das Leben gerettet! Ihr Wüstenleute liebt doch diesen Begriff der Lebensschuld so sehr! Also! Das ist mein Plan. Helfen Sie mir nun?“

      Hatem