Sein Handy lag vor ihm auf dem Tisch. Er hatte Zeit. Er hatte Lust auf Zen. Er mochte Kätzchen. Ob er Muschis mochte, war ihm noch nicht wieder klar.
Zen zögerte. Etwas widerstrebte ihm bei dem Gedanken, das neue Herrchen einer davon zu werden.
Oder doch? Ging es dabei wirklich um Sex? Vielleicht wollte jemand tatsächlich nur ein kleines Kätzchen abgeben. Wenn er da anrief und es ging um ein Kätzchen und nichts anderes, wohin dann mit dem Tier?
Er konnte es ja Muschi nennen und es nach Belieben kraulen.
Zen dagegen interessierte ihn. Vielleicht war das Bügeln ein Verfahren, eine Philosophie, ein Weg, um selbstbestimmter durchs Leben zu gehen, nicht fremdbestimmt durch den eigenen Körper. Auch wenn es ums Bügeln ging, wobei ihm Bogenschießen lieber gewesen wäre.
Er griff zu seinem Handy.
»Hallo?« Eine Frauenstimme. Angenehm. Tief und samtig. Eine gute Melodie. Erst gehaucht, dann fragend. Aber kein Name. Was nun?
Er war dran mit Sprechen.
»Hallo? Wer ist denn dran?«
»Wen möchtest Du denn sprechen?«
Das fragte sich Zen auch.
»Ja, äh – ich rufe wegen der Kleinanzeige an.«
»Welcher Kleinanzeige?«
»Im Tageblatt. Von heute. Unter Kleinanzeigen.«
»Aha. Und?«
»Na ja – Sie haben doch eine aufgegeben, oder habe ich mich verwählt?« Zen wiederholte die Nummer und schaute zur Sicherheit auf seinem Display nach. Die Nummer stimmte. Er hatte die Frau gesiezt. Gar nicht seine Art.
»Schon«, gab die Samtstimme zu.
Zen überlegte. Auf welche Anzeige sollte er sich melden? »Diese Zen-Geschichte.«
Die Frau am anderen Ende lachte auf, eine Stimme wie silberne Glöckchen. »Ha! Du möchtest bügeln lernen! Echt jetzt?«
Sie glaubte ihm nicht, hörte er aus ihren Worten heraus. Und sie hatte ihn geduzt, wie peinlich, nachdem er sie so steif gesiezt hatte.
»Ich fand das interessant. Wollte wissen, was dahintersteckt. Das reizte mich. Es gibt so ein paar Bücher, die so ähnlich heißen. Zen und die Kunst von etwas. Und was das mit Bügeln zu tun hat. Ausgerechnet. Das klang interessant, fand ich. Und gleichzeitig merkwürdig. Dieser Widerspruch, das hat mich gereizt, mehr zu erfahren.«
Sie sagte nichts.
Er selbst kam sich immer blöder vor. Er redete und redete und sagte nichts.
»Ich heiße übrigens selbst Zen. Na ja, eigentlich Benjamin Zeno, aber alle nennen mich so. Zen. Ein Grund mehr, oder?«
Sie lachte. »Charlotte.«
»Charlotte?« Zen wusste nicht, was er sagen sollte.
»Ja. Das ist mein Name. Charlotte Faber, um genau zu sein.«
Sie kam nicht aus ihrer Reserve.
»Du hast auch noch eine weitere Anzeige aufgegeben, ist mir aufgefallen.« Der Satz war ihm rausgerutscht, ohne Nachdenken und Planung. Zen biss sich auf die Unterlippe.
Er hörte sie am Telefon grinsen. Ein kleiner, dafür typischer Schnaufer. »Aha. Habe ich mir doch gleich gedacht, dass du deshalb anrufst.«
»Wieso das denn?« Zen ärgerte sich, weil er diesen Satz gesagt hatte, und weil sie ihn gleich darauf reduziert hatte. Auf sein vermeintliches Interesse an ihrer kleinen Muschi. Das passte ihm nicht. So einer war er nicht.
Jetzt druckste sie herum.
»Äh – na, eben wegen dieser anderen Anzeige.«
»Nein«, entrüstete er sich.
»Doch.« Sie klang trotzig. Er hörte ihren Gedanken. Männer wollen sowieso nichts anderes. Gib es zu.
Was für eine blödsinnige Konversation, dachte Zen. Das brachte nichts. Vielleicht sollte er einfach auflegen und zurück an seine Arbeit gehen.
»Irgendwie kommen wir so nicht weiter«, sagte die weiche Stimme am anderen Ende. »Also, Zen! Noch mal von vorn. Willst du wissen, was es mit Zen und Bügeln auf sich hat?«
Zen nickte. Das konnte sie übers Telefon nicht sehen. »Ja, genau.«
Deshalb hatte er doch angerufen. Dennoch regte sich Widerwillen in ihm, er wollte nicht zu Unrecht verdächtigt werden.
»Aber ich würde schon gern wissen, warum du so unterschiedliche Anzeigen aufgibst, das hat mich neugierig gemacht. Mein zweiter Grund, weshalb ich anrufe.«
Sie seufzte. »Das wüsste ich inzwischen auch gern. Hör zu. Komm einfach vorbei, übers Telefon lässt es sich nicht so gut reden, finde ich. Wenn du wirklich Interesse hast.«
»Wo wohnst du denn?« Zen freute sich. Das klang schon unkomplizierter. Außerdem war er jetzt zum Du übergegangen.
Sie wohnte in der Theaterstraße, in einem der alten Häuser an der Apotheke. Das war nicht allzu weit vom Café Esprit entfernt. »Okay.«
Zen fand das Ganze skurril, und doch hatte gerade das seinen eigenen Reiz.
»Ich bin in zehn Minuten da. Bis gleich, Charlotte.«
Charlotte
Auf sein Klingeln hin summte der Türdrücker, und Benjamin drückte mit dem Arm gegen die alte, schwere Holztür. Vierter Stock; für dieses Stockwerk war nur eine Klingel vorhanden, mit nur einem Namen: Faber. Sie bewohnte das gesamte Obergeschoss. Wow, dachte er.
Benjamin erschrak, als er oben war und die Glastür vor ihm aufging. Frontal vor ihm stand die Frau aus dem Café, die er vorhin angestarrt hatte. Gut, dass er vom Treppensteigen etwas außer Atem war, dachte er. Sie legte den Kopf zur Seite und grinste. Erwischt. Sie hatte ihm sein Erschrecken angemerkt.
»Charlotte Faber? Wir hatten gerade telefoniert.« Benjamin streckte seine Hand aus. »Benjamin Abendschein. Zen.«
Ihr Grinsen löste sich auf, dafür zog sie die Augenbrauen zusammen. »Warst du das nicht vorhin im Esprit? Du hattest mich ein paar Mal so – angeschaut?« Sie öffnete die Tür weiter und trat zur Seite, um ihn durchzulassen. »Kennen wir uns vielleicht von irgendwoher? Was für ein Zufall. Mir dir hätte ich jetzt nicht gerechnet.«
Sie duzte ihn weiter. Und ich Idiot habe sie vorhin am Telefon gesiezt, dachte er.
Benjamin spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. Seine Ohren fühlten sich wärmer an, das taten sie immer, wenn er errötete.
»Du bist also die Charlotte«, stellte er fest und schaffte es, ihr ins Gesicht zu sehen. »Das hätte ich jetzt auch nicht erwartet.«
Ihr Gesicht hatte er im Café nur von der Seite gesehen, und es war ihm eher unattraktiv erschienen, es hatte flächig gewirkt, konturlos. Nun sah er, wie groß ihre hellblauen Augen unter der dunkel gerahmten Hornbrille waren, und wie sich ihre Lachfältchen bis zu ihren markanten Wangenknochen erstreckten. Sie hatte ein fein ziseliertes Gesicht, das klassisches Antlitz einer nordischen Göttin.
Bis auf eine kleine Delle zwischen den Augen war ihre Nase die Fortsetzung der Linie ihrer glatten und hohen Stirn. Nur dort, wo die Knorpel anfingen, war die Nase vorsichtig nach unten abgewinkelt, was ihr etwas Zupackendes gab. Was ihre hellen Adleraugen erspähten, würde sich dieser Schnabel packen und verschlingen.
Die Haare hatte sie immer noch zum Dutt verschlungen, aus dem eine vorwitzige hellblonde Strähne wie ein Banner keck herauswehte. Vielleicht wirkte ihre Stirn deshalb so hoch, dachte Benjamin.
Er konnte es gerade noch vermeiden, seinen Blick auf ihre Bluse zu senken, hatte aber schon beim Eintreten bemerkt, dass sie ihre bunt gemusterte Jacke abgelegt hatte.
»Ehrlich gesagt, Nein, ich glaube