Wernyhora, der Seher in der Ukraine II. Michael Czaykowski. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Czaykowski
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783753111360
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der dunkelblauen Schabracke sind silberne Adler, und an den Pistolenhalftern der verschlungene Namenszug des Königs von Silber; die Schabracke hat eine amarantfarbene Einfassung.

      Kaum waren der Porucznik und der Namiestnik in den Edelhof gekommen, machte Wernyhora Nekrasa mit ihnen bekannt, und ohne dem Gespräch Zeit zu lassen, sich recht zu entspinnen, unterbrach er es beim ersten Anlaufe.

      „Ihr Herren Brüder, bis jetzt haben wir bloß mit elendem Gesindel zu kämpfen gehabt, jetzt aber gilt es, sich mit einem geordneten Feind zu messen. Mit Recht sagt man: wo viele Hebammen sind, da kommt das Kind ohne Kopf oder ohne Hände auf die Welt; auch wir müssen, um Ordnung unter uns zu halten, einen Anführer wählen. Denn glaubt mir, der ich alt bin und viel erfahren habe, wenn in Kriegszeiten viele befehlen, so ist es immer schlimm, auch wenn ihre Einsicht noch so groß ist. Wo aber ein Wille herrscht und die Übrigen gehorchen, ist es immer gut, auch wenn der Anführer nur ein mittelmäßiger Kopf ist.“

      „Mord und Tod! Der Herr Kamerad hat Recht; ich achte und liebe den Herrn Porucznik, denn er ist ein tapferer Mann und ein guter Pole, und zudem ein Sohn meines Freundes und Schulkameraden, des Herrn Andreas, Mundschenken von Wyschhorod; aber diesmal, bitte ich, ohne ihm und der Landreiterei zu nahe treten zu wollen, den Herrn Nekrasa zum Anführer aus. Mord und Tod! Und wenn ich polnischer Großfeldherr wäre, so würde ich mich dennoch unter seine Befehle stellen; denn Gott strafe mich! Der spaßt nicht mit dem Feinde.“

      „Herr Kämmerer, ich danke ihnen für das Vertrauen, das sie in mich setzen, aber ich bin hier Gast. Für Polen will ich mein Blut bis zum letzten Tropfen verspritzen, denn ich bin ein eben so guter Pole, als wenn ich in der Krone geboren wäre; diesmal steht mir jedoch der Oberbefehl nicht zu, ich werde unter den Befehlen des Herrn Porucznik und den ihrigen, oder unter den Befehlen des Vaters Wernyhora kämpfen.“

      Der Porucznik drehte sich den Schnurrbart: „Herr Ataman, wer den Moskowitern das Fell so tüchtig ausgeklopft hat, wie sie bei Korsun, dessen Befehlen muss sich ein Porucznik der Landesreiterei gerne unterordnen; mir ist es nicht um das Befehlen zu tun, sondern um das Wohl des Vaterlandes, und ich erwarte daher ihre Befehle, Herr Ataman.“

      Nekrasa verneigte sich, aber Wernyhora ließ ihn nicht sprechen.

      „Wir, ich und der Herr Kämmerer, haben auch zu unserer Zeit uns tüchtig herumgeschlagen, auch jetzt wären wir zur Not noch im Stande, wenn wir keine jüngeren hätten, aber auf der Welt muss alles seine Zeit haben, wir sind die ersten im Rate, ihr im Treffen; streitet euch nicht länger miteinander, denn die Zeit ist kostbar, einer von Euch muss sich an die Spitze stellen.“

      Nun drangen alle in Nekrasa, er möge den Oberbefehl übernehmen.

      „Wenn ihr es so haben wollt, so mag es denn sein; zu Pferde also, ihr Herrn Ljachen, zu Pferde ihr Kosakenburschen!“ und er bestieg seinen Tatarenfalben; es war dies ein tüchtiger Läufer, Wernyhora erhielt ihn zum Geschenk von Marud-Giray. Nekrasa war auf ihm zu Gonta geritten, und Potockis Kosaken hatten ihn absichtlich, oder aus Vergesslichkeit im Stall stehen lassen.

      Der neue Mond schleicht am Himmel hin, er streckt seine Hörner empor und glänzt in silbernem Scheine; um ihn her ziehen Wolken, stoßen aneinander und ziehen in den Lüften dahin; ihre wunderlichen Gestalten malen sich einmal wie Burgen, wie Wälder am Gewölbe ab und treiben nach einer Seite hin, dann ziehen sie wieder wie zwei feindliche Haufen gegeneinander, reißen sich in kleine Stücke, oder ballen sich zu einem Klumpen zusammen; beständige Bewegung ist in ihrer Wanderung, in ihren Gestalten stete Verwandlung. Das Heer zieht still und stumm dahin, hin und wieder schnaubt ein Pferd oder hustet ein Mensch auf.

      Nekrasa hat alles aufs Beste geordnet, er hat Vorwachen ausgesandt, und nach allen Seiten Streifparteien abgefertigt, er selbst reitet an der Spitze der Kosaken Glembockis, neben ihm Bilowus, der Herr Porucznik führt die mittlere Abteilung an; bei ihm befinden sich der Kämmerer und Wernyhora, einer der Namiestniks führt die Nachhut. Die Nacht hat feierliche Stille weithin über die Welt ausgegossen, das Ohr hat nichts mit dem es sich beschäftigen könnte, und die Seele füllt sich mit banger Ahnung. Die Rosse verdoppeln ihren Schritt, die Streifscharen kehren aus den benachbarten Dörfern und Höfen zurück. Nirgends haben sie eine Kunde von dem Feinde erhalten, nirgends eine lebendige Seele getroffen. Gegen Tag näherten sie sich Uman. Nekrasa sandte neue Streifscharen aus, sie durchstreiften das offene Feld in Länge und Breite, konnten jedoch keine Kunde erhalten. Schon fing es an zu tagen, als sie in die Stadt einzogen. Das Tor stand offen und der Wind wehte ihnen den Geruch von warmen Blute zu. Noch ist nichts zu sehen, aber schon spitzen die Pferde die Ohren, schnauben und wollen nicht vorwärts. Nekrasa ließ halten und ritt allein an der Spitze von dreißig Kosaken in die Stadt; auf den Straßen Leichname und Ströme frisch vergossenen Blutes; an den Häusern die Türen erbrochen, die Fenster eingeschlagen. An den Türen, an den Fenstern hängen Leichname, oder Stücke von menschlichen Leibern. Die Kosaken zerstreuen sich, um zu sehen, ob denn nicht ein lebendiger Mensch zu finden sei. Nekrasa befahl die Pferde zu füttern und mittlerweile die Leichname der gemordeten Brüder, so gut es sich tun ließ, zu bestatten.

      Unterdessen brachte man ein Dutzend Hajdamaken, die zu ihrem Unglück die Abreise ihrer Spießgesellen verschlafen hatten. Die Augen waren ihnen zugeschwollen, an Gesicht und Händen hatte sich das getrocknete Blut noch nicht abgeschält; einer von ihnen schrie: man solle ihn zu dem Anführer bringen, und als er Nekrasa gewahrte, sagte er: „Ah, schaut! Kennt ihr mich nicht mehr, ihr zu den Ljachen übergegangener Ataman und ihr nicht, Herr Wernyhora? Und ich habe euch doch so oft gesehen. Ja, hätte der Bayda auf mich gehört, ihr liefet heute nicht mehr auf dieser Welt herum, selbst der Teufel hätte euch nicht schützen können.“

      Der Ataman zitterte vor Wut.

      „Also du bist es, verfluchter Dubyna, was hast du mit deinem Herrn angefangen? Hund!“

      „Ich will alles erzählen; tut nur nicht gar so grimmig gegen mich, ich habe das Meinige getan, eure Sache ist es jetzt, mich aufzuhängen, zuvor aber hört mich an.“

      Und nun erzählte er den ganzen Verlauf des Blutbades und schloss so: „Ich lauerte immer auf Chiczewski und hatte deshalb vier tüchtige Burschen zu mir genommen. Als nun Vater Gonta endlich rief: ‚lasst es losgehen!‘ stürzte ich mich mit meinen Burschen gleich auf den alten Herrn los, dem Jungen schnitt ich gleich die Kehle durch, dass er nicht lange leiden sollte, denn der Kleine hatte keinem etwas getan, aber dem Alten mussten die Ochsenziemer hereingebracht werden. Der Wicht wehrte sich noch lange, aber wir wurden doch mit ihm fertig, schleppten ihn in den Garten und nun ging es daran, Riemen aus seiner Haut zu schneiden. Da vergalten wir ihm nur gleiches mit gleichem für seine Ochsenziemer, er erhielt nichts umsonst, der Hund bat auch gar nicht um sein Leben, aber nach euch, Ataman, fragte er und als ihm einer erzählte, Gonta habe euch in Sokoliwka gesehen, fing er an, mich zu bitten, ich solle ihm doch Papier und etwas zum Schreiben geben, dann könne ich mit ihm anfangen, was ich wolle. Der Kerl dauerte mich, und so ließ ich denn nicht bloß, was man zum Schreiben braucht, vom Schlosse holen, sondern auch Siegellack und ein brennendes Licht. Nun schrieb er zwei Briefe, siegelte sie mit seinem Siegelring und sagte: ‚Guter Freund, übergib die Briefe jemanden, dass der eine an meine Frau und der andere an meinen Bruder gelangt; Gott verzeihe dir, wie ich dir verzeihe!‘ Mir wurde ganz schwer ums Herz, aber es musste einmal sein, und so marterten wir ihn noch ein wenig und hingen ihn dann an einem Birnenbaume auf. Hier habt ihr die Briefe, übergebt sie, denn ich werde wahrscheinlich nicht mehr viele lebendige Menschen sehen.“

      Wernyhora nahm die Briefe und las die Aufschriften an Chiczewskis Frau und den Priester Chiczewski, Guardian des Kapuzinerklosters in Kuna. Sofort schrieb er selbst noch einen Brief und sandte einen Kosaken ab, um sie dem Guardian zu überbringen. Wenn er Frau Chiczewski noch nicht dort antreffe, so solle er ihre nahe bevorstehende Ankunft melden; wenn sie schon dort wäre, solle er sie auf die traurige Nachricht vorbereiten und sie, so gut es gehe, trösten.

      In diesem Augenblick brachte man zwei Schulknaben3, diese zitterten noch beim Anblick der Kosaken und versteckten sich hinter den Reitern. Während des Blutbades waren sie auf den Kirchturm geklettert und hatten dort unter dem Dach die ganze Zeit über gesessen. Sie erzählten: nach dem grässlichen Lärm sei plötzlich Todesstille eingetreten, das Getöse verzog sich allmählich in Richtung Teplik. Der Porucznik