Mann meiner Träume. Nicole Knoblauch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nicole Knoblauch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738099775
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Er hat deutlich gemacht, dass er mit mir nichts zu tun haben möchte.“

      „Nein, das habt Ihr falsch verstanden.“ Geistesabwesend fuhr er sich mit der Hand durchs Haar. „Ihr müsst zugeben, dass drei Jahre eine lange Zeit sind. Er ist verärgert.“

      Ich nickte. Verärgert. Und nach allem, was ich wusste, war das ein Zustand, den man bei Napoléon Bonaparte nicht gerne erleben wollte. Aber ich musste wenigstens mit ihm reden. Ihm erklären, dass ... Was? Egal! Mir würde schon etwas einfallen.

      „Bringt mich bitte zu ihm.“ Meine Lippen zitterten, als ich zu lächeln versuchte.

      „Dürfte ich etwas sagen?“ Seine Augen ruhten auf mir und musterten mich mit großem Interesse.

      „Nur zu!“ Nervös fuhr ich mir mit der Zungenspitze über die Lippen und verschränkte meine leicht zitternden Hände. Ich hatte wohl größere Angst vor Napoleone, als ich zugeben wollte.

      „Ihr wart lange weg und ich wollte wissen, ob ihr diesmal bei ihm bleibt. Wenn nicht, will ich vorbereitet sein.“

      „Wie meint Ihr das?“

      „Er liebt Euch, Madame. Ich weiß nicht wieso und ich finde, dass er viele Gründe hat Euch nie wieder sehen zu wollen. Meiner Meinung nach hätte er Euch am Strand lassen und keinen weiteren Gedanken an Euch verschwenden sollen.“

      Aua. Ich brauchte mehrere Atemzüge, um meinen rebellierenden Magen wieder unter Kontrolle zu bringen. „Aber Ihr habt mir geholfen. Er ignoriert mich. Warum?“

      „Ginge es nach mir, hättet Ihr dieses Schiff nie betreten. Aber er hat euch mitgebracht, also sollte er sich angemessen um Euch kümmern. Ihr habt meine Frage nicht beantwortet: Werdet Ihr wieder gehen?“

      Mit ausdruckslosem Gesicht blickte er mich an.

      „Ja“, flüsterte ich. „Ich werde wieder gehen.“

      Er nickte. „Dann solltet Ihr ihn nicht warten lassen. Er wird jede Minute genießen wollen.“ Der Tonfall, in dem er das sagte, gefiel mir nicht.

      Tristan Berière brachte mich zu einer anderen Tür, die genauso aussah wie die zu seiner Kabine und klopfte. Ohne auf Antwort zu warten, öffnete er sie und schob mich hinein.

      Der Raum glich dem, aus dem ich gerade kam. Napoleone stand am anderen Ende und heftete seinen kalten Augen auf mich.

      „Was willst du hier?“ Die Frage war nicht mehr, als ein leises, kaltes Zischen.

      „Dich sehen“, antwortete ich, ohne das Zittern aus meiner Stimme fernhalten zu können. Ich versuchte zu schlucken, doch mein ausgetrockneter Mund machte es unmöglich. Was würde jetzt passieren?

      Ich hörte, wie die Tür schloss - und die Hölle brach los.

      „Was glaubst du eigentlich, wer du bist? Dich bei meiner Familie anzubiedern! Hattest du nicht einmal den Mut, mir gegenüber zu treten?“ Die ersten Sätze sprach er beherrscht, doch es dauerte nicht lange, bis er laut schrie. Ich vermag nicht zu wiederholen, was er mir alles an den Kopf warf. Immer wieder fiel er ins Korsische - aber sein Tonfall ließ keinen Zweifel aufkommen.

      Die enge Kabine hinderte ihn am Umherlaufen und so fegte er mit ausladenden Bewegungen die wenigen Dinge zu Boden, die nicht festgeschraubt waren. Als nichts mehr zum Hinunterschmeißen da war, schlug er mit der Hand gegen die Wand. Dabei schrie er ohne Unterbrechung.

      Das war also einer der berüchtigten Wutausbrüche Napoléon Bonapartes. Ich hatte davon gelesen. Er neigte zu solchen Ausbrüchen und inszenierte sie später sogar absichtlich. Allerdings hätte ich gut durchs Leben kommen können, ohne das gesehen zu haben – besonders ohne das Ziel eines solchen Ausbruchs zu sein. Nach allem, was ich wusste, blieb man am besten ruhig. Einfach warten, bis es vorbei war. So hatten es Joséphine und Talleyrand gemacht. Nicht, dass ich eine Chance gehabt hätte, auch nur ein Wort zu sagen.

      Dass ein Mensch so wütend werden konnte! Einige seiner Vorwürfe verstand ich trotz dieses Mischmaschs aus Französisch und Italienisch.

      Ich hätte ihn ausgenutzt.

      Mit ihm gespielt.

      Seine Gefühle missbraucht.

      Natürlich dachte er so. Hätte ich auch an seiner Stelle. Wie gerne würde ich ihm sagen, dass ich träumte und keinen Einfluss auf meine Reisen hatte.

       „Das verstehe ich nicht.“ Mit den Aufzeichnungen in der Hand betrat Anna Maries Zimmer.

       „Was verstehst du nicht?“ Sie blickte von Napoléons Memoiren auf, in denen sie gerade gelesen hatte.

       „Warum du ihm nicht sagen kannst, dass du in deinen Träumen zu ihm kommst.“

       „Wie würde das denn aussehen? Was würdest du denken, wenn das jemand zu dir sagt?“

       „Das ist etwas anderes. Du besuchst ihn wirklich in deinen Träumen. Ich meine, das ist ein Traum. Warum solltest du das nicht erwähnen dürfen?“

       Marie runzelte die Stirn. „Weil es sich nicht richtig anfühlt. Wenn ich dort bin, IST das real! Ich kann dort nicht anfangen, von Träumen zu reden!“

       Anna schnaubte, zuckte dann aber mit den Schultern. „Verstehen muss ich das nicht!“ Seufzend ließ sie sich neben Marie aufs Bett fallen und las:

      

      Ich verhielt mich ruhig, starrte auf die Wand und versuchte, seine Worte an mir abprallen zu lassen.

      'Versuchte' ist der richtige Ausdruck. Einige Male unterdrückte ich die Tränen nur mit größter Anstrengung. Ich verdrängte sie und ertrug stumm, was er mir entgegenschleuderte. Er mochte keine Frauen, die weinten. Also versuchte ich, stark zu bleiben. Irgendwann drehte ich den Kopf in seine Richtung und konnte ein Schluchzen nicht mehr unterdrücken.

      „Es tut mir leid, Napoleone!“ Tränen liefen meine Wangen hinunter, doch es war mir egal. Er blieb mir gegenüber stehen und so plötzlich, wie er zu schreien begonnen hatte, verstummte er, kam auf mich zu, nahm mich in den Arm und flüsterte: „Ich liebe dich, Marie.“

      Das Gesicht in meinem Haar vergraben, murmelte er: „Dieser Duft hat mir gefehlt.“ Seine Hände wanderten von meiner Taille hinunter und umfassten meine Pobacken.

      Langsam hob ich den Kopf und blickte ihm direkt in die Augen. Sie glitzerten so blau, wie das Meer und schienen ebenso tief. Unsere Blicke verbanden sich und ein sinnliches Lächeln erschien auf seinen Lippen. Ganz langsam senkte sich sein Mund, ich öffnete meinen und schloss die Augen.

      Hungrig suchte seine Zunge ihren Weg. Sein unmögliches Verhalten, meine Ängste, alles verschwamm und verblasste. Er drängte mich zu der Kiste, riss mit einer schnellen Bewegung die Hängematte aus ihrer Verankerung und warf sie zur Seite. Leise stöhnend, zog er mich auf seinen Schoß. Seine Hände fuhren meine Hüften entlang, meine vergruben sich in seinem Haar. Seufzend lehnte ich mich ihm entgegen und überließ mich dem Gefühl der Liebe, die gerade die erste Hürde umschifft hatte.

      „Ich glaube, ich habe mich geirrt“, raunte er später zärtlich in mein Ohr. Die Hängematte hing wieder an ihrem Platz. Mit einiger Mühe war es uns gelungen nebeneinander darin Platz zu finden.

      „Worin?“

      „In meiner Einschätzung über die Liebe“, murmelte er. „Es ist nicht lange her, da habe ich geschrieben, dass die Welt ohne Liebe besser dran wäre.“

      Was man sich alles behält, wenn man es als junger Mensch auswendig gelernt hat. Ich erinnerte mich an den genauen Wortlaut:

      'Die Liebe ist nichts für mich. Denn was heißt Liebe? Eine Leidenschaft, die das Universum beiseite schiebt, um nichts zu sehen, als den geliebten Gegenstand.' Was daran allerdings schlecht sein sollte, verstand ich nicht.

      Auf St. Helena,