„Ja, mein Bruder nutzt es oft mit seiner Familie, denn er wohnt ja wirklich in Kopenhagen“, ergänzte Peter. „Und meine Eltern inzwischen auch, es wurde ihnen irgendwann zu einsam hier.“
„Und ich würde eigentlich lieber da wohnen, weil es direkt am Meer liegt“, sagte Peters hübsche Frau Sophia. „Aber mit all unseren Kindern ist es ein bisschen zu klein.“
Die fünf „entzückenden Blagen“, wie Inga sie genannt hatte, saßen beim Essen separat an dem Tisch im Wintergarten. Sie aßen von dem achtgängigen, opulenten, dänischen Menu, das Peter und Sophia zusammen vorbereitet hatten, nur die Suppe und das Dessert und widmeten sich dann einem Kartenspiel, bei dem alle paar Minuten jemand laut brüllte. Irgendwann war Sophia es leid und schloss die Schiebetüren, das reduzierte den Krach auf ein erträgliches Maß.
Den vorletzten Tag verbrachten sie auf der angrenzenden Halbinsel und genossen ein weiteres dänisches Menü in einem uralten Gasthof in Ebeltoft.
„Ich wusste gar nicht, dass die Dänen so eine lukullische Nation sind“, stöhnte Carolin und öffnete unauffällig ihren obersten Hosenknopf.
„Morgenabend koche ich uns eine Fatburner Mahlzeit“, versprach Bernadette. Auf den lautstarken Protest von Florence und Inga nahm sie diese Drohung allerdings schnell wieder zurück. Stattdessen kochten die beiden ein französisches Mahl und servierten zu jedem Gang eine neue Flasche aus ihrem immer noch umfangreichen Getränkevorrat. Sie waren nach Zwiebelsuppe, Crevetten-Salat, Artischocken und Seezunge mit beurre blanc und diversen Amuses Gueules zwischendurch beim Coq au Vin angekommen und nagten einträchtig Hühnerbeine ab.
„Sag´ mal“, fing Inga an, „wie willst du deine Männersuche eigentlich anstellen?“
Sie sah zu Carolin hinüber und der Schalk saß ihr in den Augenwinkeln.
„Na, wie das jeder heutzutage so macht. Im Internet.“
Carolin blickte sie mit ihren großen, blauen Augen fragend an.
„Aha. Im Internet. Und hast du dir schon Gedanken darüber gemacht, wie du da eigentlich auftreten willst? Du bist dir doch darüber im Klaren, dass du eine Bühne betrittst, wenn du dich da der Meute vorstellst?“
„Du scheinst da ja Erfahrungen zu haben“, sagte Florence. „Davon könntest du uns mal profitieren lassen.“
„Uns?“ fragte Carolin mit einem deutlichen Unterton von Verwunderung in der Stimme. „Wieso denn uns? Wollt ihr alle mitsuchen?“
„Ja, dachtest du, dieses Vergnügen darfst du nur für dich allein genießen?“ Inga lachte. „Dafür ist der ganze Spaß viel zu kostspielig. Du solltest dir sowieso überlegen, ob du nicht lieber dem örtlichen Ruderklub beitrittst oder dem Angelverein. Bogenschießen ginge vielleicht auch noch.“
„Ich dachte, ich mache es auf die effiziente Art und gehe dahin, wo andere Menschen dasselbe Interesse verfolgen wie ich. Nämlich den Partner fürs Leben zu finden. Eindeutig, zielgerichtet und ohne großen Zeitverlust.“
„Ohne Zeitverlust ist schon mal die erste Illusion.“ Inga kam langsam in Fahrt mit ihrer Aufklärungsmission. „Internet kostet unglaublich viel Zeit. Du musst dir Zeit für deinen Text nehmen, also, das machen wir am besten heute Abend noch, alleine ist sowas viel zu uninspiriert. Dann nimmst du die Kerle unter die Lupe. Das kostet unendlich viel Zeit. Dafür solltest du dir übrigens ein paar Kriterien überlegen, welches Alter, welcher Bildungsstand und so. Dann schickst du die eine oder andere nette Mail los. Und dann wartest du, bis die Typen sich endlich zu einer Antwort bequemen. Viele antworten übrigens auch gar nicht. Das Internet ist ein Pfuhl der Unhöflichkeit. Da würde ich mich wappnen.“
„Pfuhl der Unhöflichkeit, das gefällt mir“, lachte Florence. „Genauso ist es. Wenn ich Recherche-Anfragen stelle, erlebe ich das auch häufiger. Da muss man sich wirklich warm anziehen, es ist frustrierender, als man denkt.“
„Ihr seid ja ermutigend“, seufzte Carolin. „Meine Erfahrung ist einfach, dass man, sobald man die Uni hinter sich gelassen hat, niemanden mehr kennenlernt. Wo habt ihr euch denn getroffen? Na? Auf dem großen Heiratsmarkt Universität, richtig?“
Florence nickte fröhlich, Bernadette schuldbewusst.
„Aber ich habe Freundinnen, die haben auch später, im Kollegenkreis…“ Bernadette brach ab, weil die Beziehungen, an die sie dachte, allesamt mit Trennungen geendet hatten, das war jetzt nicht wirklich erbaulich.
„Im Kollegenkreis hatte ich höchstens die eine oder andere Affäre.“
Carolin erinnerte sich zurück und blickte ihre Freundinnen düster an. „Das kann ich überhaupt nicht empfehlen. Es ist so unfair. Wer schon liiert ist, aber unzufrieden, guckt sich ein bisschen um, die Hormone kochen hoch, zweiter Frühling, man verschafft sich eine nette Abwechslung, und wir Singles dürfen leiden.“
„Na, gänzlich unbeteiligt bist du doch auch nicht daran. Ich dachte immer, zum Verlieben gehören zwei.“ Inga Stimme war von Sarkasmus durchzogen. „Ich meine, du bist doch nicht willenlos. Das Schicksal klopft an die Tür, aber reinlassen tut man es selbst. Ist nicht von mir, hab´ ich gelesen.“
„Ja, aber wenn du alleine bist, bist du einfach bedürftiger. Die Ausgangslage ist schon unfair.“
„Na gut, ich will ja mal nicht so sein. Habe ich auch alles schon erlebt. Affären sind wirklich keine gute Idee.“
„Nee, und es ist erstaunlich, dass man das durchaus wissen und schon erlebt haben und trotzdem in eine reinstolpern kann, als wäre man völlig bescheuert.“
Carolin schüttelte den Kopf über sich, wenn sie an die eine oder andere schmerzhafte Liebesgeschichte zurückdachte. Sowas wollte sie auf gar keinen Fall nochmal, deshalb sollte jetzt eine seriöse Vermittlungsplattform her.
„Ich habe neulich einen Kabarettisten gehört, der meinte, wenn die Leute sich vorher ausrechnen würden, wie teuer das ist bei unglaublich hoher Wahrscheinlichkeit, dass es nicht klappt, würde jeder sofort die Finger davon lassen.“
Das war ein ermutigender Beitrag von Bernadette.
„Danke, danke euch vielmals“, echauffierte sich Carolin. „Ihr seid unglaublich hilfreich. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde, wahrlich! Ich dachte, ihr wollt mir helfen! Wie würdet ihr´s denn anstellen? Vielleicht strengt ihr mal eure Phantasie ein bisschen an, ihr gut Versorgten. Und du auch.“
Letzteres ging mit einem leisen Knurren in Ingas Richtung.
„Ich hab´ das mit dem Internet schon hinter mir“, zuckte Inga mit den Schultern. „Ich habe nur Trottel kennengelernt. Da war einfach so dermaßen gar nichts bei…. Ich würde es mit dem Angelverein versuchen. Aber ich bin im Moment gar nicht auf Männersuche, mir reicht es schon völlig, meinen Vater zu suchen.“
„Ach ja, das entschuldigt dich. Ausnahmsweise.“ Carolin lächelte etwas versöhnt. „Aber ihr zwei seid damit nicht aus dem Schneider!“
Bernadette zuckte leicht zusammen.
„Ich bin dir da bestimmt keine Hilfe. Ich bin so froh, dass ich Jaime habe, entschuldige bitte, aber so ist es einfach. Wenn ich jetzt einen Partner finden müsste, ich würde völlig verzweifeln.“ Bernadette sah mit dermaßen angstgefurchter Stirn in die Runde, dass Carolin ihr aufmunternd die Hand aufs Knie legte. Sie war als Freundin selbst zutiefst beruhigt, dass Bernadette in dieser Hinsicht gut versorgt war.
„Ich würde das locker angehen, glaube ich“, äußerte sich Florence nach längerer Pause. „Spielerisch. Ich würde versuchen, die Erwartungen völlig runterzuschrauben, was bestimmt leichter gesagt ist als getan. Und dann würde ich das so auffassen als sich einfach mal umsehen auf dem Markt. Ohne Absichten.“
„Also, das kann ich nach meinen Erfahrungen nur bestätigen“, nickte Inga. „Wenn du da ernsthaft drangehst, holst du dir sofort eine blutige Nase. Du musst es mit Humor nehmen und als Experiment, sozusagen. Du lernst ja Typen kennen, du glaubst es nicht. Ich hatte einmal einen, mit dem hatte