Alles steht in Flammen. Sabrina Heilmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sabrina Heilmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750238374
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Tränen sammelten sich in meinen Augen und meine Hände zitterten gefährlich.

      »Du warst ein Niemand, bevor du mich kennengelernt hast. Das sollte dir eigentlich klar sein. Ich kann dir in Deutschland ein Leben ermöglichen, von dem du nur träumen kannst.«

      Ich wurde auf meinem Platz immer kleiner. Ich wusste, dass ich jetzt besser den Mund halten und Devon sprechen lassen sollte, wenn ich glimpflich davonkommen wollte. Würde ich Widerworte geben, würde er sich nur mehr hineinsteigern und irgendwann gänzlich explodieren. Devon war eine tickende Zeitbombe, doch das hatte ich erst bemerkt, als es schon zu spät war.

      »Es tut mir leid«, flüsterte ich eingeschüchtert und die Tränen suchten sich den Weg über meine Wangen.

      »Nein, das tut es nicht.« Devon stand auf und packte mich grob am Arm. Er erwischte den Bluterguss und ich stöhnte auf. »Halt die Klappe«, fuhr er mich an. »Und jetzt räum den Müll hier weg, bevor ich mich vergesse.«

      Schnell stapelte ich die leeren Lieferdienstkartons übereinander und eilte mit ihnen in die Küche. Ich warf sie in den Müllsack und stützte mich dann schweratmend auf der Küchenarbeitsplatte ab. Schluchzend ließ ich den Kopf hängen und fragte mich, was ich im Leben verbrochen hatte, dass es mich bereits in so jungen Jahren dafür strafte. Mein gesamter Körper zitterte, obwohl Devon bei Weitem ruhiger geblieben war, als ich erwartet hatte. Und dennoch war mein Schicksal besiegelt.

      Weinend krallte ich mich in meinen rechten Unterarm, den ein kleines Tattoo zierte. Es zeigte eine rote E-Gitarre, die von Ranken und Rosen umgeben war. Das perfekte Abbild von Liams Instrument mit den bandtypischen Verzierungen. Ein kleines Überbleibsel meiner Jugend, das ich mir mit sechzehn Jahren heimlich stechen ließ.

      »Nele«, sagte Devon plötzlich und trat an mich heran. Er legte eine Hand auf meine Schulter und zog mich mit leichtem Druck zu sich. Ich zuckte ängstlich zusammen und ließ mich von meinem Freund in den Arm nehmen. »Ich weiß, dass du diesen Umzug auch willst.«

      »Nein, das will ich nicht!«, schrie ich ihn in Gedanken an.

      »Du musst dich nur an die Situation gewöhnen, das weiß ich. Ich wollte nicht so überreagieren.«

      »Ich möchte mich hinlegen. Ich fühle mich schwach«, flüsterte ich und Devon löste sich von mir.

      »In Ordnung, leg dich hin. Ich gehe ins Arbeitszimmer und erledige noch ein bisschen Papierkram.« Devon küsste mich, doch ich erwiderte den Kuss nur schwach. Dann ging er.

      Mit zitternden Fingern füllte ich mir ein Glas mit Wasser und trank es in einem Zug leer. Dann ging ich ins Badezimmer, duschte wieder eiskalt und versuchte mich so zu beruhigen. Es gelang mir allerdings nicht. Nachdem ich in meine Schlafsachen geschlüpft war, betrat ich das Schlafzimmer und ließ die Jalousie herunter. Im Nachtschrank suchte ich nach meinem Headset und steckte es schließlich in das Handy. Ich legte mich hin, steckte die Kopfhörer in meine Ohren und löschte das Licht. Wie ferngesteuert rief ich den LiveLoud-Ordner auf und schloss die Augen, während Liam hart in die Saiten seiner Gitarre schlug.

      Als seine sanfte Stimme erklang, tauchte sein Gesicht vor meinem inneren Auge auf. Ich erinnerte mich an den gestrigen Abend und an den Blick, mit dem er mich angesehen hatte. Mit Tränen in den Augen fragte ich mich, ob ich ihn jemals wiedersehen würde, wusste aber bereits in diesem Moment, dass ich meine Chance auf Rettung verspielt hatte.

      ***

      Montagnachmittag machte ich mich für meine Schicht in der Bibliothek fertig. Ich würde heute die Spätschicht übernehmen und erst nach Mitternacht nach Hause zurückkehren. Die Arbeit in der Bibliothek war die einzige Freiheit, die Devon mir gestattete. Er war sich ziemlich sicher, dass langweilige Bücherwürmer keine Gefahr für ihn darstellen würden und er mir in diesem Punkt getrost vertrauen konnte. Die kleine Bibliothek lag nur fünf Gehminuten von unserer gemeinsamen Wohnung entfernt. Ich schlüpfte schnell in eine einfache Jeans, ein schwarzes Top und in eine gleichfarbige, dünne Strickjacke. Nachdem ich meine Schuhe angezogen hatte, machte ich mich auf den Weg.

      Als mir der Geruch der Bücher entgegenschlug, fühlte ich mich endlich frei und entspannte mich merklich. Die Arbeit tat mir gut, sie gab mir die Aufgabe, die ich, inmitten des ganzen Stresses, dringend nötig hatte.

      »Nele, gut, dass du schon da bist«, rief Ginger, die Leiterin, fröhlich aus. »Heute Morgen war schon die Hölle los. Es herrscht das absolute Chaos.«

      »Lass mich raten, du hast ohne Ende Bücher für mich, die ich wieder an ihren Platz bringen darf.«

      Ginger deutete auf zwei Wagen, die bis obenhin mit Büchern in unterschiedlichen Größen und Dicken voll gestapelt waren.

      »Und ich weiß nicht, was noch an den Arbeitsplätzen liegt. Tut mir leid. Ich bin einfach nicht dazu gekommen.« Ginger sah mich entschuldigend an.

      »Schon okay, deswegen hast du mich ja.«

      Ich machte mich sofort an die Arbeit und begann die Bücher auf den Wagen nach ihren Nummern zu sortieren. Als ich diese undankbare Aufgabe beendet hatte, schob ich den ersten Wagen in den hintersten Gang und nahm den ersten kleinen Stapel. Zielsicher stellte ich alles an seinen vorgesehenen Platz und holte mir rasch den nächsten Stapel. Ich eilte von Regal zu Regal und verteilte die Bücher.

      Als ich mir die letzten beiden Fachbücher auf dem Wagen holte, musste ich mich auf Zehenspitzen stellen, um die vorletzte Regalebene zu erreichen. Ich schob das vorletzte Buch in die Reihe und stellte resigniert fest, dass das Letzte noch weiter oben stand. Ich streckte mich, doch es wollte mir einfach nicht gelingen.

      »Nun komm schon«, jammerte ich und versuchte mich noch länger zu machen, als mir plötzlich jemand das Buch aus der Hand nahm und es mit Leichtigkeit auf das obere Regal stellte. Ich spürte, wie derjenige dabei meinen Rücken berührte und drehte mich langsam um. Nur knapp vor mir stand Liam, der mich unsicher anlächelte. Seine Haare sahen aus, als wäre er gerade aufgestanden und seine Augen wirkten müde. Er trug eine enge schwarze, an den Knien zerschnittene Jeans, ein Shirt seiner eigenen Band und einen Nietengürtel, sowie seine schwarzen, abgewetzten Chucks. Liam wirkte fast wie ein Aussätziger in der Bibliothek. Er passte überhaupt nicht ins Bild.

      »Danke«, flüsterte ich und wollte mich an ihm vorbeischieben, um zum Wagen zurückzukehren. Liam ging einen Schritt beiseite. »Was machst du hier?«

      »Ich war gerade in der Nähe und … Leon hat erwähnt, dass du hier arbeitest. Ich dachte, ich schau einfach mal vorbei.« Unsicher fuhr er sich durch die Haare. »Ich wollte mich noch einmal bei dir entschuldigen. Ich wollte dich Freitag nicht so grob anfassen.«

      »Hmm«, brummte ich und wollte gehen. Ich hatte schon genug Entschuldigungen in meinem Leben gehört. Keine davon war ehrlich gemeint. »Ich muss weiterarbeiten.« Ich wollte mich um den zweiten Bücherwagen kümmern.

      »Nele, jetzt lass mich nicht schon wieder stehen«, sagte Liam und seufzte. Verzweifelt steckte er die Hände in die Hosentaschen und senkte seinen Blick. Ich drehte mich noch einmal zu ihm um. »Mein eingebildetes Rockstar-Herz kommt nicht so gut mit Körben klar.«

      Ich lachte leise auf und sagte dann: »Ich wusste nicht, dass du mir Avancen gemacht hast. Ich bin vergeben, tut mir leid.« Ich zuckte mit den Achseln.

      »Ich weiß, Leon hat so etwas erwähnt. Ach ja, und er hat noch etwas anderes verraten.« Ein spitzbübisches Lächeln zuckte über Liams Lippen und ließ mein Herz schneller schlagen. Ich ahnte schon, was mein Bruder hinausposaunt hatte. »Dass du einer unserer größten Fans gewesen sein sollst, kann ich immer noch nicht glauben. Das hat dein Bruder sich doch ausgedacht?«

      »Natürlich hat er das. Was denkst du denn? Dass ein Mädchen wie ich auf eine Band wie deine steht. Lächerlich«, scherzte ich und verdrehte die Augen.

      Liam ging wieder etwas auf mich zu und lehnte sich lässig gegen eines der Regale. Mit einer leichten Kopfbewegung warf er eine Haarsträhne zurück und suchte daraufhin meine Augen. Ich hielt die Luft an. Dass er mir so nahe war, machte mir Angst.

      »Und in wen von uns warst du verliebt?«, wollte