Eine Geste, die für gewöhnlich hieß, dass er vor irgendetwas Angst hatte. In den letzten Monaten hatte sie gelernt, auf diese Kleinigkeiten zu achten, die er niemals in Worte fassen würde.
Mit zusammengezogenen Augenbrauen wandte sie ihren Kopf, um ihn anzusehen. Die dunklen Augen fixierten sie ernst.
"Was ist los?", fragte sie verwirrt, weil seine Augen das Gleiche aussagten wie sein Körper.
"Nichts, alles gut. Also was hältst du davon?", drängte er weiter. Auch das passte so gar nicht zu ihm. Normalerweise hätte er sofort versucht, ihre Besorgnis zu lindern.
"Wir haben erst Heiligabend, du wolltest es doch am Weihnachtsmorgen machen", antwortete sie und musterte seine angespannte Kieferpartie.
"Ich halt's nicht mehr so lang aus, bitte", sagte er beinahe flehentlich.
Der Ton war ihr bei Ty völlig fremd. Er war immer stark und beherrscht, doch jetzt schien er völlig aus der Fassung zu sein.
Also nickte Nina nur und wollte sich von ihm lösen, um ihr Geschenk für Ty aus ihrem Koffer zu holen.
"Wo willst du hin?", fragte er und hielt sie einfach fest. Sie hatte keine Chance, sich auch nur einen Zentimeter von ihm wegzubewegen.
In solchen Situationen war Nina mehr als genervt von seiner körperlichen Überlegenheit.
Seufzend entspannte sie sich in seinem Griff. "Wie soll ich dein Geschenk holen, wenn du mich nicht los lässt?", fragte sie schließlich ruhig.
Irgendwas schien ihn wirklich zu verunsichern und es machte keinen Sinn, sich deswegen mit ihm zu streiten.
"Oh, okay, klar", stotterte er und sah dabei irgendwie verlegen aus.
Steht ihm, dachte sie grinsend, als Ty seinen Griff langsam löste. Dann erhob sie sich von ihrem provisorischen Bett um sein Geschenk zu holen.
Sie hatte es tief in ihrem Rucksack vergraben, der neben der Eingangstür stand. Es war gar nicht so leicht gewesen, es in den vergangenen Wochen vor ihm zu verstecken.
"Frohe Weihnachten", sagte sie, nachdem sie sich im Schneidersitz vor ihm niedergelassen hatte, und überreichte ihm das kleine Schächtelchen.
Jemandem etwas zu schenken, der sich alles selbst kaufen konnte, war bei Gott nicht einfach gewesen.
Sie hatte bei einem Juwelier in Boston, den Sky ihr empfohlen hatte, zwei Platinarmbänder erstanden. Eines für jeden von ihnen. Tys Version war sehr massiv und schwer, weil es sich an seinen muskulösen Armen nicht verlieren sollte. Ihr eigenes war sehr fein gearbeitet.
Auf die Oberseite der eingearbeiteten Platte hatte sie 'I' m yours' eingravieren lassen. Und es war die Wahrheit. Sie gehörte ihm und er gehörte ihr. Auf der Innenseite seines Armbands stand 'In Liebe, Nina', in ihrem eigenen schlicht 'Ty'.
Tys Blick war unruhig, während er das Kästchen, das in seinen großen Händen winzig wirkte hin und her drehte.
Dann endlich klappte er den Deckel auf.
Gespannt wartete sie auf seine Reaktion ... und bekam einfach gar keine.
Vielleicht hatte sie sich ja doch ein wenig zu weit aus dem Fenster gelehnt?
Ganz langsam schloss er das Kästchen und stellte es vorsichtig zur Seite. Dann griff er nach vorn und riss Nina an sich.
Völlig überrumpelt quiekte sie auf, verstummte aber sogleich, da er sie energisch küsste. Seine Hände und seine Lippen waren hart und besitzergreifend, drängend und voller Leidenschaft.
Erst nach und nach wurde sein Kuss weicher, zärtlicher, dann löste er seine Lippen wenige Millimeter von ihren und wisperte: "Danke."
Ninas Augen begannen zu brennen. Dieser wundervolle Mann grub sich Tag für Tag tiefer in ihr Herz.
Seine Liebe füllte sie aus und sie liebte die Art, mit der er sie zeigte. Ohne viele Worte mit umso größeren Gesten. Federleicht strich sie ihm über die Wange, über die weichen Stoppeln, die sich in den letzten drei Tagen gebildet hatten.
Ty beobachtete sie dabei, wie er es so oft tat, als könnte er nicht glauben, dass sie tatsächlich bei ihm war.
Er drehte sie ein Stück, sodass sie quer zwischen seinen Beinen saß und ihren Kopf an seiner Brust anlehnen konnte.
Nina schmiegte ihre Wange an seine nackte Haut und fuhr, wie so oft, gedankenverloren mit ihrem Finger die verschlungenen Muster seiner Tribals nach.
Dieser Platz schien wie für sie gemacht. Nirgendwo hatte sie sich jemals wohler gefühlt.
Ty griff erneut nach dem Kästchen. Vorsichtig zog er das dünnere Armband heraus und legte es ihr um. Dann reichte er ihr das Massive und hielt ihr sein Handgelenk hin, damit Nina es ihm umlegen konnte.
Es stand ihm und sie war mehr als nur froh darüber, das richtige Geschenk gewählt zu haben.
"Weil du mir gehörst", flüsterte er und küsste dann die Innenseite ihres Handgelenks, knapp über dem kühlen Metall.
Er ließ ihre Hand nicht los, sondern tastete nach etwas hinter ihrem Rücken. Dann platzierte er ein noch kleineres Kästen auf ihrer Hand.
"Ich liebe dich", sagte er ganz leise und räusperte sich dann. "Willst du mich heiraten, Nina?", fuhr er fort und öffnete die kleine, schwarze Schachtel.
TY
Kein Ton. Sie saß einfach nur da, starrte auf den Ring und sagte keinen Ton.
"Nina?", fragte er vorsichtig.
Das löste wohl ihre Starre. Mit einer sehr entschlossenen Handbewegung klappte sie den Deckel zu und sagte energisch: "Nein!"
Es dauerte einige Sekunden, bis die Bedeutung dieses Wortes zu ihm durchgedrungen war.
"Nein?", fragte er verdattert, denn das hatte er wirklich nicht erwartet.
Hatte sie ihm nicht gerade noch gesagt, dass sie ihm gehörte? Er war nie in seinem Leben glücklicher gewesen und hatte nicht erwartet, dass es Nina anders gehen konnte.
Seit Wochen fürchtete er sich vor diesem Moment. Sein schlimmster Albtraum war soeben eingetroffen, in einem Moment, an dem er es am wenigsten erwartet hatte.
"Was?", fragte er entsetzt.
"Nein", wiederholte die Traumfrau in seinen Armen resolut. Sie wehrte sich immer massiver gegen seinen Griff. Schließlich ließ Ty sie los, aus Angst, ihr sonst weh zu tun.
Sofort rappelte sie sich auf und lief mit weit aufgerissenen Augen einige Schritte zurück. Bei diesem Anblick kam sein Herz ins Stolpern.
Was zum Teufel hatte er getan? Warum lief sie von ihm weg?
Eigentlich war er doch derjenige, zu dem sie immer kam, wenn etwas nicht stimmte. Er war es, von dem sie sich beschützen ließ. Er würde sein Leben für sie geben und sie rannte vor ihm weg?
"Nina ... bitte ...", sagte er verzweifelt, doch sie schüttelte nur den Kopf.
"Nein. Niemals", sagte sie so endgültig, dass es Ty das Herz brach.
Schwer atmend zog er seine Knie an und stützte die Ellbogen darauf ab. Dann legte er seinen Kopf in die Hände und versuchte krampfhaft weiter zu atmen.
Er hatte wirklich mit vielem gerechnet, aber bei Gott nicht damit, dass sie ihn so rundheraus ablehnen würde.
Die zwei Seelen, die in ihm schlummerten, stritten sich lautstark über die weitere Vorgehensweise.
Sein Alter Ego drängte ihn dazu, alles im Umkreis von 30 Meilen zu verwüsten. Alles, was sich um ihn herum befand, ebenso zu zerreißen, wie es Nina gerade mit seinem Herz und seinen Träumen getan hatte.
Sein sanftes Ich, jenes, welches nur Nina in ihm hervorrief, wollte