Hausgemachte österreichische Herausforderungen
Zu Beginn dieses Jahrtausends wurde Österreich hinsichtlich der Attraktivität des Standortes und in Bezug auf seine allgemeine Wirtschaftspolitik, und dies durchaus zu Recht, von vielen Experten noch als das „bessere Deutschland“ bezeichnet.
In einem wirtschaftlich offenen Europa der Europäischen Union mit ihren vier Grundfreiheiten ist das Vorhandensein komparativer Standortvorteile gegenüber anderen Ländern der EU von ganz elementarer Bedeutung. Umso mehr, wenn es sich dabei um Vorteile gegenüber dem mit großem Abstand wichtigsten Handelspartner, nämlich Deutschland, handelt.
Gelingt dies, so wie in den Jahren 2000–2006 und auch in den Jahren 2017–2019 (jeweils mit Regierungsbeteiligung der FPÖ), hat die Politik vieles richtig gemacht. Gelingt dies nicht, so wie in den übrigen Jahren seit 2007, hat die Politik vieles falsch gemacht.
Österreichs Wirtschaftspolitik und der Abstieg in den letzten Jahren seit 2007 muss anhand eines Vergleiches mit Ländern dargestellt werden, mit denen wir uns messen sollten und müssen. Demnach müssen wir uns mit Deutschland und unserem nicht in der EU befindlichen Nachbarland Schweiz und weniger, ohne diesen Ländern zu nahe treten zu wollen, mit Ländern wie Griechenland oder Portugal vergleichen.
Österreichs Abstieg in den Vergleichsfeldern Entwicklung der Staatsschulden, Entwicklung der Steuer- und Abgabenquote, Entwicklung der Arbeitslosenzahlen, Entwicklung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und Entwicklung der Innovationsfähigkeit ist dabei (im negativen Sinn) beachtlich und besorgniserregend.
Wesentlich ist, dass diese Entwicklungen „hausgemacht“ und von den jeweiligen österreichischen Bundesregierungen zu verantworten sind, dass das Land als Wirtschaftsstandort sich bereits Ende 2019, also vor der Corona-Krise, in einem Zustand befunden hat, der absolut unzufriedenstellend war, und bereits damals dringender Handlungsbedarf für grundlegende wirtschafts- und standortpolitische Reformen bestand.
DER ZUSTAND ÖSTERREICHS ALS WIRTSCHAFTSSTANDORT VOR CORONA
Zwei Jahrzehnte mangelhafte Standortpolitik bis 2019
Österreich ging leider in den letzten beiden Jahrzehnten wirtschafts- und standortpolitisch die meiste Zeit den falschen Weg. Es wurde über die Jahre ein Staat geschaffen, der in seinen Kernaufgaben schwach ist, diese nur völlig unzureichend erfüllt, in manchen Bereichen sogar gänzlich versagt. Andererseits wurde über die Jahre auch ein „Moloch-Staat geschaffen, der sich überall dort einmischt, wo er eigentlich nicht tätig sein sollte, und höchst ineffektiv und ineffizient agiert.
Wirksame Wirtschafts- und Standortpolitik heißt auch, diese Entwicklung zu stoppen und umzukehren. Dabei kann in der Betrachtung des Zeithorizonts von 2000 bis 2019 grob zwischen drei „Phasen“ unterschieden werden:
Erstens der Phase der ÖVP/FPÖ-Regierungen zwischen 2000 und 2006, wo es Österreich gelang, den großen Bruder Deutschland in vielen Bereichen zu überholen und in manchen Bereichen zum „besseren Deutschland“1 zu werden.
Zweitens der Phase der SPÖ/ÖVP-Regierungen zwischen 2006 und 2017, in der Österreich kontinuierlich zurückfiel2 und von vielen Ländern, mit denen wir uns vergleichen sollten, überholt wurde. Dies vor allem deshalb, weil diese Länder Maßnahmen gesetzt hatten, die in einem „rot-schwarzen“ Dauerstillstand in Österreich eben nicht gesetzt wurden.
Drittens der Phase der ÖVP/FPÖ-Regierung zwischen 2017 und 2019 mit einer sehr guten Entwicklung hinsichtlich der volkswirtschaftlichen Zahlen. Diese gute Entwicklung ist einerseits durch manch vernünftige wirtschaftspolitische Initiative begünstigt worden. Andererseits muss man doch sagen, dass wohl eher die sehr gute allgemeine Wirtschaftsentwicklung in diesen beiden Jahren der Hauptgrund für deutliche Senkungen etwa der Staatsschuldenquote war. Notwendige, tiefgreifende strukturelle Reformen sind auch dieser Regierung nicht gelungen, sodass sich der Wirtschaftsstandort Österreich Ende 2019, also bereits vor der „Corona-Krise“, in keinem guten Zustand befand.
Eine kurze Analyse der Entwicklung ausgewählter volkswirtschaftlicher Steuerungskennzahlen aus dem Zeitraum 2000 bis 2019 soll dies verdeutlichen. Neben den Zahlen für unsere Republik Österreich sind dabei insbesondere Vergleiche mit anderen Ländern, und zwar solchen, mit denen wir uns vergleichen sollten und müssen, von Interesse. Methodisch werden dabei die Entwicklungen bis zum Zeitpunkt vor dem Ausbruch der Corona-Krise, also im Wesentlichen die Entwicklungen relativ „normaler“ Wirtschaftsjahre bis Ende 2019, betrachtet.
Staatsausgaben und Staatseinnahmen – schlechte Budgetdisziplin
Quelle: Statistik Austria
Nachhaltig verantwortungsvolle Budgetpolitik heißt, dass die Staatsausgaben über einen bestimmten Zeithorizont betrachtet die Staatseinnahmen nicht übersteigen sollten. Kurzfristig höhere Staatsausgaben als Staatseinnahmen sind daher durchaus zulässig, die entscheidende Frage ist aber, wofür man diese kurzfristigen Ausgabenüberschüsse, also Budgetdefizite, in Kauf nimmt. Auch hier soll ein Vergleich mit Deutschland und der Schweiz die Beurteilung der Qualität der österreichischen Budgetpolitik erhellen.
Während es in Österreich erst in den Jahren 2018 und 2019 erstmalig seit über 60 Jahren gelungen ist, tatsächlich geringfügige Budgetüberschüsse zu erzielen, gelang dies Deutschland, die grundsätzlich gute Entwicklung der Wirtschaft nach der Finanzkrise 2012 offenbar besser nutzend, schon sehr viel früher. Deutschland gelang es bereits seit dem Jahr 2012 bis einschließlich 2019, Budgetüberschüsse zu machen. Auch der Schweiz gelang es bereits seit 2003, ihre Budgets ausgeglichen zu gestalten, wobei in diesen vergangenen 16 Jahren teilweise deutliche Budgetüberschüsse verzeichnet werden konnten.
Wenn man sich diese Vergleiche vor Augen führt, ist die Behauptung mancher ÖVP-Politiker, das Land könne sich jetzt die ausschließlich auf Schulden finanzierten Milliardensubventionen der Jahre 2020 und 2021 leisten, weil man in den Jahren zuvor „so gut gewirtschaftet hätte“, schlichtweg falsch.
Hohe Staatsverschuldung
Quelle: Statistik Austria, Staatsquoten 1995–2020
Betrugen Österreichs Staatschulden