Dennoch liegt nach wie vor ein beträchtlicher Anteil dieser Gestaltungsmacht bei den nationalstaatlichen Regierungen als Exekutivorgane mit demokratischem Mandat ihrer Staatsbürger.
In diesem ersten Kapitel wird der Corona-Schock des März 2020 zunächst bewusst ausgeblendet und werden die strukturellen Fehler österreichischer Wirtschafts- und Standortpolitik sowie deren daraus resultierende negative Ergebnisse und Zustände im Vergleich zu anderen Ländern untersucht. Dies mit dem methodischen Ziel, die Ausrede, dass der Corona-Schock an allem schuld sei, als solche evident zu machen.
Der Corona-Schock 2020 hat die Situation natürlich dramatisch verschärft, aber wir haben auch bereits vorher unsere Hausaufgaben nicht gemacht. Es darf keinesfalls der Fehler gemacht werden, für den desaströsen Zustand zu Ostern 2021 ausschließlich Corona verantwortlich zu machen.
Der katastrophale Zustand, in dem sich unser Land zu Ostern 2021 in vielen Bereichen befindet, ist eine giftige Mischung aus:
•Den vielfältigen strukturellen Schwächen und Fehlentwicklungen, die bereits vor der Corona-Krise bestanden haben.
•Dem dilettantischen, auf Angstmacherei beruhenden Vorgehen der Bundesregierung, welches unserer gesamten Gesellschaft und daraus resultierend auch unserer Wirtschaft nachhaltigen, langfristig wirkenden Schaden zufügt.
•Dem Unvermögen der türkis-grünen Bundesregierung, die Corona-Krise als Chance für nachhaltige strukturelle Reformen zu sehen.
Auf das mangelhafte Management der Corona-Krise durch die türkis-grüne österreichische Bundesregierung wird im nachfolgenden Kapitel 2 ausführlich eingegangen werden.
Wirksame Wirtschafts- und Standortpolitik hat aber immer stattzufinden, in der Krise herrschen nur besonders erschwerte Bedingungen. Mehr noch, wirksame Wirtschafts- und Standortpolitik erhöht selbstverständlich die Resilienz des Systems, erhöht die Robustheit in Krisenzeiten.
In diesem ersten Kapitel wird die Wirtschafts- und Standortpolitik der Bundesregierungen vor dem Corona-Schock 2020 analysiert. Dies ist nur unter Berücksichtigung der globalen und europäischen Herausforderungen, die neben den nationalen Herausforderungen das Umfeld bestimmen, möglich und sinnvoll.
Die Gestaltungsmöglichkeiten von nationalstaatlichen Regierungen hinsichtlich der großen Herausforderungen auf globaler und europäischer Ebene sind natürlich eingeschränkt. Hinsichtlich der Methodik für die Lösung dieser Herausforderungen stehen zwei grundsätzlich unterschiedliche Vorgehensweisen bzw. Modelle zur Verfügung:
Einerseits die Methode der Lösung der Herausforderungen durch institutionalisierte supranationale Organisationen. Dies bedingt jedoch die Abgabe der dafür erforderlichen Kompetenzen und Ressourcen durch die Nationalstaaten an diese Organisationen. Ein Modell, für das in letzter Zeit zunehmend der Begriff des „Multilateralismus“ verwendet wird.
Andererseits die Methode der Lösung der Herausforderungen durch bilaterale, trilaterale und auch multilaterale Zusammenarbeit, jedoch in Form problem- und anlassbezogener Kooperation zwischen weiterhin hinsichtlich der Ressourcen und Kompetenzen weitestgehend souveränen und eigenbestimmten Nationalstaaten.
Die Republik Österreich stand bereits 2019 vor großen Herausforderungen. Diese sind mit der „Corona-Krise“ nicht verschwunden, sie bestehen weiter. Mehr noch, durch die Corona-Krise ist das Erfordernis, sich diesen Herausforderungen zu stellen und die sich daraus ergebenden Aufgaben zu lösen, noch deutlich größer geworden.
Nachfolgend gehe ich kurz auf die globalen und europäischen Herausforderungen ein, um mich danach ausführlich den österreichischen Herausforderungen und dem strukturellen Versagen österreichischer Bundesregierungen im Bereich der Wirtschafts- und Standortpolitik in den Jahren vor Corona zu widmen.
Dieses Versagen führte im Ergebnis dazu, dass Österreich im internationalen Vergleich bereits vor Corona, also Ende des Jahres 2019, in vielen wesentlichen Bereichen den Anschluss an Spitzenländer längst verloren hatte.
DIE GROSSEN HERAUSFORDERUNGEN VOR CORONA WIE NACH CORONA
Herausforderungen auf drei Ebenen
Ausgehend von der Selbstverständlichkeit, dass der Mensch im Mittelpunkt aller Politik stehen muss, ist es Aufgabe wirksamer Wirtschafts- und Standortpolitik, ihren Beitrag insoweit zu leisten, als dadurch die materiellen Grundlagen geschaffen werden müssen, die es den in unserer Solidargemeinschaft „Republik Österreich“ lebenden Menschen ermöglicht, ein Leben
•in sozialem Frieden und sozialer Sicherheit
•in Wohlstand
•in Freiheit und weitestmöglicher Selbstbestimmung
•in einer funktionierenden Demokratie mit einer funktionierenden Gewaltentrennung zwischen Legislative, Judikative und Exekutive
•in einer sauberen und gesunden Umwelt
zu führen.
Damit wird erst das nachhaltige Funktionieren einer Solidargemeinschaft mit Rechten und Pflichten ermöglicht.
Österreichische, nationalstaatliche Wirtschafts- und Standortpolitik sieht sich dabei mit großen Herausforderungen konfrontiert, die sich vielschichtig auf mindestens drei Ebenen ergeben.
Hier sind zum Ersten die großen globalen Herausforderungen unserer Zeit zu nennen, die es durch internationale, aber vor allem auch nationalstaatliche Politik zu bewältigen gilt. Neben der derzeit alles überlagernden Herausforderung durch COVID-19 sind dies unsere Umwelt betreffende Fragen, der Klimawandel, der Umgang mit unseren Ressourcen. Das ist weiters die zunehmende Globalisierung aller Märkte, welche heute von Gütern und Kapital bis zu Dienstleistungen und Arbeit reicht. Das ist aber auch das weltweite Altern der Bevölkerung, und das sind vor allem die stark steigenden weltweiten Migrationsbewegungen. Der gegenwärtige internationale politische Rahmen erleichtert deren Bewältigung nicht und zeigt vielfach Signale einer völligen Überforderung.
Die Meisterung dieser Herausforderungen wird zum Zweiten erschwert durch eine Europäische Union, die in einem besorgniserregenden Zustand ist. Dies ist das Ergebnis einer viel zu überhasteten Integration und des Glaubens, durch Vorgabe von Integrationsschritten ökonomische Reformen in den neuen Mitgliedstaaten bewirken zu können. Wie der Euro gezeigt hat, ist das Gegenteil der Fall und die ausgelösten finanziellen, ökonomischen und politischen Spannungen dieses Versuches sind mitverantwortlich für wachsende Desintegrationserscheinungen.
Zum Dritten sind wir mit der Tatsache konfrontiert, dass durch verfehlte nationale Wirtschaftspolitik der letzten 15 Jahre Österreich, das zu Beginn dieses Jahrtausends noch als das „bessere Deutschland“ gefeiert wurde, bestenfalls zum Mittelmaß abgesunken ist. Trotz Rekordsteuern und Abgaben können die hohen