Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johann Gottfried Herder
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066398903
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reden muste? Wurde nicht der sanftmüthige und herzlich demüthige Menschen-Lehrer gedrungen ein Wehe über das andere gegen die Gelehrten und frommen Leute seines Volkes auszustossen?

      In Vergleichung eines Xenophons und Platons würde vielleicht der Styl des Sokrates nach den Meissel eines Bildhauers ausgesehen haben und seine Schreibart mehr plastisch als malerisch gewesen seyn. Die Kunstrichter waren mit seinen Anspielungen nicht zufrieden, und tadelten die Gleichnisse seines mündlichen Vortrages bald als zu weit hergeholt, bald als pöbelhaft. Alcibiades aber verglich seine Parabeln gewissen heiligen Bildern der Götter und Göttinnen, die man nach damaliger Mode in einem kleinen Gehäuse trug, auf denen nichts als die Gestalt eines ziegenfüßigen Satyrs zu sehen war.

      Hier ist ein Beyspiel davon. Sokrates verglich sich mit einem Arzte, der in einem gemeinen Wesen von Kindern die Kuchen und Leckerbissen verbiethen wollte. Wenn diese Hofbecker, sagte er, den Arzt vor einem Gerichte verklagen möchten, das aus lauter Kindern bestünde: so wäre sein Schicksal entschieden. Man machte zu Athen so viel Anschläge an der Ruhe der Götter Theil zu nehmen, und gleich ihnen weise und glücklich zu werden, als man heut zu Tage macht nach Brodt- und Ehren-Stellen. Jeder neue Götzendienst war eine Finanzgrube der Priester, welche das öffentliche Wohl vermehren sollte; jede neue Secte der Sophisten versprach eine Encyclopedie der gesunden Vernunft und Erfahrung. Diese Projecte waren die Näschereyen, welche Sokrates seinen Mitbürgern zu vereckeln suchte.

      Athen, das den Homer als einen Rasenden zu einer Geldbusse verdammt haben soll, verurtheilte den Sokrates als einen Missethäter zum Tode.

      Sein erstes Verbrechen war, daß er die Götter nicht geehrt und neue hätte einführen wollen. Plato läßt ihn gleichwol in seinen Gesprächen öfterer bey den Göttern schwören als ein verliebter Stutzer bey seiner Seele oder ein irrender Ritter bey den Furien seiner Ahnen lügt. In den letzten Augenblicken seines Lebens, da Sokrates schon die Kräfte des Gesundbrunnens in seinen Gliedern fühlte, ersuchte er noch aufs anständigste seinen Kriton einen Hahn zu bezahlen und dem Äskulap zu opfern. Sein zweytes Verbrechen war ein Verführer der Jugend gewesen zu seyn, durch seine freye und anstössige Lehren.

      Sokrates antwortete auf diese Beschuldigungen, mit einem Ernst und Muth, mit einem Stolz und Kaltsinn, daß man ihn nach seinem Gesichte eher für einen Befehlshaber seiner Richter, als für einen Beklagten hätte ansehen sollen.

      Sokrates verlor, sagt man, einen giftigen Einfall, und die gewissenhaften Areopagiten die Gedult. Man wurde also hierauf bald über die Strafe einig, der er würdig wäre, so wenig man sich vorher darüber hatte vergleichen können.

      Ein Fest zu Athen, an dem es nicht erlaubt war ein Todesurtheil zu vollziehen, legte Sokrates die schwere Vorbereitung eines dreyssigtägigen Gefängnisses zu seinem Tode aut.

      Nach seinem Tode soll er noch einem Chier, Namens Kyrsas erschienen seyn, der sich unweit seines Grabes niedergesetzt hatte und darüber eingeschlafen war. Die Absicht seiner Reise nach Athen bestand, Sokrates zu sehen, der damals nicht mehr lebte; nach dieser Unterredung also mit desselben Gespenste, kehrte er in sein Vaterland zurück, das bey den Alten wegen seines herrlichen Weins bekannt ist.

      Plato macht die freiwillige Armuth des Sokrates zu einem Zeichen seiner göttlichen Sendung. Ein grösseres ist seine Gemeinschaft an dem letzten Schicksale der Propheten und Gerechten. Ein Bildsäule von Lysippus war das Denkmal, das die Athenienser seiner Unschuld und dem Frevel ihres eigenen Blutgerichts setzen liessen.

       Schlußrede.

      Wer nicht von Brosamen und Allmosen, noch vom Raube zu leben, und für ein Schwert

      Μαχαιραν; αστειον γε κερδος – – – –

       Υπερβολος δ' ουκ των λυχνων πλειν η ταλαντα πολλα

       Ειληφε δια πονηριαν, αλλ' ου μα Δι' ου μαχαιραν.

       Aristoph. Nubes.

      alles zu entbehren weiß, ist nicht geschickt zum Dienst der Wahrheit; Der werde frühe! ein vernünftiger, brauchbarer, artiger Mann in der Welt, oder lerne Bücklinge machen und Teller lecken: so ist er für Hunger und Durst, für Galgen und Rad sein Lebenlang sicher.

      Ist es wahr, daß GOtt Selbst, wie es in dem guten Bekenntnisse lautet, das er vor Pilatus ablegte; ist es wahr, sage ich, daß Gott Selbst, dazu ein Mensch wurde und dazu in die Welt kam, daß er die Wahrheit zeugen möchte: so brauchte es keine Allwissenheit vorher zu sehen, daß er nicht so gut wie ein Sokrates von der Welt kommen, sondern eines schmählichern und grausameren Todes sterben würde, als der Vatermörder des allerchristlichsten Königes, Ludwich des Vielgeliebten, der ein Urenkel Ludwich des Grossen ist.

      Aesthetica in nuce

       Inhaltsverzeichnis

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Apostille.

      Buch der Richt. V, 30.

       שלל צבעיס רקמה צבע רקמתים לצוארי שלל׃

      Elihu im Buch Hiob XXXII, 19-22.

       הנה בטני כיין לא־יפתח כאבות חדשים יבקע׃ אדברה וירוה לי אפתח שפתי ואענה׃ אל־נא אשא פני־איש ואל־אדם לא אכנה׃ כי לא ידעתי אכנה כמעט ישאני עשני׃

      Kapitel 1

       Inhaltsverzeichnis

      HORATIVS.

      Odi profanum vulgus & arceo.

       Fauete linguis! carmina non prius

       Audita, Musarum sacerdos,

       Virginibus puerisque canto.

       Regum timendorum in proprios greges;

       Reges in ipsos imperium est Iouis,

       Clari giganteo triumpho,

       Cuncta supercilio mouentis.

      Nicht Leyer! – noch Pinsel! – eine Wurfschaufel für meine Muse, die Tenne heiliger Litteratur zu fegen! – – Heil dem Erzengel über die Reliquien der Sprache Kanaans! – auf schönen Eselinnen1 siegt er im Wettlauf; – aber der weise Idiot Griechenlands borgt Euthyphrons2 stolze Hengste zum philologischen Wortwechsel.

      Poesie ist die Muttersprache des menschlichen Geschlechts; wie der Gartenbau, älter als der Acker: Malerey, – als Schrift: Gesang, – als Deklamation: Gleichnisse, – als Schlüsse3: Tausch, – als Handel. Ein tieferer Schlaf war die Ruhe unserer Urahnen; und ihre Bewegung, ein taumelnder Tanz. Sieben Tage im Stillschweigen des Nachsinns oder Erstaunens saßen sie; – – und thaten ihren Mund auf – zu geflügelten Sprüchen.

      Sinne und Leidenschaften reden und verstehen nichts als Bilder. In Bildern besteht der ganze Schatz