10 Von dieser letztern Gattung Zeichen ist folgende Stelle im Petron zu verstehen, die ich mich genöthigt sehe in ihrem Zusammenhange anzuführen, gesetzt daß man auch selbige für eine Satyre auf den Philologen selbst und seine Zeitverwandten ansehen solte: nuper ventosa isthaec & enormis loquacitas Athenas ex Asia commigrauit, animosque iuuenum ad magna surgentes veluti pestilenti quodam sidere afflauit, simulque corrupta eloquentiae regula stetit & obmutuit. Quis postea ad summam Thucydidis? (Man nennt ihn den Pindar der Geschichtschreiber) quis Hyperidis (der den Busen der Phryne entblößte, um die Richter von seiner guten Sache zu überzeugen) ad famam processit? Ac ne carmen quidem sani coloris enituit; sed omnia, quasi eodem cibo pasta, non potuerunt vsque ad senectutem canescere. PICTVRA quoque non alium exitum fecit, postquam AEGYPTIORVM AVDACIA tam magnae artis COMPENDIARIAM inuenit. Man vergleiche hiemit die tiefsinnige Prophezeyung, welche Sokrates dem ägyptischen Könige Thamus über die Erfindung des Theuts in den Mund legt, daß Phädrus darüber ausruft: ω Σωκρατες, ραδιως συ Αιγυπτιους τε και οποδαπους αν εθελης λογους ποιοιης.
11 Die eine Metapher ist aus des Grafen von Roscommon Essay on translated verse und Howel's Lettres; beyde haben dies Gleichnis aus dem Saavedra entlehnt, wo ich nicht irre; die andere aus einem der vorzüglichsten Wochenblätter (The Adventurer) entlehnt: Dort werden sie aber ad illustrationem (zur Verbrämung des Rockes); hier ad inuolucrum (zum Hemde auf bloßem Leibe) gebraucht, wie Euthyphrons Muse unterscheiden lehrt.
12 Ps. XXXIII, 9.
13 Joh. XX, 15-17.
14 Röm. IX, 21.
15 Siehe D. Youngs Schreiben an dem Verfasser des Grandison über die Originalwerke.
16 Apostelgesch. X. XI.
17 Lib. I. Od. 22.
18 Orgia nec Pentheum nec Orpheum tolerant, Baco de Augm. Scient. Lib. II. Cap. XIII.
19 Tibull. Libr. II. Eleg. I.
Kapitel 2
Sollte diese Rhapsodie gar die Ehre haben einem Meister in Israel zur Beurtheilung anheim zu fallen: so laßt uns ihm in heiliger Prosopopee20, die im Reiche der Todten eben so willkommen als im Reiche der Lebendigen ist (– – si NVX modo ponor in illis) entgegen gehen:
Hoch- und Wohl-gelahrtester
Rabbi!
»Des heiligen Römischen Reichs Postillon, der auf dem Schilde seines Wapens zum Wahlspruch: Relata refero, trägt, hat mich zur letzten Hälfte der Homilien de sacra poesi recht lüstern gemacht. Ich brenne darnach – und warte umsonst bis auf den heutigen Tag, wie die Mutter des Hazoritischen Feldhauptmanns nach dem Wagen ihres Sohns zum Fenster aussahe, und durchs Gitter heulte – – Verdenken Sie es mir also nicht, wenn ich gleich dem Gespenst im Hamlet durch Winke mit Ihnen rede, biß ich gelegnere Zeit haben werde, mich durch sermones fideles21 zu erklären. Werden Sie es ohne Beweiß wohl glauben, daß des berühmten Schwärmers, Schulmeisters und Philologen Amos Comenius22 Orbis pictus und Muzelii Exercitia viel zu gelehrte Bücher für Kinder sind, die sich noch im bloßen Buch-sta-bi-ren üben – – und wahrlich, wahrlich, Kinder müssen wir werden, wenn wir den Geist der Wahrheit empfahen sollen, den die Welt nicht fassen kann, denn sie sieht ihn nicht, und (wenn sie ihn auch sehen sollte) kennt ihn nicht. – – Vergeben Sie es der Thorheit meiner Schreibart, die sich so wenig mit der mathematischen Erbsünde Ihrer ältesten, noch mit der witzigen Wiedergeburt Ihrer jüngsten Schriften reimt, wenn ich ein Beyspiel aus der Fibel borge, die ohne Zweifel älter als die Bibel seyn mag. Verlieren die Elemente des A B C ihre natürliche Bedeutung, wenn sie in der unendlichen Zusammensetzung willkührlicher Zeichen uns an Ideen erinnern, die, wo nicht im Himmel, doch im Gehirn sind? Falls man aber die ganze verdienstliche Gerechtigkeit eines Schriftgelehrten auf den Leichnam des Buchstabens erhöht; was sagt der Geist dazu? Soll er nichts als ein Kammerdiener des todten oder wohl gar ein bloßer Waffenträger des tödtenden Buchstabens seyn? Das sey ferne! – – Nach Dero weitläuftigen Einsicht in physischen Dingen wissen Sie besser, als ich Sie daran erinnern kann, daß der Wind bläst, wo er will – Ungeachtet man sein Sausen wohl hört; so ersieht man doch am wankelmüthigen Wetterhahn, von wannen er kommt, oder vielmehr, wohin er fährt – –«
Ah scelus indignum! soluetur litera diues?
Frangatur potius legum veneranda potestas.
Liber & alma Ceres succurrite! – –23
Die Meynungen der Weltweisen sind Lesarten der Natur und die Satzungen der Gottesgelehrten, Lesarten der Schrift. Der Autor ist der beste Ausleger seiner Worte; Er mag durch Geschöpfe – durch Begebenheiten – oder durch Blut und Feuer und Rauchdampf24 reden, worinn die Sprache des Heiligthums besteht.
Das Buch der Schöpfung enthält Exempel allgemeiner Begriffe, die GOTT der Kreatur durch die Kreatur; die Bücher des Bundes enthalten Exempel geheimer Artickel, die GOTT durch Menschen dem Menschen hat offenbaren wollen. Die Einheit des Urhebers spiegelt sich bis in dem Dialecte seiner Werke; – in allen Ein Ton von unermäslicher Höhe und Tiefe! Ein Beweiß der herrlichsten Majestät und leersten Entäußerung! Ein Wunder von solcher unendlichen Ruhe, die GOTT dem Nichts gleich macht, daß man sein Daseyn aus Gewissen leugnen oder ein Vieh25 seyn muß; aber zugleich von solcher unendlichen Kraft, die Alles in Allen erfüllt, daß man sich vor seiner innigsten Zuthätigkeit nicht zu retten weiß! –
Wenn es auf den Geschmack der Andacht, die im philosophischen Geist und poetischer Wahrheit besteht, und auf die Staatsklugheit26 der Versification ankommt; kann man wohl einen glaubwürdigern Zeugen als den unsterblichen Voltaire anführen, welcher beynahe die Religion für den Eckstein der epischen Dichtkunst erklärt, und nichts mehr beklagt, als daß seine Religion27 das Widerspiel der Mythologie sey? –
Bacon stellt sich die Mythologie als einen geflügelten Knaben des Äolus vor, der die Sonne im Rücken, Wolken zum Fußschemel hat, und für die lange Weile auf einer griechischen Flöte pfeift28.
Voltaire aber, der Hohepriester im Tempel des Geschmacks schlüßt so bündig als Kaiphas29 , und denkt fruchtbarer als Herodes30 . Wenn unsere Theologie nämlich nicht so viel werth ist als die Mythologie: so ist es uns schlechterdings unmöglich, die Poesie der Heyden zu erreichen – geschweige zu übertreffen; wie es unserer Pflicht und Eitelkeit am gemäßesten wäre. Taugt aber unsere Dichtkunst nicht: so wird unsere Historie noch magerer als Pharaons Kühe aussehen; doch Feenmährchen und Hofzeitungen ersetzen den Mangel unserer Geschichtschreiber. An Philosophie lohnt es garnicht der Mühe zu denken; desto mehr systematische Kalender! – mehr als Spinneweben in einem verstörten Schlosse. Jeder Tagedieb, der Küchenlatein und Schweitzerdeutsch mit genauer Noth versteht, dessen Name aber mit der ganzen Zahl M. oder der halben des akademischen Thieres gestempelt ist, demonstrirt Lügen, daß Bänke und die darauf sitzende Klötze Gewalt! schreyen müssen, wenn jene nur Ohren hätten und diese, wiewohl sie der leidige Spott Zuhörer nennt, mit ihren Ohren zu hören geübt wären. – – –
»Wo ist Euthyphrons Peitsche, scheues Gaul?
daß mein Karren nicht stecken bleibt – – –«
Mythologie hin! Mythologie her!31 Poesie ist eine Nachahmung der schönen Natur – und Nieuwentyts, Newtons und Büffons Offenbarungen werden doch wohl eine abgeschmackte Fabellehre vertreten können? – – Freylich sollten sie es thun, und würden es auch thun, wenn sie nur könnten – Warum geschieht es denn nicht? – Weil es unmöglich ist; sagen eure Poeten.
Die