Erster Band
Erster Teil
Kapitel 1
Es ist eine Lust, in den italienischen Bibliotheken herumzuwühlen: man spürt auch in den geringeren zuweilen unbekannte Handschriften auf. Ob ich an dieser, von welcher ich hier die getreue Übersetzung liefre, einen guten oder schlechten Fund getan habe, mag jeder Leser für sich bestimmen. Ich entdeckte sie bei Cajeta in einer verfallnen Villa, die auf einer reizenden Anhöhe den zaubrischen Meerbusen beherrscht, unter alten Büchern und Papieren, als ich mit einem jungen Römer einen glücklichen Herbst dort zubrachte, während er die Verlassenschaft seines Oheims in Besitz nahm.
Sollte verschiedenen, wegen Ferne des Landes und der Zeit, einiges dunkel oder zu gelehrt vorkommen: so können sie solches bequem überschlagen und sich bloß an den Faden der Begebenheiten halten; in der Natur selbst müssen die Weisesten manches so vorbeigehn.
Vielleicht findet mein Freund noch anderswo das übrige der Geschichte; aus Familiennachrichten scheint hier Fiordimona, die man darin kennenlernen wird, ihre Tage beschlossen zu haben.
Der Verfasser setzt seiner Schrift folgende Fabel vor, um sinnlich zu machen, daß auch das Nützlichste unschuldigerweise schädlich sein kann.
»Ein wächserner Hausgötze, den man außer acht gelassen hatte, stand neben einem Feuer, worin edle campanische Gefäße gehärtet wurden, und fing an zu schmelzen.
Er beklagte sich bitterlich bei dem Elemente. ›Sieh‹, sprach er, ›wie grausam du gegen mich verfährst! Jenen gibst du Dauer, und mich zerstörst du!‹
Das Feuer aber antwortete: ›Beklage dich vielmehr über deine Natur; denn ich, was mich betrifft, bin überall Feuer.‹«
Geschrieben im Dezember 1785.
Kapitel 2
Wir fuhren an einem türkischen Schiffe vorbei, sie brannten ihre Kanonen los: die Gondel wankte, worin ich aufgerichtet stand; ich verlor das Gleichgewicht und stürzte in die See, verwickelte mich in meinen Mantel, arbeitete vergebens und sank unter.
Als ich wieder zu mir gekommen war, befand ich mich bei einem jungen Menschen, welcher mich gerettet hatte; seine Kleider lagen von Nässe an, und aus den Haaren troff das Wasser. »Wir haben uns nur ein wenig abgekühlt!« sprach er freundlich mir Mut ein; ich drückte ihm die Hände.
Das Fest war für uns verdorben. Meine vorigen Begleiter eilten nun von dannen. Wir ließen den Bucentoro zwischen tausend Fahrzeugen, unter dem Donner des Geschützes von allen Schiffen aus den Häfen, in die offne See stechen und den Dogen sich mit dem Meere vermählen; und er brachte mich mit seinem Führer nach meiner Wohnung.
Hier schied er von mir, ohne daß er mir weder sein Quartier noch seinen Namen sagen wollte; bloß aus der Mundart bemerkte ich, daß er ein Fremder war; jedoch versprach er, mich bald zu besuchen. Wir umarmten uns, und mir wallte das Herz, es regte sich eine Glut darinnen. Seine Jugend stand eben in schöner Blüte, und um Mund und Kinn flog stark der liebliche Bart an; seine frischen Lippen bezauberten im Reden, und die Augen sprühten Licht und Feuer; groß und wohlgebildet am ganzen Körper, mit einer kühnen Wildheit, erschien er mir ein höheres Wesen.
Sein Bild wich den ganzen Tag nicht aus meiner Seele; ich konnte weder essen noch trinken und vor Ungeduld nicht bleiben.
Abends war Gondelrennen, das auf der See, was Wettlauf auf dem Lande; wodurch unsre Leute zu mutigen Schiffern sich bilden: ein Spiel, wo Stärke, Gewandtheit und Führung des Ruders den Preis davonträgt und welchem nur ein Pindar fehlt, es wie die olympischen zu verherrlichen. Der ganze Große Kanal schäumte und war Getümmel von schönem Leben; die Fenster der Paläste prangten mit ihren Tapeten, und die untergehende Sonne glänzte daraus wider in unzählbaren frohlockenden Gestalten.
Ich