Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johann Gottfried Herder
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066398903
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      Wer nicht liebt Wein, und Weiber und Gesang,

       Der bleibt ein Narr sein Leben lang.

      Doch muß man hierbei nicht vergessen hinzuzusetzen:

      Doch ist, daß er ein Freund von Weibern, Sang und Krug ist,

       Noch kein Beweis, daß er deswegen klug ist.

      *

      Er schliff immer an sich, und wurde am Ende stumpf, ehe er scharf war.

      *

      Ich wollte einen Teil meines Lebens hingeben, wenn ich wüßte was der mittlere Barometerstand im Paradiese gewesen ist.

      *

      Es ist in vielen Dingen eine schlimme Sache um die Gewohnheit. Sie macht, daß man Unrecht für Recht, und Irrtum für Wahrheit hält.

      *

      Ein von der Natur nicht sehr umwundenes Spitzbuben-Gesicht.

      *

      Es gibt jetzt der Vorschriften was man sein soll so mancherlei Arten daß man am besten tut, wenn man bleibt was man ist, daß es kein Wunder wäre, wenn die Menge auf den Gedanken geriete zu bleiben was sie ist.

      *

      Es gibt Leute, die so wenig Herz haben etwas zu behaupten, daß sie sich nicht getrauen zu sagen, es wehe ein kalter Wind, so sehr sie ihn auch fühlen möchten, wenn sie nicht vorher gehört haben, daß es andre Leute gesagt haben.

      *

      Es war zu Ende Septembers 1798, als ich jemanden im Traum die Geschichte der jungen und schönen Gräfin Hardenberg erzählte, die mich und überhaupt jedermann sehr gerührt hat. Sie starb im September 1797 in den Wochen, eigentlich während der Geburt die nicht zu Stande kam. Sie wurde geöffnet, und das Kind neben sie in den Sarg gelegt, und so wurden sie zusammen des Nachts mit Fackeln unter einem entsetzlichen Zulauf von Volk nach einem benachbarten Orte, wo das Familien-Begräbnis ist, gebracht. Dieses geschah auf dem Göttingischen Leichenwagen, einer sehr unbeholfenen Maschine. Dadurch wurden also die Leichname sehr durcheinander geworfen. Am Ende wollten sie, ehe sie in die Gruft gebracht wurden, noch einige Leute sehen. Man öffnete den Sarg und fand sie auf dem Gesichte liegend und mit ihrem Kinde in einen Haufen geschüttelt. Das schöne Weib, schwerlich noch 20 Jahre alt, die Krone unsrer Damen, die auf manchem Ball den Neid der schönsten auf sich gezogen, in diesem Zustande! Dieses Bild hatte mich zu der Zeit oft beschäftigt, zumal, da ich ihren Gemahl, einen meiner fleißigsten Zuhörer, sehr wohl gekannt hatte. Diese traurige Geschichte erzählte ich nun jemanden im Traume im Beisein eines Dritten, dem die Geschichte auch bekannt war; vergaß aber (sehr sonderbar) den Umstand mit dem Kinde, der doch gerade ein Hauptumstand war. Nachdem ich die Erzählung, wie ich glaubte, mit vieler Energie und Rührung dessen, dem ich sie erzählte, vollendet hatte, sagte der Dritte: Ja und das Kind lag bei ihr, alles in einem Klumpen. Ja, fuhr ich gleichsam auffahrend fort, und ihr Kind lag mit in dem Sarge. Dieses ist der Traum. – Was mir ihn merkwürdig macht, ist dieses: Wer erinnerte mich im Traume an das Kind? Ich war es ja selbst, dem der Umstand einfiel? Warum brachte ich ihn nicht selbst im Traume als eine Erinnerung bei? Warum schuf sich meine Phantasie einen Dritten, der mich damit überraschen und gleichsam beschämen mußte? Hätte ich die Geschichte wachend erzählt, so wäre mir der rührende Umstand gewiß nicht entgangen. Hier mußte ich ihn übergehn um mich überraschen zu lassen. Hieraus läßt sich allerlei schließen. Ich erwähne nur Eines, und mit Fleiß grade das, was am stärksten wider mich selbst zeugt, zugleich aber auch für die Aufrichtigkeit, womit ich diesen sonderbaren Traum erzähle. – Es ist mir öfters begegnet, daß, wenn ich etwas habe drucken lassen, erst ganz am Ende, wenn sich nichts mehr ändern ließ, bemerkt habe, daß ich alles hätte besser sagen können, ja, daß ich Haupt-Umstände vergessen hatte. Dieses ärgerte mich oft sehr. – Ich glaube, daß hierin die Erklärung liegt. Es wurde hier ein mir nicht ungewöhnlicher Vorfall dramatisiert. – Überhaupt aber ist es mir nichts Ungewöhnliches, daß ich im Traum von einem Dritten belehrt werde, das ist aber weiter nichts als dramatisiertes Besinnen. Sapienti sat.

      *

      Jean Paul ist doch zuweilen unerträglich, und wird noch unerträglicher werden, wenn er nicht bald dahin gelangt, wo er ruhen muß. Er würzt alles mit Cayennischem Pfeffer und es wird ihm begegnen, was ich einst Sprengeln weissagte, er wird, um sich kalten Braten schmackhaft zu machen, geschmolzenes Blei oder glühende Kohlen dazu essen müssen. Wenn er wieder von vornen anfängt wird er groß werden.

      *

      Er hustete so hohl, daß man in jedem Laut den doppelten Resonanz-Boden Brust und Sarg mitzuhören glaubte.

      *

      Er schien eher Tischler-Arbeit zu sein als ein wirklich menschliches Geschöpf.

      *

      Hat wohl jemand je den Einfall gehabt, die Äsopischen Fabeln durch Tier-Marionetten vorzustellen? Wenn die Tiere gut gezeichnet wären, so könnte es wohl eine herumziehende Truppe ernähren. Wenn man sie durch wirkliche Füchse vorstellen lassen wollte, so würden sogar die Hunde zugreifen. Dieses geht gegen die Ähnlichkeiten in den Karikaturen.

      *

      Ein wahres Steckbrief-Gesicht.

      *

      Wir wollen sein Leichen-Tuch nicht lüften.

      *

      Man ordnet nach dem Geist der Zeit. Nach dem Geist der Zeit dahin

      —————— dorthin

       —————— immer weiter

       —————— zum Teufel.

      *

      Auf den freundschaftlichen Inseln führen die Leute beständig Krieg und fressen einander sogar. So sehr verträgt sich auch hier Artigkeit gegen Gäste mit häuslicher Abscheuligkeit. (Muß umgekehrt werden)

      *

       Es ist fast nicht möglich etwas Gutes zu schreiben ohne daß man sich dabei jemanden oder auch eine gewisse Auswahl von Menschen denkt die man anredet. Es erleichtert wenigstens den Vortrag sehr in tausend Fällen gegen einen.

      *

      Der menschliche Geist wird immer gleichförmiger, je mehr er sich über das Körperliche erhebt. Je näher er aber diesem wieder kömmt, desto häufiger werden die Abweichungen gerade so wie ich bei den Planeten gesagt habe.

      *

      Ich habe wohl hundertmal bemerkt, und zweifle gar nicht, daß viele meiner Leser hundert und ein oder 2 mal bemerkt haben mögen, daß Bücher mit einem sehr einnehmenden gut erfundnen Titul selten etwas taugen. Vermutlich ist er vor dem Buche selbst erfunden, vielleicht oft von einem andern.

      *

      Er leistete seiner Frau die eheliche Pflicht des Prahlens an jedem Abende. Er suchte ihr begreiflich zu machen, daß er der erste Mann in der Stadt oder wohl gar im Staate sei. Vertraulichkeit ist nirgends größer als zwischen rechtschaffenen Ehe-Leuten, sie gründet sich zwischen rechtschaffenen Menschen auf Aufopferung der Schamhaftigkeit in dem einzigen Falle der ehelichen Verhältnisse. Dieses vermehrt das Verbrechen des Ehebruchs gar sehr (besser). Es gibt der ehelichen Pflichten gewiß mehrere, dahin gehört auch die für die Frau, daß sie schlechterdings den Beweis von dem Wert ihres Mannes dem Manne selbst überläßt; ihm implicite glaubt, allenfalls nur mit gesundem Menschenverstand hier und da moderiert. Des Mannes Pflicht ist zu glauben, daß das Weib das treuste in der Welt sei so bald sie es sagt. Ja er muß sogar an Reservationes nicht einmal glauben. Doch wird auch hier gesunde Vernunft, wo sie statt findet, zu verbessern und nachzuholen wissen. Seine Frau mußte ihm alle Abende die eheliche Pflicht leisten seine Prahlereien anzuhören.

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      Eichen, Buchen, Birken, das Geläute in einem Besenbinder-Staat.

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      Ein geistisch-dichterisches Phantasie-Bordell.

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