Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johann Gottfried Herder
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066398903
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werden. Sie sind deswegen immer menschlich. Die meisten Menschen nehmen die Meinungen an, so wie sie von andern gemacht worden sind. Der Deutsche geht hierin unbegreiflich weit. In England hat beinah jedermann seine eigne Meinung. Ich sage damit nicht, daß jeder eine verschiedene habe. Dieses gibt der Urteilskraft ein leichteres Spiel, gelernte Meinungen hingegen schränken sie ein. In dem neuen Land könnte man die Masken der Kinder in kupferne Formen zwingen. Wir sollten uns bemühen Facta kennen zu lernen und keine Meinungen, hingegen diesen Factis eine Stelle in unserm Meinungen-System anweisen. Man räsoniere nur einmal selbst über die gemeinsten Dinge, hüte sich aber ja etwas hineinzubringen, was die Meinung eines andern war, wenigstens muß sie nicht qua talis hinein, wenn sie nicht die unsrige ist. Es ist unglaublich was sich die Menschen Dinge einander nachbeten können. Der größte Mann, der alles auf seiner eignen Waage wiegt was er ausgibt, glaubt sich einmal einen Augenblick allzu sicher und legt etwas hin, das er nicht gewogen hat. Wo ich nicht sehr irre, so liegt hierin eigentlich der Unterschied des großen und des schlechten Schriftstellers, daß jener mit eignen geübten Kräften aus Factis räsoniert, und dieser die verstümmelten Meinungen anderer mit nicht genugsam geübten verbindet. Ein schlechter Schriftsteller ist von dem guten nicht dem Grade nach unterschieden, daher gibt es große schlechte Schriftsteller. Daß die Geschichte eine Lehrmeisterin des Lebens sei ist ein Satz der gewiß von vielen ununtersucht nachgebetet wird. Man untersuche einmal, wo die Menschen, die sich durch ihren Verstand gehoben haben, ihren Verstand herhaben. Sie holen ihn in den Affairen selbst, da wo die Begebenheiten sind und nicht da wo sie erzählt werden. Man kann sehr viel gelesen haben und wenig Verstand zeigen. Die Geschichte sollte die Begebenheiten so erzählen, aber welcher Geschichtschreiber kann dieses tun? Sie belohnt vielmehr die großen Taten, sie kann anflammen. Wenn sie sagt, der Held bei Minden ist ein großer Mann, so schallt es durch Jahrtausende durch, ohne sie würden jene den Klang seines Ruhmes so wenig hören, als sie den Donner seiner Batterien gehört haben. Ein gemeiner Mann kann aber nach der Art über einen Gegenstand schreiben nach welcher ein großer Mann darüber schreibt, ob sie gleich nicht dasselbe schreiben.

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      Er hat den Galgen nicht auf dem Buckel, aber in den Augen.

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      Schwachheiten schaden uns nicht mehr sobald wir sie kennen.

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      Manches an unserm Körper würde uns nicht so säuisch und unzüchtig vorkommen wenn uns nicht der Adel im Kopf steckte.

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      Man ist nur gar zu sehr geneigt zu glauben, wenn man etwas Talent besitzt, Arbeiten müßte einem leicht werden. Greife dich immer an, Mensch, wenn du etwas Großes tun willst.

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       Allzeit: Wie kann dieses besser gemacht werden?

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      Lehre mich wie ich meinen heilsamen Entschlüssen Kraft gebe, lehre mich mit Ernst wollen was ich will, lehre Standhaftigkeit wenn die Stürme des Schicksals oder ein aufgestreifter weißer Arm meinen Bau von 3 Jahren beben machen. Lehre mich dem Menschen in das Herz zu reden, ohne daß mein Ausdruck in dem brechenden Mittel seines Gesinnungs-Systems eine andere Richtung nimmt, und dann gib mir noch Horazens Geist, und dein Ruhm soll durch Jahrtausende durch schallen.

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       Eine Uhr, die ihrem Besitzer immer um Viertel zuruft Du ... um halb Du bist – – um ¾ Du bist ein ... und wenn es voll schlägt: Du bist ein Mensch.

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      Eine Fleder-Maus könnte als eine nach Ovids Art verwandelte Maus angesehen werden, die, von einer unzüchtigen Maus verfolgt, die Götter um Flügel bittet, die ihr auch gewährt werden.

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      Das ist wahr, meine Schuh kann ich mir nicht selbst machen, aber ihr Herrn, meine Philosophie laß ich mir nicht zuschreiben. Meine Schuh will ich mir allenfalls selbst machen lassen, das kann ich selbst nicht.

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      Er pflegte das die Abweichung der Leidenschaften zu nennen, wenn er etwas mit Hitze wollte, was unter oder über das Maximum der bürgerlichen Glückseligkeit fiel.

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      Was heißt schwätzen? Schwätzen heißt mit einer unbeschreiblichen Geschäftigkeit von den gemeinsten Dingen, die entweder schon jedermann weiß oder nicht wissen will, so weitläuftig sprechen, daß darüber niemand zum Wort kommen kann, und jedermann Zeit und Weile lang wird. Die deutsche Sprache ist sehr arm an Wörtern für Handlungen die sich so zu andern Handlungen des vernünftigen Mannes verhalten wie Geschwätz zur zweckmäßigen vernünftigen Unterredung. So fehlt es uns an einem solchen Wort für rechnen.

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      Die Komödie bessert nicht unmittelbar, vielleicht auch die Satyre nicht, ich meine man legt die Laster nicht ab, die sie lächerlich macht. Aber das können sie tun, sie vergrößern unsern Gesichtskreis, vermehren die Anzahl der festen Punkte aus denen wir uns in allen Vorfällen des Lebens geschwinder orientieren können.

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      Auch ich bin erwacht Freund, und zu dem Grad der philosophischen Besonnenheit gekommen, wo Liebe zur Wahrheit die einzige Führerin ist, wo ich allem was ich für Irrtum halte mit dem mir verliehenen Licht entgegengehe, ohne grade laut zu sagen, das halte ich für Irrtum, und noch weniger, das ist Irrtum.

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       Eine Vergleichung zwischen dem was man denkt und dem was man sagt anzustellen. Man kann es sagen ohne deswegen den Staupbesen zu fürchten, daß die Hälfte der Einwohner den Staupbesen bekommen würden, wenn sie öffentlich sagten was sie denken, und doch ist der Mensch das was denkt und nicht das was sagt. Zwo Personen, die sich einander komplimentieren, würden einander an den Köpfen kriegen, wenn sie wüßten was sie von einander denken.

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      Men would be angels, angels would be Gods. Man hält immer das für verdienstlicher was einem sauer wird, dieses fließt aus einer Verachtung seines gegenwärtigen Zustandes, daher kommen die vielen Stümper, der Schnallengießer will die Meeres-Länge erfinden. Tue das was dir leicht wird, wovon du gern immer sprächest, wozu du gern jedermann brächtest wenn du könntest, wovon du dir deine eignen Vorstellungen machst, die andern Leuten zuweilen nicht in den Kopf wollen und die sie fremd und seltsam finden. Weiter muß man gehen, allerdings, allein es muß sich gleichsam von selbst geben, man muß glauben immer dasselbe zu tun und zur Verwunderung anderer Leute sehr viel mehr tun. Es ist ein Unglück wenn ein Mann von Fähigkeiten durch Empfehlungen von Männern, deren Begriffe von ihm etwas zu groß sind, in ein Amt kommt, wo man etwas Außerordentliches von ihm erwartet, das er noch nicht leisten kann. Es ist immer besser, daß das Amt geringer ist als die Fähigkeiten. Wer oft dasselbe tut, kommt darin weiter, aber nicht der der sich vornimmt Dinge zu tun die von seinen gegenwärtigen Verrichtungen verschieden sind. Dieses könnte mit der Einleitung gesagt werden, daß man aus Erfahrungen reden müsse, wenn man lehren wolle, sein eignes Leben auf diese Art beschreiben fruchtet mehr für andere, als hundert Kaiserhistorien. – Wenn man sagt: man müsse Geschichtbücher lesen um die Menschen kennen zu lernen, so muß man nicht glauben man verstehe jene feinen, ins Verschlagene fallenden Künste darunter, die lernt man wohl allein in der Gesellschaft, und gewiß sicherer und schneller.

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      Der Gedanke hat in dem Ausdruck noch zu viel Spielraum, ich habe mit dem Stockknopf hingewiesen, wo ich mit der Nadelspitze hätte hinweisen sollen.

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       Es scheint als wenn Herr S.., der durch das Tor der Geschichte in den Tempel des Ruhms gekommen, sich nun wieder durch das Türchen der Dichtkunst hinausschleichen wollte.

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      Die Zeitungsschreiber haben sich ein hölzernes Kapellchen erbaut, das sie auch den Tempel des Ruhms nennen, worin sie den ganzen Tag Porträte anschlagen und abnehmen und ein Gehämmer machen, daß man sein eignes Wort nicht hört.

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      Armer Teufel, wo du jetzt bist, da bin ich längst gewesen.

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