Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johann Gottfried Herder
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066398903
Скачать книгу
und wo der Mensch am besten kennen lernen kann wie klein er ist. Vaezupahc.

      *

      Die kleinsten Unteroffizier sind die stolzesten.

      *

      Bei der Abhandlung von Gespenstern könnte vorzüglich die Neigung der Menschen zum Wunderbaren, das daher entstehende Selbstbelügen, und das Bemühen die Sache wenigstens so vorteilhaft vorzustellen als sie es leidet. Es hat z. B. jemand etwas gesehen. So bald er es für würdig hält zu erzählen, so kann man sicher sein, er wird nichts fehlen lassen den Leuten wenigstens begreiflich zu machen, daß die Sache bemerkenswert gewesen sei. Jedem Kenner des Menschen ist es bekannt wie schwer es ist Erfahrungen so zu erzählen, daß sich in die Erzählung kein Urteil einmischt.

      *

      Ich habe sehr oft schon darüber nachgedacht, worin sich eigentlich das große Genie von dem gemeinen Haufen unterscheidet. Hier sind einige Bemerkungen, die ich gemacht habe. Der gewöhnliche Kopf ist immer der herrschenden Meinung und der herrschenden Mode konform, er hält den Zustand in dem sich alles jetzt befindet für den einzig möglichen und verhält sich leidend bei allem. Ihm fällt nicht ein, daß alles von der Form der Meublen bis zur feinsten Hypothese hinauf in dem großen Rat der Menschen beschlossen werde, dessen Mitglied er ist. Er trägt dünne Sohlen an seinen Schuhen, wenn ihm gleich die spitzen Steine die Füße wund drücken, er läßt die Schuh-Schnallen sich durch die Mode bis an die Zehen rücken, wenn ihm gleich der Schuh öfters stecken bleibt. Er denkt nicht daran, daß die Form des Schuhs so gut von ihm abhängt, als von dem Narren, der sie auf elendem Pflaster zuerst dünne trug. Dem großen Genie fällt überall ein: könnte auch dieses nicht falsch sein? Er gibt seine Stimme nie ohne Überlegung. Ich habe einen Mann von großen Talenten gekannt, dessen ganzes Meinungs-System, so wie sein Meubeln-Vorrat, sich durch eine besondere Ordnung und Brauchbarkeit unterschied, er nahm nichts in sein Haus auf, wovon er nicht den Nutzen deutlich sah, etwas anzuschaffen, bloß weil es andere Leute hatten, war ihm unmöglich. Er dachte, so hat man ohne mich beschlossen, daß es sein soll, vielleicht hätte man anders beschlossen, wenn ich mit dabei gewesen wäre. Dank sei es diesen Männern, daß sie zuweilen wenigstens wieder einmal schütteln, wenn es sich setzen will, wozu unsere Welt noch zu jung ist. Chineser dürfen wir noch nicht werden. Wären die Nationen ganz von einander getrennt, so würden vielleicht alle obgleich auf verschiednen Stufen der Vollkommenheit zu dem sinesischen Stillstand gelangt sein.

      *

       Bei einem Brief an einen guten Freund, der gut geschrieben sein soll, muß immer hauptsächlich der eine Gedanke durch das Ganze hervorsehen: Sie hatten nicht nötig gehabt sich zu bedanken. Im Jetzigen muß das Künftige schon verborgen liegen. Das heißt Plan. Ohne dieses ist nichts in der Welt gut.

      *

      Er weiß am besten, wo ihn der Soccus oder der Kothurn drückt.

      *

      Er mäanderte wohl dreimal um die Stelle herum.

      *

      Er speiste so herrlich, daß 100 Menschen ihr: tägliches Brod gib uns heut davon hätte erfüllt werden können.

      *

      Das Bekehren der Missetäter vor ihrer Hinrichtung läßt sich mit einer Art von Mästung vergleichen, man macht sie geistlich fett, und schneidet ihnen hernach die Kehle ab, damit sie nicht wieder abfallen.

      *

      Vorher war er sehr unordentlich. Es kostete ihn viele Mühe und er tat sich etwas Rechts zugute darauf, daß er drei Wochen hinter einander seine Schere, ein altes Messer, das er oft brauchte, und ein Federmesser an einem gewissen bestimmten Ort beisammen behalten konnte.

      *

      Stade.

      Eine Strafe im Traum ist allemal eine Strafe. Vom Nutzen der Träume.

      *

      Der Unterleib hatte gar keine Portion zu dem übrigen.

      *

      Der Mensch vergibt sich nichts ohne etwas zu erwarten, daher das Sammeln des Lohns im Himmel, Geißelung und dergleichen. Die Philosophie des gemeinen Mannes ist die Mutter der unsrigen, aus seinem Aberglauben konnte unsre Religion werden, so wie unsere Medizin aus seiner Hausmittelkenntnis. Er tat etwas ohne Belohnung vorauszusehen, er erhielt sie aber auch ohne sich eines kurz vorhergängigen Verdienstes bewußt zu sein, was war natürlicher als eine Verbindung zwischen jenem Verdienst und dieser Belohnung zu finden? Was konnte für den Religionsstifter wichtiger und was der Gesellschaft nützlicher sein? So wurde der Mensch aus Eigennutz uneigennützig und was ihm das Glück ohnehin zugeführt hätte wurde ihm als eine Bezahlung angerechnet, die ihn noch mehr verpflichtete.

      *

      Die Katholiken bedenken nicht, daß der Glauben der Menschen sich auch ändert, wie überhaupt die Zeiten und Kenntnisse der Menschen. Hier zunehmen und dort stille stehn ist den Menschen unmöglich. Selbst die Wahrheit bedarf zu andern Zeiten wieder einer andern Einkleidung um gefällig zu sein.

      *

      Zwei auf einem Pferd bei einer Prügelei ein schönes Sinnbild für eine Staatsverfassung.

      *

      Ein Mann, der sich in einem engen Felde mit Aufmerksamkeit und Nachdenken beschäftigt hat, wird, wo es nicht auf Geschmack sondern auf Verstand ankommt, gewiß außer diesem Feld gut urteilen, wenn ihm der Fall gehörig vorgestellt wird, da der andere der vielerlei weiß nirgends recht zu Hause ist. Wenn sich eine mannigfaltige Kenntnis heutzutage nicht so leicht aus Büchern erwerben ließe, ohne andere Anstrengung, als allein des Gedächtnisses, so ließe sich noch eher etwas dafür sagen, da aber dieses gewiß immer der Fall ist, so ziehe ich schon aus diesem Grund eine geringe aber deutliche Kenntnis vor.

      *

      Zeit urbar machen.

      *

      Du fragst mich Freund welches besser ist, von einem bösen Gewissen genagt zu werden oder ganz ruhig am Galgen zu hängen?

      *

      Ist denn kein Unterschied zwischen Gerechtigkeit und Schinderei?

      *

      Als der brave Mann tod war, so trug dieser den Hut, der den Degen so wie er, der ließ sich so frisieren, jener ging wie er, aber der redliche Mann wie er wollte keiner mehr sein.

      *

       Wir können beim Anblick einer Sache uns nicht enthalten wenigstens etwas von der Sache zu urteilen, auch dieses tun wir bei Menschen, darauf hat einer eine Physiognomik gebaut.

      *

      So wie Julius Caesar einen Brief schreiben und zugleich etliche diktieren konnte, so hatte er die Gabe einen Takt zu tretten und in einem andern Magentropfen in einen Löffel zu zählen.

      *

      Die Bauern (Deutsche) saßen da und waren ungestört frei, eine schöne Gelegenheit, wenn es von einem reisenden Deutschen in England wäre gesehen worden, uns von neuem die Freiheit, Großmut und Gott weiß was der Engländer mit einem Beispiel zu belegen.

      *

      Die Vergnügen der Einbildung sind gleichsam nur Zeichnungen und Modelle, womit die armen Leute spielen, die sich die andern nicht anschaffen können.

      *

      Er redete oft an Orten sehr frei wo jedermann eine heilige Miene annahm, dafür predigte er aber die Tugend wiederum an Orten, wo sie sonst kein Mensch predigte.

      *

      Wie leicht Eigenliebe, ohne daß wir es merken, die Triebfeder mancher uns von derselben ganz independent scheinenden Handlung sei, können wir daraus sehen, daß Leute das Geld lieben können als Geld ob sie gleich nie Gebrauch davon machen.

      *

      Gäbe es nur lauter Rüben und Kartuffeln in der Welt, so würde einer vielleicht einmal sagen, es ist schade daß die Pflanzen verkehrt stehen.

      *

      Die