Gesetzt noch das Allerausschweifendste und Letzte, es gäbe gar kein Universalwesen, die Welt bestünde aus lauter unteilbaren Stäubchen, keins dem andern gleich, die sich gatten und scheiden: so müßten wir doch billig Hochachtung vor der wiewohl komischen und bunten ungeheuern Menge haben, obgleich diese Meinung bei keinem, der den Abgrund des Äthers anschaut, und fühlt und denkt, Ernst sein kann, sondern ein grillenhaftes Nadelspitzensystem ist.
Und dies wäre denn Weltdemokratie oder das eigentliche atheistische System, welchem nun wohl einige unentschieden anhangen, in der Verzweiflung, sich Gott als ein frei wirkendes Ganzes vorzustellen, da sie alles in der Natur verschieden und in notwendiger Verbindung sehen. Sie selbst aber müssen sich folglich als ein erstaunliches Rätsel vorkommen und, auch noch so bescheiden, mehr einbilden als Sonne, Mond und Sterne. -
Sich des Daseins freuen unter allen Formen und Gestalten, diese dazu vervollkommnen, und sie zernichten, sobald sie nicht mehr dazu taugen oder in Sklaverei taugen können, und alle Traurigkeit fliehen, predigt die Natur. Und dann, nichts Unnützes heischen und beginnen.
Alles Wesen ist frei, sobald es frei sein will; das ist, es kann für sich allein handeln und reißt sich los, sobald es kein Vergnügen mehr in der Verbindung hat. Tyrannei dauert höchstens überall nur bis auf den Grad, wo die letzte Lust wegfällt. Unser kleines Ganzes verliert sich bald mit allen seinen Folgen im Unendlichen; aber Wesen kann von keinem Gott vernichtet werden. Dies ist der Grundpfeiler des Adels und der Stärke bei tiefen Gefühlen. Zertrümmre mich tausendmal mit Blitzen und Wetterkeilen! ich stehe immer jung wieder auf. Aber du verlangst nichts von mir, was ich dir versagen könnte; und ich kann dir nichts zuwider tun. Was ich tue, tu ich durch dich.
Ardinghello. Ihr seid auf eine andre Weise zu der göttlichen Sicherheit und Furchtlosigkeit gekommen, weswegen die Lehre des Epikur so geschwind um sich griff, dessen Atomen nach Zufall und abwechselnder Lust und Unlust alles hervorbringen und wieder zerstören, Menschen, Mücken und Elefanten, Fische und Sterne, und womit er den beschwerlichen Herrn und Aufseher, der alles beobachtet und von allem Rechenschaft verlangt, aus der Natur verbannte, den alberne Philosophen und Physiker, nach seinem Bedünken, zu Auflösung ihrer Knoten herbeirufen, damit er niederschlage, wenn's anziehen, und aufhebe, wenn's in die Höhe steigen soll.
Das beste für den, der Zweifel hat, bleibt immer, sich zur Partei der edelsten Menschen von allen Nationen zu halten.
Ob diese aber den ältern oder jüngern Glauben gehabt habe und habe oder zu welchem von den drei Systemen sich die Vernunft neige, werden wohl allezeit die mehrsten gegenwärtigen Stimmen entscheiden. Denn notwendige verschiedne Natur, die das Zusammengesetzte bildet, ist nicht schwerer zu begreifen als Anfang desselben von einem Wesen.
Wie hat sich Euer Eins geregt? Vermutlich verschieden! Vorher war es etwa in der Aristotelessischen Bewegung, da sich Leben nicht wohl ohne Bewegung denken läßt. Und irgendwo! Denn ganz konnt es nicht Form werden. Und welcher Teil Form und Körper geworden wäre, den müßte wahrscheinlich das Los getroffen haben; denn Verstand war noch nicht da; der kann nur werden, wenn schon mehr Formen da sind, welche das Wesen in seinem Bewußtsein vereinigt.
An Grenzenloses will ich gar nicht denken; denn unendliche – Realität – sind ein paar Wörter, die man wohl zusammen sprechen und schreiben, aber nicht denken kann. Und Euer formloses Wesen, fein wie Äther und Raum schier, müßte schon eine Lücke im Unendlichen machen, wenn es sich nur in einen Zentner Gold zusammenzöge, geschweig in eine reiche Mine, in ganz Peru, da ging gewiß ein Sonnensystem Größe von Formlosigkeit zugrunde. Und ich seh Euern Beweis noch nicht ein, daß keine Form notwendig und ewig wäre, worauf lediglich Euer Eins beruht. Die Frage woher? bleibt so gut bei einem Wesen als bei mehrern; und wie ich Eins notwendig und ewig annehme, kann ich ihrer Zentillionen annehmen. Und dann müßt es sich verzweifelt plagen, eh es die mancherlei Qualitäten nur für unsre Sinnen herausbrächte; wer weiß, ob es nicht noch Geschöpfe mit andern Sinnen gibt! mit einem rednerischen Exempel: von Holz in Feuer, Rauch und Asche; und, es läßt sich nicht anders erklären, mit täuschender, selbst wahrhafter Schilderung von dem Regenten in uns ist's nicht genug getan. Was den Verstand oder das Wesen betrifft, das in uns denkt, so könnte Anaxagoras gar wohl recht haben und das feinste Wesen sich nach den andern richten müssen (die, wie Ihr selbst bewiesen habt, nichts weniger als tot sind), wenn es dieselben brauchen will, ohne daß wir eben wissen, wie es zugeht. Man kann freilich das Liebesgeheimnis nicht bis ins Innerste aufdecken, wie Verschiednes ein lebendiges Eins wird, und so fortdauert, und zusammen handelt; aber ebenso schwer läßt sich das Wesen, welches Gedanke und Verstand, und das, welches Körper wird, als Eins erklären. Qualität ist so etwas Sonderbares, daß es bloße verschiedne Art von Ausdehnung und Anziehung nicht überall hervorbringen kann. Der Verstand bleibt dabei ein Blindgeborner, trotz aller möglichen Anwendung von Figur und Dauer; und sie ist allein Gegenstand der Empfindung. Jede voll Majestät in ursprünglicher Reinheit eigne Substanz und Vollkommenheit der Natur, welche Völker von lebhaftem Sinn und scharfem Gefühl, deren Vernunft Ursachen für Augen und Ohren mit Einbildungen nie ganz umtauscht, immer als göttlich verehrten; denn Glaube ohne Empfindung ist Grille. Ihr habt oben, um Eure Gesinnung auch mir so wie andern zu verbergen, aus Scherz gesagt: Wer beweisen will, daß aus Einem Alles sei, muß erst dartun, daß aus Allem Eins werde. Widerlegt Euch nun im Ernste.
Und dann behaupten die Spötter, Vorsehung, Plan von einer allmächtigen Regierung in der Welt wäre nicht so auffallend sichtbar, und Propheten, Apostel und Geschichte hätten uns mehr dawider als dafür hinterlassen. Es stünde mit uns nicht besser, weil sie dagewesen wären, und sie selbst möchten lieber in Athen zu den Zeiten des Perikles leben und in dem alten Rom als in dem neuern, wo es auch am frömmsten da zuging.
Ihr sagt, der Verstand könne nur in einem einzigen notwendigen unendlichen Wesen, das Alles ist, seine Ruhe finden; und ich weiß nicht, wie es zugeht: mir klopft das Herz vor Angst und sausen die Ohren, je länger ich darüber nachdenke. Es bleibt immer einerlei, es mag werden, was es will (ein Herr ohne Untertanen, Widerspruch! oder der selbst sich in seinen Geschöpfen lobpreist oder selbst bestraft), und kann seinem Schicksal der gräßlichen Einöde nicht entrinnen; ist schlimmer daran, als die alten Feen in den Ritterbüchern, die sich bei widrigen Begebenheiten die Augen zerweinen, daß sie sich nicht ermorden können. Alle Lust und Pracht und Herrlichkeit der Welt wird zum Gaukelspiel und schwindet zurück, für uns in ein Unding.
Aristoteles ertrug nie ein solches Wesen und sträubt sich dagegen aus allen Kräften; und mich dünkt, der Hohe, Edle hatte recht.
Es fällt uns schwer, bei Betrachtung des Weltalls Sinn und Verstand in reiner und keuscher Verbindung zu bewahren. Die einen lassen lediglich und allein nur Verstand gelten und ziehen, wo möglich, alle Natur aus: und die andern halten sich zu sehr an die sinnlichen Vorstellungen und taumeln mit ihrer Einbildungskraft herum in Paradiesen und Höllen. Hohe Schönheit ist ein Gewächs auf seltnem Boden und wird nur Glücklichen zur Beute.
Und glücklich die Gesellschaft, die einen solchen freudenreichen Glauben nach Klima und Verfassung für ihr Dasein auf diesem Erdenrund bekommen hat oder selbst erwählt! Sei er auch, um alle zu befriedigen, eine mystische Komposition von Weltmonarchie, Aristokratie und Demokratie. Ihr werden Männer, die mit der Natur und dem Volke gelind umgehn, und sie den Philosophen hold sein. Warum sollten wir, wenn das vorige Zeitalter barbarische Begriffe hatte, uns auch damit schleppen? Der Mensch kann nichts Göttlichers als Verstand ergründen, muß man wohl der Schule des Anaxagoras zugeben; auch bleibt er in ihm mit Sinnen samt Vernunft die höchste Regel der Wahrheit, und gegen ihre vereinigten Aussprüche gilt weder Verjährung, Wunder noch Zeugnis.
Je mehr man das Weltall und seine Verbindung damit kennt, desto vortrefflicher die Religion.
Und wer den reizbarsten, innigsten Sinn für die Schönheiten der Natur hat, ihre geheimsten Regungen fühlt, deren Mängel nicht vertragen kann und denselben abhilft nach seinen Kräften: der übt aller Religionen Wahrstes und Heiligstes aus. Sein Tempel ist das unendliche Gewölbe des Himmels;