Die Auffahrt geschieht ganz gemach auf einer dunkeln dicken Wolke mit lichtem Saum und hat nicht das leichte Schweben wie in andern Gemälden davon; aber eben dadurch gewinnt die Handlung Natur und Majestät. Raffael hatte eine sehr reine klare Empfindung, die ihn minder fehlen ließ als andrer scharfer Verstand.
Je länger man den Christus betrachtet, desto mehr findet man etwas übernatürlich Göttliches, das sich nur gütig herabläßt; das Demütige der Madonna vor ihm stimmt einen nach und nach dazu. Es ist etwas erstaunlich Mächtiges und Gebieterisches in seinem Wesen, das mehr im Ausdruck liegt als den Formen selbst; wunderbare Strenge und Güte miteinander vereinbart. Ich habe noch wenig neuere Kunstwerke gesehn, die den Eindruck in der Dauer immer tiefer und tiefer auf mich gemacht hätten. Je mehr man nachdenkt und fühlt und Gestalt nachgeht, desto wahrer findet man diesen Christuskopf. Ich kann von diesem Gemälde nicht wegkommen und möchte tagelang mit Wonne daran hangen. Hoher göttlicher Jüngling, der du warst, Raffael! Unsterblicher, empfang hier meine heißeste aufrichtigste Bewunderung, und nimm gütig meinen zärtlichen Dank auf. Es gehört unter das Höchste, was die Malerei aufzuzeigen hat, diese Mutter und dieser Sohn und die vier Engel um sie her; und ich kann mich nicht von der Herz und Sinn ergreifenden Wahrheit und Hoheit wegwenden. Die zwei Hauptfiguren sind ganz wunderbar groß gedacht, in der Tat Pindarische Grazie und des Thebaners Schwung der Phantasie bis in die Draperien, die mächtige Falten werfen. Welch ein Arm, Christus aufgehobner rechter mit den weiten Ärmeln! wie ganz vollkommen gezeichnet und gemalt, und welche wetterstrahlende Wirkung tut er in der ganzen Gruppierung! und wie bescheiden zeigt sich daneben das Nackende der Mutter und füllt leicht das blaue Obergewand! So kräftig hat er nichts anders gemalt, und nirgend anderswo sind seine Formen so vollkommen reif, stark in der Art Schönheit, die ihm eigen war.
Die Apostel unten sind schwach und matt dagegen und nur wie verwelkend sterblich Fleisch, des Kontrasts wegen, aber durchaus vortreffliche Männergestalten, besonders Petrus und ein andrer im Vordergrunde, in Bewegung und Leben.
Kapitel 42
Mit denen in der Verklärung sind in drei Gemälden allein sechsunddreißig Apostel; und in jedem sehen sie anders aus und keiner wie der andre; und doch scheinen die meisten trefflich zu sein und zu passen.
Die Malerei ist wie die Musik; zu denselben Worten können große Meister, kann einer allein ganz verschiedne Melodien machen, die alle doch in der Natur ihren guten Grund haben: es kömmt nur darauf an, wie man sich den Menschen denkt, der sie singt.
Nehmen wir zum Beispiel ein Lied der Liebe!
Bei denselben Worten wütet ein Neapolitaner: und ein andrer im Gletschereise der Alpen bleibt ganz gelassen.
Außerdem lieben wenige immer überein stark schon bei derselben Person; und es wird anders geliebt bei einer Blonden und Schwarzen, einer Sizilianerin von zwölf Jahren und einer nordischen Patriarchin. Und diese selbst lieben wieder anders Knaben, Jünglinge, Männer und Greise.
Dichter und Maler und Tonkünstler nehmen von allem diesen das Vollkommenste, was am allgemeinsten wirkt, welches aber weder Rechenmeister noch Philosoph zu keinem Zeitalter bestimmt festsetzen konnten. Und dies hat die Natur sehr weislich eingerichtet; sonst würde unser Vergnügen sehr eingeschränkt sein oder bald ein Ende haben.
Die Kuppel des Correggio zu Parma in der Johanniskirche, welche Christus' Himmelfahrt vorstellt, gehört zu einer besondern Gattung der Malertaktik und macht ein eigen Kunstwerk aus, das sich mit dem des Raffael, was malerische Wirkung betrifft, nicht vergleichen läßt, ohne diesem unrecht zu tun.
Man erstaunt dort, wenn man in den Kreis tritt, und wurzelt am Boden fest wie bezaubert, und sieht: einen wirklichen Jüngling von übernatürlichen Gaben in ferne Höhen steigen, von dienstbaren Sturmwinden emporgetragen, die liebkosend mit seinem weiten Purpurmantel spielen.
Selbst Apelles und Zeuxis und die ganze griechische Zunft würden dem Götterfluge mit entzückender Bewundrung nachschaun und keiner das Herz haben, zu sagen: anch' io son pittore!
Florenz, Jenner.
Ich habe mich unterwegs länger aufgehalten, als ich wollte, und auf meinem Gute bei Cortona verschiedne Anstalten zu Pflanzungen und beßrer Einrichtung der Gebäude gemacht. Die Kunstsachen, die ich in Rom teils ankaufte, teils schon bei dem Kardinal vorrätig fand, waren vor mir angekommen.
Der Herzog empfing mich heiter und freundschaftlich und bezeugte alsdenn seine große Freude darüber, so wie Bianca und die andern Damen und Herrn vom Hofe.
Man stand hier noch im Handel über eine nackende Venus vom Tizian und wartete nur auf meine Entscheidung. Sie ist ungezweifelt ganz von seiner Hand; und der Kauf wurde gleich richtiggemacht.
Jetzt laß ich in der Galerie, die mein alter Lehrmeister Vasari erbaut hatte, ein Zimmer für das ausgesucht Vollkommenste zubereiten, das seinesgleichen hernach wohl schwerlich in der Welt haben wird, Belvedere ausgenommen.
Von der griechischen Venus will ich den neuen untern linken Arm vom Ellenbogen an wieder abnehmen lassen, weil er allzu schlecht ergänzt ist; der rechte von der Schulter an ist zwar auch nicht zum besten, doch will ich noch damit warten. Es ist ein Wunder, daß dies hohe Meisterstück so glücklich brach, daß die Teile nichts gelitten haben und alle so gut ineinander passen. Die Figur der Göttin selbst ging in dreizehn Bruchstücke und das Ganze in die dreißig Trümmern.
Der Kopf ist am Halse angesetzt und etwas klein in Proportion, wie aber bei andern griechischen weiblichen Bildsäulen; jedoch ganz von demselben Marmor, derselben Arbeit; der Zug des Halses paßt so trefflich und alles harmoniert so bis auf die allerschönsten Füßchen, daß an seiner Echtheit zur Figur keinen Augenblick zu zweifeln ist. Ein Gesicht voll hohem Geist und ionischer Grazie! Die Nase schießt nur ein klein wenig von der Stirn ab, nicht den dritten Teil wie ein Strahl im Wasser. Der Leib ist die frischeste, kernigste, ausgebildete Wollust; Brust und Schenkel schwellen markicht vorn und hinten. Sie hat durchaus den süßesten überschwenglichen Reiz eines soeben reif gewordnen himmlischen Geschöpfes vor der ersten Liebesnacht, welches Vater Homer mit dem Wundergürtel hat ausdrücken wollen.
Sie hat ein Grübchen im Kinn: Zeichen von Fülle und Kraft zugleich und Reifheit der göttlichen Frucht, und nur halb eröffnete oder zugehaltne Augen, die das Innre nicht erkennen lassen wollen, sprödiglich.
Kurz, es ist Erscheinung eines überirdischen Wesens, von dem man nicht begreift, wo es herkömmt; denn es hat hienieden keine Leiden ausgestanden, alles ist zur Vollkommenheit ungestört an ihm geworden. Selbst der schönste und edelste Jüngling unter den Sterblichen muß sich vor ihm niederwerfen; und das Höchste, was er verlangen kann, ist ein Moment, nicht Huldigung auf ein ganzes Leben.
Schönheit, zur Reife gediehen und gedeihend, noch ungenossen. Das sich regendste Leben wölbt sich sanft hervor in unendlichen Formen und macht eine entzückende ganze. Adel, für sich bestehend, blickt aus den süßen lustseligen Augen, ein sonnenheißer Blick von Liebesfülle; flammt die Stirn herab, schwebt auf dem Munde, wo Stolz und Zärtlichkeit zusammenschmelzen.
Die Mitte des Oberleibs ist kräftig und gar nicht dünn; die Schultern sind völlig so breit wie die Hüften und gehen noch darüber hinaus, sanft vom Halse herabgesenkt. Der Unterleib hat zwei zarte Einwölbungen, bis wo die Höhen der Freuden sich heben. Die Schenkel steigen wie Säulen hernieder und verbergen den Eingang der Lust mit einem gelinden Druck.
Die Waden sind straff und voll bis an die Kniekehlen, ohne auszuschweifen.
Sie erscheint von den Seiten her schmal und von dem Rücken breit; alles Fleisch lebt, und nichts ist leer und müßig.
Aus dem Ganzen spricht jungfräulicher Ernst und Stolz, nichts Lockendes; es ist Inbegriff höchster weiblicher