WeltenRetter. Jenny Kremer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jenny Kremer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783991079576
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gesagt, dass ein Tagebuch sinnfrei wäre, doch es gab einfach Dinge, die sie erst erforschen wollte, bevor sie mit ihrer besten Freundin darüber sprach, oder gar mit ihrer Mutter. Daher hielt sie ein virtuelles Tagebuch, welches mit einem Code gesichert war, für einen guten Mittelweg.

      Marie klappte den Laptop schnell wieder zu und versteckte ihn unter ihrer Bettdecke. Sich selbst legte sie auch wieder unter die Decke und tat so, als hätte sie noch geschlafen.

      „Guten Morgen, mein Engel, es ist Zeit zum Aufstehen“, ertönte die Stimme ihrer Mutter leise im Raum.

      „Ich komm ja gleich“, sagte Marie gespielt verschlafen, um die Täuschung aufrecht zu halten.

      Ihre Mutter nickte die Aussage ihrer Tochter ab, das tat sie immer, bevor sie den Raum wieder verließ.

      „Puh, das war knapp“, dachte Marie laut nach.

      Verflixt, schoss es ihr durch den Kopf, der Tagebucheintrag von heute war weg, sie hatte vergessen, ihn abzuspeichern, bevor sie ihn versehentlich gelöscht hatte.

      Trotz dessen, dass sie schon einige Minuten wach gewesen war, war Marie doch noch müde und so trottete sie in die Küche, wo ihre Mama schon mit dem Frühstück und einem belegten Brot für die Schule auf sie wartete.

      Marie kaute noch ihr Müsli, als es an der Tür klingelte. Mit noch vollem Mund sprach sie zu ihrer Mutter: „Das muss Zoe sein.“

      Aber bevor sie aufspringen und zur Tür rennen konnte, war ihr ihre Mutter zuvorgekommen.

      „Guten Morgen, Frau Rayee, ist Marie schon auf? Ich muss dringend mit ihr sprechen“, sprach Zoe bemüht ruhig.

      Anja lächelte und bemerkte die Aufregung, die Zoe ausstrahlte. Sie bat sie herein und deutete ihr mit der Hand, dass Marie in der Küche sei.

      Zoe war verwundert. Wieso sprach Anja nicht mit ihr, sondern gestikulierte nur, diese Art war ihr an der Mutter ihrer besten Freundin fremd. Dennoch betrat sie mit einem Lächeln die Wohnung und ging zu Marie.

      „Ich wusste es!“, sagte Marie mit einem Grinsen.

      „Was wusstest du?“, fragte Zoe verwirrt.

      „Na, dass du es bist, wer sollte mich sonst beim Frühstück stören? Wer sonst sollte wissen, dass ich genau jetzt zuhause bin?“, sprach Marie weiter.

      „Tja, Sherlock Holmes“ Zoe grinste. „Ich bin halt heute in geheimer Mission unterwegs und habe dieses Haus hier observiert, nur um herauszufinden, dass du heute schon wieder deine Lieblings-Cornflakes isst“, witzelte Zoe.

      „Haha, wie lustig.“ Marie verdrehte die Augen, bevor sie anfing zu lachen. Zoe stimmte mit ein.

      „Also, was verschlägt dich Morgenmuffel Schrägstrich Schlafmütze um 6:20 Uhr zu mir?“

      „Das ist geheim, das darf keiner wissen“, flüsterte Zoe Marie plötzlich ins Ohr. Als sie wieder einen Schritt zurückging, legte sie sich den Zeigefinger auf die Lippen, um Marie zu signalisieren, dass sie sie nicht nochmal fragen sollte.

      Marie verstand sofort und flüsterte Zoe eine Nachricht ins Ohr:

      „Wenn es wirklich keiner wissen darf, dann treffen wir uns heute Abend, wenn es dunkel ist und Mama denkt, dass ich schon schlafe, in meinem Baumhaus.“ Zoe nickte.

      „Entschuldigen Sie die frühe Störung, Frau Rayee, es war wirklich wichtig und Dankeschön nochmal, dass Sie mir die Tür aufgemacht haben.“ Zoe lächelte ihr liebstes Lächeln und Anja übernahm dieses auf ihre Lippen, bevor sie diese öffnete und sagte:

      „Für dich doch immer, du weißt ja, du und Alfred könnt jederzeit kommen. Es ist so tragisch, was mit Marisa geschehen ist.“ Sie schüttelte den Kopf, es war fast so, als wollte sie sich selbst in die Gegenwart zurückholen.

      Zoe sah einen Schatten hinter dem Baum im Garten der Rayees verschwinden. Hatte sie etwa jemand beobachtet? Das Gefühl hatte sie in den letzten Tagen des Öfteren gehabt, aber gesehen hatte sie bislang noch nie jemanden. Erst dachte sie, sie bilde sich das nur ein, doch konnte man sich so oft etwas einbilden?

      Es schwirrten ihr so viele Fragen im Kopf herum, viele Fragen, deren Antworten sie noch nicht kannte.

      Sie ging durch die Haustür hinaus und winkte Anja und Marie noch einmal zu. Mit ihren Lippen formte sie ein stummes „Danke“, bevor sie sich umdrehte und wieder nachhause lief.

      Anja und ihre Mama waren früher, als Zoe noch klein war, beste Freundinnen gewesen, genauso wie Marie und sie heute. Ein Lächeln huschte ihr über die Lippen, als sie an die Zeit zurückdachte, als sie und ihre beste Freundin sich kennengelernt hatten. Es war eine tolle Zeit gewesen, damals, als die Welt für die Zwillinge und ihre Mutter noch in Ordnung gewesen war.

      Niemand hatte mit dem plötzlichen Verschwinden von Marisa gerechnet und auch Anja hatte seit jenem Tag nichts mehr von ihr gehört, so wie alle.

      Seit Marisa fort war, schien sich die Nachbarschaft verändert zu haben. Die Menschen hielten lange nicht mehr so stark zusammen wie vor ihrem Verschwinden. Oft zogen neue Leute her und genauso schnell, wie sie eingezogen waren, verschwanden sie auch wieder. Kaum einer grüßte den anderen mehr, wenn er ihm auf der Straße begegnete. An manchen Tagen, da spürte Zoe die Traurigkeit der Leute in der Luft hängen. Es war einem unerklärlichen Gefühl verschuldet, welches sie seit einem Jahr verspürte. Es war an ihrem zehnten Geburtstag wie aus dem Nichts gekommen und seither nicht mehr gegangen.

      An manchen Tagen war Zoe selbst traurig, sie fühlte sich allein, auch, wenn sie genau wusste, dass sie das nicht war. Sie hatte ihren Bruder, ihre beste Freundin, Anja, die über die Jahre wie eine zweite Mutter für die Zwillinge geworden war und eine Mama, die ihr einst versprochen hatte, dass sie immer auf sie aufpassen würde.

      Zoe rannen die Tränen über die Wangen, sie blickte in den Himmel und konnte ihre Trauer am heutigen Tage nicht mehr verbergen, ehrlich gesagt, das wollte sie auch gar nicht mehr.

      Kapitel 3

      „Herr Bött, bitte ins Sekretariat“, erklang die sanfte Frauenstimme der Direktorin über die Lautsprecher der Schule.

      „Na, was wird er wohl angestellt haben?“, fragte Tim in die Klasse, als sein Klassenlehrer den Raum verlassen hatte.

      „Er sah nicht danach aus, als wäre etwas vorgefallen“, antwortete ihm eine Klassenkameradin. Clarissa war ihr Name, sie hatte lange, glatte, blonde Haare und smaragdgrüne Augen. Ihr Gesicht war von ein paar wenigen Sommersprossen geziert. Die Jungs der Klasse nahmen sie aber nie für voll, wer blond war, war blöd. Clarissa verletzten die Worte ihrer Mitschüler sehr, denn sie war noch neu auf der Schule und hatte noch keine Freunde.

      „Er darf uns doch seine Angst nicht offen zeigen, dann wäre er schwach und kein Mann“, erwiderte ein Junge aus der hinteren Reihe und warf anschließend mit einem Papierball nach Clarissa.

      „Stimmt, wie doof muss man denn sein, um zu glauben, dass Lehrer wegen einer Lappalie zur Direx gerufen werden“, warf Tim ein.

      „Ich bin nicht doof!“, äußerte sich Clarissa „Ich glaube nur, dass er nicht wegen eigenem Verschulden ausgerufen wurde, sondern wegen Fremdverschulden.“

      „Jaja, du Klugscheißer, wir haben’s kapiert. Du weißt alles und wir anderen sind dumm!“, rief ein anderer.

      „Das stimmt doch gar nicht!“, wehrte sich das Mädchen.

      „Nur, weil ich gute Noten schreibe, bin ich weder ein Klugscheißer noch sonst was. Ich, ich hab das einfach im Gefühl und mein Bauchgefühl lässt mich nie im Stich.“ Clarissa wurde kleinlaut, denn sie wusste bereits, als sie die letzten Worte ausgesprochen hatte, dass ihre Mitschüler sie dafür belächeln würden.

      Alle begannen zu lachen, alle bis auf einen, Tim.

      Clarissa nahm sich ihre Sachen und ging aus dem Raum. Sie wollte nicht, dass die anderen ihre Tränen sahen, sie wollte vor ihren Mitschülern nicht noch schwächer aussehen, als sie es ohnehin schon