Aus eins mach mehr – der Aktiensplit
Stellen Sie sich vor, Sie halten Aktien eines Unternehmens und bekommen plötzlich für jede Aktie drei neue. Toll, eine wunderbare Aktienvermehrung, denken Sie glücklich. Aber was hat das Unternehmen davon – und bringt Ihnen das etwas? Nach einem solchen Aktiensplit weist die einzelne Aktie logischerweise einen kleineren Anteil am Grundkapital aus und ist so leichter zu handeln, weil das einzelne Papier weniger kostet. Sie bekommen also nicht das Dreifache, sondern leider nur das Gleiche, durch drei geteilt. Das Kuchenstück wird kleiner portioniert und damit leichter bekömmlich, wenn Sie so wollen. Dies führt zu mehr Umsatz an der Börse, und mehr Umsatz treibt meistens den Kurs in die Höhe. Wenn viele kleine Stücke Kuchen etwas Sahne obendrauf bekommen sollen, brauchen Sie mehr Sahne, als wenn ein großes Stück ein Sahnehäubchen erhält. Man spricht dann auch davon, dass die Aktie optisch billiger wird und so mehr Käufer anlockt. Für Sie als Aktionär rentiert sich das also schon einmal über die Kurse. Aber Sie bekommen im Prinzip auch mehr Dividende, weil Sie diese dann nicht nur für eine, sondern gleich für drei Aktien erhalten. Sie ahnen schon, was jetzt kommt? In der Regel fällt die Dividende auch um ein Drittel kleiner aus – außer das Unternehmen ist generös.
Es gibt auch das Gegenteil, allerdings sehr viel seltener: Der Aktienkurs ist so dramatisch gesunken, dass sich das Unternehmen gezwungen sieht, für viele Aktien nur noch eine neue auszugeben. Damit wollen die angeschlagenen Unternehmen vermeiden, dass ihre Papiere – imageschädigend – zu Penny-Stocks werden, also zu Aktien, die nur ein paar Cent kosten. Oft ist die Zusammenlegung mehrerer Aktien ein deutliches Warnsignal, das neue Anleger blenden soll. Einige der einstmals hoch gehandelten Unternehmen des Neuen Marktes, der als Börsenindex für junge, zukunftsweisende Technologieunternehmen nur eine kurze Lebensdauer von 1997 bis 2003 hatte, mussten so handeln, und trotzdem dümpeln bei manchen der überlebenden Firmen die Aktien nach wie vor im Penny-Bereich vor sich hin.
Im Juni 2014 unternahm der US-Kultkonzern Apple einen Aktiensplit im Verhältnis 7 zu 1. Der Wert der Aktie betrug davor etwa 600 US-Dollar, danach also etwa 85 US-Dollar. Für Apple kam noch obendrauf, dass dadurch die Aufnahme in den berühmten US-Börsenindex Dow Jones ermöglicht werden sollte. Denn dieser traditionsreiche Index gewichtet nicht nach der Marktkapitalisierung, sondern richtet sich ausschließlich am Aktienkurs aus. Weil der Apple-Kurs vor dem Split so hoch war, käme der Aktie eine Gewichtung von 8 Prozent zu – sie wäre dadurch deutlich überrepräsentiert und würde den gesamten Index mitziehen. Für Apple war es im Übrigen bereits der vierte Aktiensplit – auch ein Zeichen für Wertsteigerung.
Fusionen und Übernahmen
Kapitalismus ist schöpferische Zerstörung des Alten durch Neues, so argumentierte schon der Ökonom Josef Schumpeter. Wirtschaft ist niemals statisch, sondern ein Prozess, immer in Bewegung. Diese Bewegung ist durch die technischen Möglichkeiten und durch globale Handelsbeziehungen zum Sauseschritt geworden. Unternehmen kaufen andere Unternehmen auf und werden wiederum selbst aufgekauft. Deutschland hatte sich gegen diesen Prozess lange Zeit abgeschottet, denn an vielen Aktiengesellschaften hielten Banken, Versicherungen oder der Staat hohe Anteile, mit denen man unerwünschte Übernahmeversuche – vor allem aus dem Ausland – abblocken konnte. Sie hatten eine sogenannte Sperrminorität.
Doch diese Zeiten sind lange vorbei. Einen für viele recht bitteren Vorgeschmack gab die erst feindliche, dann friedlich beschlossene Übernahme von Mannesmann durch das britische Unternehmen Vodafone von November 1999 bis Februar 2000. Einige Jahre später wurde das Dax-Mitglied HypoVereinsbank von der italienischen Unicredit übernommen. Oder die indische Mittal kaufte den traditionsreichen europäischen Stahlkocher Arcelor. Es geht aber auch innerdeutsch: FAG Kugelfischer wurde von Schaeffler geschluckt, bevor sich Schaeffler schier an Continental verschluckte.
Ein Sonderfall sind sogenannte börsennotierte Familienunternehmen, bei denen ein Ankeraktionär, oftmals der Gründer oder Mitglieder der Gründerfamilie, über eine Sperrminorität verfügt. Beschlüsse verhindern kann eine solche Minderheit, wenn sie 25 Prozent plus eine Aktie hält. Man denke etwa nur an BMW und die Familie Quandt als Ankeraktionär. Da solche börsennotierten Familienunternehmen oftmals besonders gut abschneiden, gibt es dafür eigene Indizes – mehr dazu in Kapitel 8.
Doch heute mischen längst auch deutsche Unternehmen in der internationalen Szene der Fusionen und Übernahmen, bei Mergers & Acquisitions (M&A), kräftig mit. Wie überzeugend deutsche Unternehmen hier inzwischen auftreten, bewies der Wiesbadener Industriegase-Konzern Linde. Er kaufte nicht nur das britische Konkurrenzunternehmen BOC für 12 Milliarden Euro, sondern trennte sich noch gleich von der Gabelstaplersparte und brachte diese unter dem Namen Kion mit Erfolg an die Börse. Noch ein paar Jahre zuvor galt Linde, das sich nun international The Linde Group nennt und seinen Firmensitz nach Irland verlegt hat, unter Börsenfachleuten (!) als dringend übernahmegefährdet. Der Spruch »Glaube niemandem an der Börse oder wenn, dann das Gegenteil« hat sich hier auf das Schönste bestätigt. Linde ist ein erfolgreiches Mitglied im Premiumindex Dax.
Heuschreckenalarm – wenn AGs gekauft werden
Es sind aber nicht nur Unternehmen, die sich nach Übernahmen und Fusionen umsehen, um sich besser auf den Weltmärkten behaupten zu können. Mehr und mehr fischen in diesem lukrativen Teich auch Finanzinvestoren und reich gewordene Staaten. Diese Private-Equity-Gesellschaften und Staatsfonds haben bei ihren Anlegern riesige Mengen an Geld angesammelt, sodass längst auch die deutschen Blue Chips aus dem Dax auf ihrem Wunschzettel stehen. Manchen Private-Equity-Firmen kommt es nicht auf den langfristigen Unternehmenserfolg an, sie suchen vielmehr kurzfristige Gewinne, die sie an ihre Anleger weitergeben können. Manchmal nehmen sie Unternehmen auch ganz von der Börse, um sie in Ruhe zu sanieren, manchmal auch zu filetieren und dann mit Gewinn zu verkaufen oder zurück an die Börse zu bringen.
Da es in den vergangenen Jahren nur wenige Börsengänge gab – dieser Exit-Kanal den Private-Equity-Unternehmen also verschlossen blieb – und sie sich überhaupt in Zurückhaltung übten, haben sie viel Geld angehäuft. Es bleibt spannend, wo und wie sie es investieren werden. Als Anleger können Sie hiervon durchaus profitieren. Genau: Was haben Übernahmen und Fusionen denn nun mit Ihren Aktien zu tun? Unter Umständen ziemlich viel, denn trifft es das Unternehmen, an dem Sie beteiligt sind, so wird sich erst einmal der Kurs Ihres Papiers kräftig nach oben entwickeln – je nachdem, wie hoch die Kaufofferte des Bieters ausfällt, wie lange sich die Übernahmegerüchte halten oder wie lange die tatsächliche Bieterschlacht dauert. Am Ende könnte Ihre Aktie vom Kurszettel verschwinden – davor sollten Sie sich aber bereits von ihr getrennt haben!
Wer auf die Aktien der alten Gesellschaft beharrt und sie nicht gegen die Aktien der neuen Gesellschaft umtauscht, geht das Risiko ein, dass sie später von der Börse genommen werden. Besitzt ganz generell ein Käufer mehr als 95 Prozent der Papiere einer Gesellschaft, kann er das sogar gegen den Willen der Altaktionäre durchsetzen (Squeeze Out, Zwangsabfindung). Wer hingegen getauscht hat, sollte etwas Geduld mitbringen: In der ersten Zeit nach einer Fusion muss oftmals eine Durststrecke mit eher fallenden Kursen durchschritten werden, bis das neue, noch größere Unternehmen wieder Fahrt aufnimmt. Aber: Schwere Tanker sind schwer zu stoppen, wenn sie einmal laufen!
Wenn zwei sich mögen
Wenn Aktionäre über Bord gehen, landen sie meistens weich, denn es wird ihnen ein finanzieller Rettungsring