Das Land der spektakulären Börsengänge ist und bleibt die USA: Hier berauschte beispielsweise 2013 der etwas andere Nachrichtendienst Twitter die Anleger, dagegen war selbst die T-Aktie harmlos. Die harten Fakten in mehr als 140 Zeichen: Die Aktie war 30-fach überzeichnet, der Kurs legte am ersten Tag um 73 Prozent zu und belief sich statt auf 20 US-Dollar (Ausgabepreis) am Ende des Tages auf fast 46 US-Dollar. Insgesamt sammelte Twitter mehr als zwei Milliarden US-Dollar ein. Das Erstaunliche daran: Twitter hatte seit seiner Gründung noch keinen Dollar Gewinn eingefahren – die Anleger setzten demnach auf das Prinzip Hoffnung. Der Börsengang von Twitter war der zweitgrößte Börsengang eines Internetkonzerns in den USA: vor Google, das 2004 etwa 1,9 Milliarden US-Dollar auf die Waagschale brachte, aber weit, weit hinter Facebook, das 2012 die gigantische Summe von 16 Milliarden US-Dollar erlöste. Das war eindeutig mehr als ein Like! Aber: Kein Rekord, der nicht gebrochen werden kann – in China schaffte die Alibaba Group im September 2014 den sagenhaften Emissionserlös von 21,77 Milliarden US-Dollar!
Neuemissionen – Börsengänge – üben einen großen Reiz auf Anleger aus, nicht zuletzt wegen der oftmals intensiven Werbe- und Kommunikationsmaßnahmen. Es muss gar nicht Manfred Krug sein, wie seinerzeit bei der Telekom. Vor allem in Hausse-Phasen, also wenn es an der Börse so richtig gut läuft, wird in der vorbörslichen Euphorie der Ausgabekurs, der erste Kurs eines Unternehmens an der Börse, hochgejubelt. Wenn in den ersten Tagen an der Börse viele Anleger das Papier haben wollen, steigt der Kurs weiter. Aber dann wollen viele rasch Gewinne »mitnehmen« und verkaufen ihre Aktien, also sackt der Börsenkurs erst einmal ab – oft braucht er dann lange, um wieder auf ein Niveau über dem Ausgabekurs zurückzukommen. Insofern lohnt es sich manchmal, Geduld zu haben und die ersten Tage an der Börse abzuwarten.
Grüne Schuhe
Beim Studieren der heute eher selten gewordenen IPO-Meldungen sind Sie vielleicht schon einmal über den Begriff Greenshoe gestolpert und haben sich womöglich gewundert: Was soll das sein? Vielleicht ein entfernter Verwandter des legendären ehemaligen Chefs der US-Notenbank Alan Greenspan? Gemeint ist damit schlicht eine sogenannte Mehrzuteilungsoption. Kein wirklich schönes Wort, weshalb sich wohl Greenshoe eingebürgert hat. (Wie es zu der Namensgebung kam, erfahren Sie gleich.) Wenn die Nachfrage größer ist als das ursprüngliche Angebot an Aktien eines Unternehmens, können die begleitenden Banken – auch Konsortialbanken genannt – zusätzliche Aktien zum gleichen Preis abgeben, noch bis zu sechs Wochen nach dem Börsengang. Wenn nur wenig Interessenten zeichnen, wird die Mehrzuteilungsoption nicht eingelöst. Sie ist also so eine Art Reservetank, wie früher einmal beim Geha-Füller.
»Greenshoe« nennt man dieses Konzept nach dem ersten Unternehmen, das es zum Einsatz brachte: die Green Shoe Manufacturing Company. Sie wurde bereits kurz nach dem Ersten Weltkrieg in Boston gegründet und hieß nach dem Gründer, Mr. Green, nicht weil sie ausschließlich grüne Schuhe herstellte. Mr. Green zog sich allerdings 1924 aus dem Geschäft zurück. 1960 ging das Unternehmen an die Börse, samt Mehrzuteilungsoption. Seit 1966 heißt der Schuhproduzent Stride Rite Corporation und hat sich auf Kinderschuhe spezialisiert, ging aber 2007 in die Collective Brands über – gelistet an der New Yorker Börse NYSE bis 2012.
Aktie ist nicht gleich Aktie
Jede Aktiengesellschaft (AG) – börsennotiert oder nicht – hat ihr Eigenkapital in Aktien aufgeteilt, insofern gibt es im Prinzip so viele unterschiedliche Aktien wie es Aktiengesellschaften gibt. In der EU sind es zum Beispiel etwa 9.000 börsennotierte Aktiengesellschaften, in Japan 2.300 und in den USA 4.200. Am stärksten dürfte derzeit die Zahl kapitalistischer Aktiengesellschaften im sozialistischen China wachsen. Deutschland liegt hingegen weit abgeschlagen, was die Anzahl an börsennotierten Aktiengesellschaften angeht. Es sind hierzulande nur knapp 700 AGs – bei insgesamt fast 4,9 Millionen Unternehmen. Die Welt der Finanzen liebt aber die Auswahl und so gibt es Namensaktien und Inhaberaktien, Stammaktien und Vorzugsaktien, Nennwertaktien und nennwertlose Stückaktien – viele Aktiengattungen. Klingt auf den ersten Blick verwirrend, ist aber ziemlich simpel und bietet Ihnen als Anleger eine Reihe zusätzlicher Möglichkeiten. Selbst wenig überzeugte Autofahrer können zwischen Limousine, Kombi, Coupé, Sportwagen, Geländewagen und Cabrio unterscheiden und sie wissen, dass Kreuzungen eher selten sind – auch wenn Familienväter die Hoffnung auf einen Cabrio-Kombi vielleicht nie endgültig aufgeben werden.
Aktien sind Anteile – wovon eigentlich?
Was gehört dem Aktionär denn nun? Ein »Anteil« am Unternehmen XY ist schließlich ziemlich abstrakt. Gehört dem Inhaber einer Conti-Aktie ein Reifen, einer Daimler-Aktie ein Halogenscheinwerfer, einer Lufthansa-Aktie ein Flug von München nach Düsseldorf? Das wäre ziemlich kompliziert. Vielmehr wird das Grundkapital, quasi die »Ur-Einlage«, durch die Anzahl der Aktien geteilt. Die Gesellschaft muss über ein bestimmtes Grundkapital verfügen. Laut Aktiengesetz, der Fibel für alles rund um das Thema Aktie, muss dieses mindestens 50.000 Euro betragen. Es dürfte allerdings kaum börsennotierte AGs geben, die ein derart geringes Grundkapital aufweisen – es liegt wohl eher im Bereich von mehreren Millionen Euro. »Dickschiffe« wie VW oder Daimler bringen es durchaus auch auf über eine Milliarde Euro Grundkapital.
Dieses Grundkapital wird dann in viele gleich große Stücke zerlegt – die Aktien. Dieses »Zerlegen« kann zum einen prozentual in Form einer nennwertlosen Stückaktie erfolgen. Dann steht auf der Aktie, dass man einen bestimmten Prozentsatz am Grundkapital des Unternehmens XY hält. In der Zeitung findet sich hinter einer solchen Aktie oftmals der Zusatz »o. N.«. Möglich wurde dies ab 1998 mit dem damals erlassenen StückAG – das ist nicht die kleine Schwester der Theater-AG in der Schule, sondern das Stückaktiengesetz. Oder auf der Aktie steht ein bestimmter Betrag, dann handelt es sich um eine Nennwertaktie. Zur D-Mark-Zeit – als nach Ansicht einiger alles angeblich viel besser war – gab es überwiegend diese Form von Aktien. Sie mussten eine Zeit lang mindestens 50 DM, später 5 DM, betragen und bei einem höheren Wert durch 50 (beziehungsweise 5) teilbar sein. Heute braucht es der Einfachheit halber nur einen Euro – womit sich logischerweise das Problem der Teilbarkeit erübrigt. Seit 1998 sind in Deutschland die einfacher zu handhabenden nennwertlosen Stückaktien erlaubt, und weil das Umrechnen der 5er-Stückelungen aus der D-Mark-Zeit ziemlich krumme Beträge ergab, stellten viele Unternehmen darauf um.
Für Sie als Anleger ist es im Prinzip Jacke wie Hose, da sich der »Wert« einer Aktie nicht nach dem Nennwert, sondern nach dem Kurs bestimmt. Steigt der Kurs, haben Sie weder einen höheren Anteil am Grundkapital noch ändert sich der Nennbetrag. Beim Kauf und Verkauf gilt ausnahmslos der aktuelle Kurswert. Trotzdem sollte man wissen, was man gekauft hat.
Begrenzt vorzüglich
Viel interessanter für den Anleger ist die Unterscheidung in Vorzugsaktien oder Stammaktien. Doch viele Unternehmen geben gar keine »Vorzüge« heraus. Im Kursteil einer Zeitung erkennen Sie Vorzugsaktien an dem kleinen Kürzel »vz«