213
Eine weitere Schadensquelle liegt in der Schadensminderungsfunktion unternehmensinterner Untersuchungen. Über die Zurechnungsnorm des § 30 OWiG besteht bei Gesetzesverstößen regelmäßig die Gefahr der Bußgeldsanktion des Unternehmens. Nur wer den gesamten Sachverhalt kennt, kann sich gegen diesen optimal gegenüber den Behörden und vor Gericht verteidigen. Je weniger ein Unternehmen hingegen den vorgefallenen Sachverhalt kennt, desto weniger kann es zur eigenen Verteidigung beitragen und ist den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft „ausgeliefert“. Zudem kann das Unternehmen aufgrund des regelmäßig besseren Einblicks meist schneller als die Staatsanwaltschaft ermitteln. Eine unternehmensinterne Untersuchung kann somit dazu führen, dass Ermittlungen und Verfahren gegen Unternehmen möglichst zeitnah abgeschlossen sind und das Unternehmen sich wieder dem operativen Geschäft als der eigentlichen Aufgabe widmen kann. Bei vollständiger Sachverhaltskenntnis kann sich das Unternehmen gegenüber den Behörden und vor Gericht besser verteidigen und möglicherweise durch eine Kooperation die Folgen für das Unternehmen erheblich mildern. Besonderes Beispiel ist hier das Kartellrecht, in welchem die Kronzeugenregelung in Kombination mit einer schnellen Sachverhaltsaufarbeitung große Vorteile bringt.[14]
214
Der Nachweis der Kausalität zwischen Nichtdurchführung einer unternehmensinternen Untersuchung und Schadenseintritt wird oftmals schwer zu führen sein. Die Gesellschaft muss den Eintritt und Höhe des Schadens und die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vorstandsmitglieds und dem Schaden beweisen. Die betroffene Unternehmensleitung muss hingegen gem. § 93 Abs. 2 S. 2 AktG darlegen, dass sie nicht pflichtwidrig gehandelt hat.[15] Die Beweislastverteilung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG ist im Rahmen des § 43 Abs. 2 GmbHG analog anzuwenden und gilt damit nicht nur für die AG, sondern auch für die Unternehmensleitung einer GmbH und einer GmbH & Co. KG.[16] Also ist auch der Geschäftsführer einer GmbH verpflichtet nachzuweisen, dass er nicht pflichtwidrig gehandelt hat, wenn die Gesellschaft Eintritt, Höhe und Kausalität des Schadens bewiesen hat. Für die Geschäftsführer bedeutet dies, dass alle unternommenen Maßnahmen zur Aufklärung von Verstößen möglichst gründlich dokumentiert werden sollten.
b) Haftung der Unternehmensleitung gegenüber Aktionären bzw. Gesellschaftern
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Verstößt die Unternehmensleitung im Rahmen unternehmensinterner Untersuchungen gegen ihre Pflichten, ist neben der Haftung gegenüber der Gesellschaft auch eine Haftung gegenüber den Aktionären bzw. Gesellschaftern denkbar.
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Eine solche Haftung kann sich zum einen aus § 823 Abs. 1 BGB ergeben, da die Mitgliedschaft in einer Gesellschaft ein sonstiges Recht im Sinne der Vorschrift ist.[17] Handelt die Unternehmensleitung pflichtwidrig, bedeutet dies allerdings keinen Eingriff in die Mitgliedschaft, da die Mitgliedschaft nicht das Recht auf pflichtgemäße Unternehmensleitung beinhaltet.[18] Eine Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB im Rahmen einer Pflichtverletzung bzgl. der Durchführung einer unternehmensinternen Untersuchung scheidet somit aus.
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Denkbar ist wiederum eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266 StGB. Ein Teil der Literatur erachtet den § 266 StGB auch als einschlägig, insbesondere in der Form des Treubruchtatbestandes.[19] Dem ist zu widersprechen, da es sich bei § 266 StGB nicht um ein Schutzgesetz zu Gunsten der Aktionäre bzw. Gesellschafter handelt. Zwar handelt es sich, wie bereits gezeigt, bei § 266 StGB um ein Schutzgesetz. Allerdings schützt es nur denjenigen, gegenüber dem ein Treueverhältnis besteht. Die personale Selbstständigkeit der Gesellschaft führt aber dazu, dass die Treuepflichten der Unternehmensleitung nur gegenüber der Gesellschaft und nicht gegenüber den einzelnen Aktionären bzw. Gesellschaftern bestehen.[20] Die Unternehmensleitung ist als handelndes Organ verpflichtet, die Vermögensinteressen der Gesellschaft zu wahren und zu verwalten. Eine Erstreckung der Treuepflicht des Vorstandes gegenüber den Aktionären und Gesellschaftern würde die Trennung von Aktionär/Gesellschafter und Gesellschaft verkennen.[21] Der BGH hat zu dieser Frage bislang noch keine Stellung nehmen müssen. Sieht man mit der erstgenannten Meinung § 266 StGB als Schutzgesetz zugunsten der Anteilsinhaber an, liegt der Schaden des Aktionärs bzw. Gesellschafters insbesondere darin, dass sein Anteil entwertet wird.[22] Grds. gilt der Haftungsmaßstab des § 93 Abs. 2 AktG nur gegenüber der Gesellschaft und nicht gegenüber den Gesellschaftern.[23] Somit gilt im Verhältnis zu den Gesellschaftern der allgemeine Haftungsmaßstab des § 276 BGB und die Business Judgement Rule ist nicht unmittelbar anwendbar. Allerdings setzt eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB eine vorsätzliche Untreuehandlung des Schädigers voraus.[24] Fehlt es hieran, scheidet eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB aus, da das Schutzgesetz nicht verletzt ist. Zudem ist auch die Business Judgement Rule bei der Beurteilung einer Strafbarkeit nach § 266 StGB anzuwenden (Rn. 207).[25]
2. Haftung des Aufsichtsrats
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Soweit den Aufsichtsrat wie dargestellt eine Pflicht im Hinblick auf unternehmensinterne Untersuchungen trifft, so ändert sich die Haftung im Vergleich zur Unternehmensleitung nicht. Insofern kann auf dortige Ausführungen verwiesen werden. Gem. § 116 S. 1 AktG gilt § 93 mit Ausnahme des Abs. 2 S. 3 AktG. Hierfür enthält § 116 AktG eigene Regelungen zur Verschwiegenheit in S. 2. Insbesondere findet auch die Business Judgement Rule Anwendung auf den Aufsichtsrat.
219
Auch in Bezug auf eine Haftung des Aufsichtsrats wegen Untreue ergeben sich keine Unterschiede, da aufgrund der Funktion und den Befugnissen des Aufsichtsrats eine strafrechtliche Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gesellschaft i.S.d. § 266 StGB besteht.[26] Somit kann sich eine Haftung des Aufsichtsrates gegenüber der Gesellschaft aus § 116 S. 1 AktG i.V.m. § 93 Abs. 2 AktG und aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB ergeben. Für die Haftung gegenüber den Gesellschaftern kann ebenfalls auf die Ausführungen zur Unternehmensleitung verwiesen werden.
3. Haftung der Gesellschafter/Aktionäre
220
Da Aktionäre und Gesellschafter wie bereits dargestellt keine Pflicht zur Durchführung einer unternehmensinternen Untersuchung trifft, scheidet auch eine entsprechende Haftung aus. Die allgemeine gesellschaftsrechtliche Haftung von Gesellschaftern und Aktionären gegenüber der Gesellschaft bleibt hiervon unberührt.[27]
4. Haftung im Konzern
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Auch im Konzern hat die Unternehmensleitung der Konzernmutter das Recht und die Pflicht zur Durchführung einer unternehmensinternen Untersuchung bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte. Wie bereits dargestellt, besteht diese Pflicht aber nur gegenüber der herrschenden Gesellschaft und nicht gegenüber Tochter- oder Enkelgesellschaften.[28] Eine in Betracht kommende unmittelbare Haftung der Konzernleitung gegenüber der Konzernmutter für eine sorgfaltswidrig unterlassene Anweisung zur Durchführung einer Untersuchung richtet sich auch im Konzern nach § 93 Abs. 2 AktG bzw. § 43 Abs. 2 GmbHG oder §§ 43 Abs. 2 GmbHG i.V.m. § 708 BGB sowie § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB.[29]
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Ist die Konzernleitung hingegen berechtigt, die nachgeordneten Konzerngesellschaften anzuweisen und macht sie hiervon Gebrauch, so kann es bei Pflichtverstößen auch zu einer Haftung gegenüber der Tochtergesellschaft kommen. Hierbei ist wiederum entscheidend, ob das beherrschte Unternehmen eine AG oder GmbH ist und ob es sich um einen faktischen oder Vertragskonzern handelt.
a) Haftung im Vertragskonzern