1. Kapitel Internal Investigations: Definition und rechtstatsächliche Erkenntnisse zu internen Ermittlungen in Unternehmen
Inhaltsverzeichnis
II. Trendsetter und Early Follower
III. Begriffsbestimmung „Internal Investigation“
IV. Kriminologisch-rechtstatsächliche Erkenntnisse
1. Teil Ermittlungen im Unternehmen › 1. Kapitel Internal Investigations: Definition und rechtstatsächliche Erkenntnisse zu internen Ermittlungen in Unternehmen › I. Einführung
I. Einführung
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Anglizismen sind „in“. Modewörter wie Corporate Governance, Criminal Compliance und Internal Investigations begegnen dem Rechtsanwender im Zuge ihrer unübersehbaren Hausse[1] überall. Gerade unternehmensinterne Ermittlungen sind groß im Kommen.[2] Die Frage, was sich hinter diesem Begriff verbirgt, wird oftmals nur vage beantwortet. Gleichwohl scheint für jedermann offensichtlich, dass das Phänomen der Internal Investigations zahlreiche Probleme arbeitsrechtlicher sowie insbesondere strafrechtlicher Natur tangiert.
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Unternehmen bzw. Konzerne führen interne Selbstkontrollen sowie Kontrollen gegenüber Tochtergesellschaften[3] durch, geben sich Richtlinien oder Verhaltenskodizes („Codes of Coduct“) und überwachen deren Einhaltung. Dieses Procedere mit dem Begriff der Compliance zu assoziieren, entspricht aber nur der halben Wahrheit. Denn genau genommen geht es bei der Selbstkontrolle nicht nur darum, (strafrechtlich relevantes) Fehlverhalten von vorneherein zu vermeiden, sondern auch darum, es später zu ahnden und aufzudecken. Unternehmensinterne Ermittlungen erfassen genau jenen letztgenannten Bereich. Dabei liegt – trotz der mittlerweile beachtlichen Flut einschlägiger Publikationen – allerdings noch vieles im Unklaren: Welche Ermittlungen sind überhaupt zulässig und welche nicht? In welchem Rahmen oder nach welcher Art von Verfahren müssen die Untersuchungen stattfinden? Was passiert mit den gewonnenen Erkenntnissen und erhobenen Beweisen (bspw. in einem Strafprozess)? Wer leitet die Ermittlungen?[4] An dieser Stelle ist es daher erforderlich, im Vorfeld einige Grundlagen zu klären, um jene und andere Fragen beantworten zu können
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(entfällt)
Anmerkungen
Von Hehn Börsen-Zeitung Nr. 221 v. 16.11.2007, 15; beginnend schon in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts, vgl. Hense/Renz CCZ 2008, 181; s. auch Greco/Caracas NStZ 2015, 7 (zunehmende Aufmerksamkeit seit der „Siemens-Affäre“).
Dies zeigt sich bereits an zahllosen einschlägigen Meldungen der Tagespresse: Allein in der Zeit vom 1.1.2012 bis zum 31.3.2012 fanden sich bspw. bei Spiegel Online ca. 15 Beiträge mit Bezug zu diesen Themen, in der FAZ waren es etwa 30; in der Zeit v. 1.7.2015 bis zum 31.12.2015 ging die Anzahl der Spiegel-Online-Berichte auf sechs zurück.
Sog. Internal Control Provisions; siehe Schulte/Görts RIW 2006, 564.
Diese Fragen listet auch Wastl ZRP 2011, 57 f. auf.
1. Teil Ermittlungen im Unternehmen › 1. Kapitel Internal Investigations: Definition und rechtstatsächliche Erkenntnisse zu internen Ermittlungen in Unternehmen › II. Trendsetter und Early Follower
II. Trendsetter und Early Follower
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Treten Probleme auf, so waren und sind eigene Sachverhaltsaufklärungen in den betroffenen Unternehmen als Innenrevision schon immer selbstverständlich – auch im deutschsprachigen (Rechts-)Raum.[1] Bezeichnet man solche Ermittlungen jedoch als „Internal Investigations“, so erhalten sie i.d.R. eine ganz spezifische Konnotierung mit besonderen Attributen und die Betrachtung beschränkt sich auf eine bestimmte Art von Untersuchungen.[2]
a) Die Rolle der SEC
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Die Karriere der Internal Investigations begann in den USA, begünstigt durch das dortige verwaltungsrechtliche und auch das strafrechtliche Unternehmens-Sanktionssystem.[3] In nicht-strafrechtlicher Hinsicht bspw. sorgt die Securities and Exchange Commission (SEC) für die Durchsetzung des Wertpapierrechts und hält im Rahmen dieser Aufgabe Unternehmen dazu an, interne Ermittlungen durchzuführen. In den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts kam es in den USA zu mehreren Bilanz-„Skandalen“[4], mit deren Aufklärung die SEC befasst war. Da sich die Ermittlungen sehr kostspielig gestalteten und ohne Mitwirkung der in die Vorfälle verwickelten Unternehmen zum Teil auch ineffektiv blieben, zog die Behörde Alternativen in Betracht, um das Wertpapierrecht zu angemessener Geltung zu bringen, und gab den betroffenen Unternehmen immer häufiger auf, eigene Untersuchungen durchzuführen.[5] Erstaunlicherweise traf diese Tendenz bei vielen Verfahrensbeteiligten auf Beifall. Denn wer selbst ermittelt und sich ersichtlich um die Aufklärung eines Sachverhalts bemüht, der darf – so die Vermutung – darauf hoffen, von weitergehenden Ermittlungsmaßnahmen oder Eingriffen durch die SEC selbst verschont zu bleiben.[6]
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Die mit diesem Vorgehen erzielten Erfolge veranlassten die SEC während der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts dazu, das Selbstermittlungs-Konzept weiter auszubauen und die Anordnung von Internal Investigations avancierte nach und nach zu einer Standardauflage.[7] Nicht selten war es dabei Teil dieser Auflage, externe Berater zu den Ermittlungen hinzuzuziehen und die Resultate der SEC zur Verfügung zu stellen. Dabei nahm die SEC zunehmend Einfluss auf Art und Umfang der Untersuchungen sowie die Auswahl der hinzugezogenen externen Ermittler.[8] Behrens stellt in diesem Kontext die Beobachtung an, dass die betroffenen Unternehmen sogar vermehrt den Anordnungen der SEC zuvorkamen und bereits ohne entsprechende Aufforderung interne Untersuchungen in die Wege leiteten, um sich einen weiteren Aktionsspielraum zu erhalten.[9]
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Unter anderem mit dem Release Nr. 44969 v. 23.10.2001[10] („Leon-Meredith-Report“) kodifizierte die SEC das Procedere unternehmensinterner Ermittlungen.[11] Damit existierten erstmalig Leitlinien für unternehmensinterne Untersuchungen, was vor allem die Ermessensausübung durch die SEC im Bezug auf die Frage, ob ein sog. Enforcement-Verfahren[12] in die Wege geleitet wird und welche zivil- oder verwaltungsrechtlichen Sanktionen in Erwägung gezogen werden, transparenter machte. In den Leitlinien fand sich unter anderem ein Hinweis auf unternehmensinterne