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Wer von der Universitätsausbildung her gewohnt ist, mit feststehenden Sachverhalten umzugehen, wird sich zu Beginn einer Internal Investigation klar werden müssen, dass außer dem mit dem jeweiligen Auftraggeber abgesprochenen Auftragsziel – ähnlich wie im strafrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Vorverfahren – nichts wirklich sicher ist oder feststeht. Eine nachvollziehbare, durch ein methodisches und willkürfreies Verfahren geschaffene Tatsachenbasis muss in der Untersuchung erarbeitet werden. Anders als im persönlichen Beratungsmandat lassen sich die Erkenntnisse auch nicht einfach aus den Angaben des Auftraggebers herausfiltern. Dieser wird in der Regel auch nur Ansätze und Anknüpfungspunkte nennen können. Nach ausreichender Reflexion werden sich Auftraggeber und Auftragnehmer der Internal Investigation darauf geeinigt haben, dass die Tatsachenbasis aufgrund einer strukturierten, methodischen Herangehensweise erarbeitet werden muss. Alle so erhaltenen Einzelerkenntnisse sind möglichst unverfälscht und wirklichkeitsnah in der (späteren) Berichterstattung zusammenfassend zu beschreiben und zu würdigen.
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Wird schon in der Aufgabenstellung abgestuft nach technischen, prozeduralen, ökonomischen oder regulatorischen Anforderungen getrennt, sind spezielle, darauf bezogene Anforderungen an das Projektteam, Fachkunde, Methodik, Auftragsumfeld, Durchsetzbarkeit und Ergebnissicherheit zu stellen. Die jeweiligen Stufungen müssen vom Team verarbeitet werden können. So prüfen bspw. Juristen typischerweise lediglich die Einhaltung von Rechtsnormen, Wirtschaftsprüfer regelmäßig die Einhaltung von Vorgaben für die Finanzberichterstattung, Ingenieure häufig die Funktionsfähigkeit von Organisation, Prozessen und Kontrollen sowie deren nützliche Fortschreibung anhand aufgetretener Lücken, Schwächen oder Fehler usw. Eine komplexe Projektaufgabe erfordert daher oft eine Zusammenarbeit dieser verschiedenen Kompetenzen im Team, um sinnhafte und für den Auftraggeber erforderliche Ergebnisse herausarbeiten zu können. Soweit diese Anforderungen im Unternehmensumfeld nicht erfüllt werden können, sollte von vornherein mit einem Team aus externen Fachberatern und Sachverständigen zusammen gearbeitet werden.
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Von der Kompetenz zur juristischen Beurteilung der erlangten Informationen ist aber im Projekt nochmals die Kompetenz zur Projektleitung deutlich zu unterscheiden. Hier sind persönliche Integrität, planerische und organisatorische Kompetenz, ein kooperativer Arbeitsstil sowie Motivationsfähigkeit und Kreativität vor allen Dingen gefragt.[10] Unabhängig von der fachlichen Bildung und Ausrichtung können solche Kompetenzen unternehmensintern in Führungspositionen als auch in Beratungsgesellschaften zu finden sein. Ein verantwortlicher Projektleiter sollte feststehen, bevor eine verbindliche Projektstruktur festgelegt werden kann. Allerdings prädestiniert eine Partnerstellung in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Steuerberater- oder Anwaltskanzlei nicht automatisch dazu, eine solche Projektverantwortung zu übernehmen. Zu suchen ist eine für Leitungsaufgaben geeignete Persönlichkeit, die sowohl mit Krisen als auch mit Kritik sachlich umgehen kann, sich aber ebenso der Wertschätzung der obersten Führungsebene sicher ist, wie auch des Respekts der Unternehmensmitarbeiter. Führungskräfte der Leitungsebene sollten wegen ihrer vielfältigen sonstigen Aufgaben in der operativen Geschäftsleitung nicht unbedingt gleichzeitig auch Projektleiter sein. Das kann bei einem besonderen Ressortzuschnitt (bspw. eines Vorstandes für Integrität, Recht und Compliance) anders sein.
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Neben den nötigen Kompetenzen spielt auch die Freiheit von Interessenkonflikten eine große Rolle für die Akzeptanz des Projektes und seiner Ergebnisse.[11] Werden bspw. im Rahmen der Internal Investigation zusätzlich zu der stets zu prüfenden einfachen Handlungsverantwortung für einen Compliance-Verstoß auch die Führungsverantwortung sowie die Berichts- und Aufsichtsverantwortung auf Ebene der Unternehmensleitung untersucht, ist das Projekt sinnvollerweise von einer davon unabhängigen und neutralen Instanz als für das Projektergebnis Verantwortlicher (sog. Sponsor) zu betreuen. Dies kann in der Aktiengesellschaft der Aufsichtsrat, in einer GmbH oder einer Personengesellschaft der Gesellschafter sein. Die aktienrechtliche Sonderprüfung (§§ 142 ff. AktG)[12] kommt insoweit den Vorstellungen einer unabhängigen und kompetenten Prüfung nahe, auch wenn eine Internal Investigation nicht an diese Vorgaben gebunden ist. Wird ein Wirtschaftsprüfer, der gleichzeitig Abschlussprüfer der Gesellschaft oder des Konzerns ist, mit der Durchführung der Internal Investigation beauftragt, gelten für ihn deutlich restriktivere Anforderungen.[13]
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Die Verantwortung und Haftung für fachgerechte, nachvollziehbare und willkürfreie Projektergebnisse zählt ebenfalls zu den Erfolgsfaktoren – besonders dann, wenn Externe beauftragt sind. Zwar ist für Tatsachen, die nicht bekannt, nicht erreichbar oder nicht herausgegeben waren (bspw. infolge von datenschutzrechtlichen Schranken), auch eine Haftungsfreistellung erforderlich. Da aber die Internal Investigation in erheblichem Umfang Ressourcen des Unternehmens in Anspruch nimmt, haben sich Auftraggeber der Untersuchung und Projektmanager regelmäßig verantwortlich Rechenschaft darüber abzulegen, ob und in welchem Verhältnis der jeweilige Projektstatus zum geplanten Budget, den Teilzielen des Projekts und dem voraussichtlichen Ergebnis stehen. Zwar steht dem Unternehmen ein weites Ermessen zu, in welchem Umfang Mittel für die Untersuchung ausgegeben werden. Das interne und externe Projektteam hat aber in eigener Verantwortung nach dem Stand aktueller Gesetzgebung, Rechtsprechung und Fachkunde seine Arbeitsergebnisse zu vertreten. Schon aus eigenem Interesse wird daher das Team in umfangreichen Projekten für eine ausreichende Qualitätssicherung[14] (bspw. gutachterlicher Rat, freiwillige Vorlage der Arbeitsergebnisse bei einem Peer-Review etc.) und eine ausreichende Haftpflichtversicherung sorgen müssen.
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Zuletzt sind auch die rechtzeitige, vorausschauende und angemessene Steuerung von Projektrisiken[15] zu bedenken. Dazu gehören wiederum externe und interne Risiken. Ein erstes internes Risiko ist die Ergebniserwartung selbst. Fördert die Internal Investigation andere Ergebnisse zutage, als dies der Auftraggeber wünscht, ist rechtzeitig auf die Notwendigkeit eines Erwartungsmanagements hinzuwirken. Ein weiteres internes Risiko ist der zu erwartende psychologische Widerstand gegen das Untersuchungsziel und die Durchführung von Untersuchungen überhaupt. Je tiefer Rechtsverletzungen, Verfahrens- und Kompetenzverletzungen aufgedeckt werden sollen, je mehr Kausalitäten und Verantwortlichkeiten personal zugeordnet sowie daraus innerbetriebliche Konsequenzen erwachsen sollen, umso mehr tauchen Widerstände auf, treten Skeptiker, Bremser und Gegner auf den Plan. Solche Situationen, die aus Change Management-Projekten bekannt sind,[16] müssen in die Planungen einbezogen werden. Während der gesamten Internal Investigation hat das Projektteam mit Ängsten der Mitarbeiter zu kämpfen, die durchaus nicht nur mit Angst vor den Konsequenzen einer Strafverfolgung gleichgesetzt werden können. Es bestehen Ängste oder auch Aggressionen wegen einer persönlichen Diskreditierung, einem Reputationsverlust, Angst vor Vermögens- und Arbeitsplatzverlust; all dies kann durchaus auch mit Neid, Eifersucht oder anderen Motiven begleitet oder vermischt sein. Dem so erkennbaren Widerstand muss frühzeitig durch Aufklärung, Motivation und Überzeugung, ggf. aber auch durch disziplinarische Maßnahmen begegnet werden. Da die Internal Investigation in der Regel die thematische Aufdeckung von Fehlverhalten