Eine stetige Verschärfung der steuerlichen Dokumentations- und Mitwirkungspflichten für die Steuerpflichtigen sowie immer bessere Zugriffs- und Untersuchungsmöglichkeiten der deutschen Finanzverwaltung haben dazu geführt, dass die Entdeckungswahrscheinlichkeit für steuerliche Rechtsverstöße und damit auch das Risiko steuerstrafrechtlicher Ermittlungen in Unternehmen bzw. gegen Organe/Mitarbeiter in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen sind. Hinzu kommt eine deutliche Verschärfung der Rechtsprechung des BGH in Steuerstrafsachen[94] sowie der gesetzlichen Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige. All dies zusammengenommen hat zu einer deutlichen Klimaverschärfung im Steuerstrafrecht geführt.[95]
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In diesem, für Unternehmensverantwortliche und Steuerabteilungsleiter herausfordernden Umfeld hat sich das Bundesfinanzministerium der Finanzen mit einer Änderung/Ergänzung des Anwendungserlasses zu § 153 AO erstmals zur Bedeutung eines innerbetrieblichen Kontrollsystems (auch Tax Compliance Managementsystem) für Unternehmen, deren Organe und ihrer Mitarbeiter geäußert und damit einen normativen Anknüpfungspunkt für die Bedeutung eines solchen Systems bei der Beurteilung der strafrechtlichen Vorwerfbarkeit von objektiv feststellbaren Verletzungen steuerliche Pflichten gesetzt.
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Die Verwaltungsanweisung enthält jedoch keine Hinweise zur konkreten Ausgestaltung eines solchen Systems mit Indizwirkung. Somit verbleibt eine Rechtsunsicherheit, da dem Steuerpflichtigen selbst die Ausgestaltung eines solchen Tax Compliance-Managementsystems überlassen wird und es andererseits den jeweils zuständigen Amtsträgern obliegt festzustellen, ob das eingerichtete Tax Compliance Managementsystem im konkreten Einzelfall als ausreichend zu beurteilen ist.[96]
Teil 1 Tax Compliance und Unternehmen › 1. Kapitel Definition und Zwecksetzung › III. Ausblick
III. Ausblick
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Bedurfte es trotz der allgemeinen Rechtsentwicklung auf dem Gebiet der Compliance noch eines zusätzlichen Anstoßes für die Erkenntnis, dass die steuerliche Compliance im Rahmen der Corporate Compliance einen hohen Stellenwert einnehmen muss, so ist dieser in der vorgenannten Verlautbarung des BMF nun gegeben. Doch mit der Erkenntnis allein ist noch nicht viel gewonnen. Oft genug fehlt in Unternehmen noch der notwendige systematische Ansatz: Die Bemühungen richten sich lediglich auf ausgewählte Steuerrisiken, denen durch vorbeugende Maßnahmen versucht wird zu begegnen. Es bedarf jedoch eines umfassenden Tax Compliance Managementsystems, um den regulatorischen Anforderungen angemessen zu begegnen und um die strategische Herausforderung der Vermeidung von entsprechenden Haftungs- und Strafrisiken zu meistern.
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Die nachfolgenden Kapitel zeigen Grundsätze auf, auf die bei der Ausgestaltung eines unternehmensindividuellen Tax Compliance-Managementsystems zurückgegriffen werden kann. In den verschiedenen Beiträgen werden zudem wesentliche steuerliche Risikofelder betrachtet und jeweils dargestellt, welche besonderen Herausforderungen an die Erfüllung der steuerlichen Pflichten bestehen und wie diesen im Einzelfall sinnvoll begegnet werden kann.
Anmerkungen
Vgl. PONS Großwörterbuch Englisch, 2001.
Vgl. z.B. Schäfer-Wirtschaftswörterbuch Englisch, 2004 oder PONS Großwörterbuch Englisch, 2001.
Vgl. Betteridge Cassellʼs German Dictionary, 1978; Hamblock/Wessels Großwörterbuch Wirtschaftsenglisch Englisch-Deutsch, 2006.
Vgl. www.duden.de/rechtschreibung/Compliance, Stand 3.8.2017.
Vgl. Szesny/Kuthe/Kuthe/Szesny 1. Kap. Rn. 7.
Vgl. Dieners/Lembeck Kap. 1 Rn. 1.
Vgl. Eufinger CCZ 2012, 21, 22.
Vgl. Eufinger CCZ 2012, 21.
Vgl. Buff S. 10 ff.
Vgl. zu den gesetzlichen Grundlagen das 2. Kap.
Vgl. Früh CCZ 2010, 121.
Vgl. Dietl/Lorenz Wörterbuch – Recht, Wirtschaft & Politik.
Vgl. Accounting & Tax Dictionary, Woywode, 2000.
Vgl. Inderst/Bannenberg/Poppe 1. Kap. Rn. 1.
Vgl. Streck/Mack/Schwedhelm Kap. 1 Rn. 1.
Vgl. Jäger/Rödl/Campos Nave S. 17.
Vgl. Creifelds Rechtswörterbuch, 2014.
Vgl. Creifelds Rechtswörterbuch, 2014.
Vgl. Inderst/Bannenberg/Poppe 1. Kap. Rn. 2.
Vgl. zu den gesetzlichen Grundlagen das 2. Kap.
Vgl. Moosmayer NJW 2012, 3013.