Teil 1 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte › A. Einführung
A. Einführung
Teil 1 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte › A. Einführung › I. Die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Protokolle
I. Die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Protokolle
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Die EMRK wurde am 4.11.1950 von den Gründungsmitgliedern des Europarates als erstes regionales Rechtsinstrument zum Schutz der Menschenrechte verabschiedet. Die am 3.9.1953 nach der Ratifizierung durch den zehnten Vertragsstaat in Kraft getretene Konvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag, in dessen Abschnitt I (Art. 2-18 EMRK) Menschenrechte und Grundfreiheiten verbürgt sind, die von den Vertragsstaaten der Konvention (Contracting Parties) gegenüber allen ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen zu gewährleisten sind (Art. 1 EMRK). Alle 47 Mitgliedstaaten des Europarates sind Vertragspartei der Konvention.[1]
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In Ergänzung zu den Kernbestimmungen der EMRK sind insgesamt siebzehn Protokolle zur Zeichnung aufgelegt worden, von denen bisher fünfzehn in Kraft getreten sind. Die Protokolle Nr. 2, 3, 5, 8, 9, 10 (nie in Kraft getreten), 11, 14, 14bis (seit 1.6.2010 außer Kraft), 15 und 16 betreffen Änderungen des Kontrollverfahrens; durch die sechs Zusatzprotokolle (ZP-EMRK) Nr. 1, 4, 6, 7, 12, 13 wurden der Konvention neue Garantien hinzugefügt. Das 12. ZP-EMRK v. 4.11.2000 (allgemeines Diskriminierungsverbot) und das (auch) strafprozessual relevante 7. ZP-EMRK v. 22.11.1984 sind von der Bundesrepublik Deutschland gezeichnet, aber (noch) nicht ratifiziert worden.
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Einen mittelbaren Bezug zur EMRK hat die Europäische Konvention zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe v. 26.11.1987 (CETS 126), die regelmäßige Besuche von Hafteinrichtungen durch den Europäischen Anti-Folterausschuss (Committee for the Prevention of Torture – CPT) ermöglicht, aber – anders als die UN-Antifolterkonvention (UNCAT; Rn. 649) – kein Verfahren der Individualbeschwerde vorsieht.[2] Die Tätigkeitsberichte des CPT werden vom EGMR als Erkenntnisquelle, u.a. zur Auslegung von Art. 3 EMRK, herangezogen.[3]
Teil 1 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte › A. Einführung › II. Bedeutung und Rangstellung der EMRK im deutschen Recht
II. Bedeutung und Rangstellung der EMRK im deutschen Recht
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Die EMRK überlässt es den Vertragsparteien (Staaten), in welcher Weise sie ihrer Pflicht zur Beachtung der Vertragsvorschriften nachkommen. Der Bundesgesetzgeber hat der EMRK mit förmlichem Gesetz gemäß Art. 59 Abs. 2 GG zugestimmt.[4] Damit wurde die Konvention ins deutsche Recht transformiert. Zugleich hat der Gesetzgeber einen entsprechenden Rechtsanwendungsbefehl erteilt.[5] Für die BR Deutschland ist die EMRK am 3.9.1953 in Kraft getreten.[6]
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Die EMRK besitzt in der bundesdeutschen Rechtsordnung weder den Status von Verfassungsrecht noch den Status einer allgemeinen Regel des Völkerrechts i.S.v. Art. 25 GG. Die Konvention nimmt aber (jedenfalls formal) den Rang eines (einfachen) Bundesgesetzes[7] ein (Art. 59 Abs. 2 GG). Ihre Bestimmungen sind damit unmittelbar geltendes deutsches Recht; sie binden sowohl die vollziehende Gewalt als auch die Rechtsprechung (Art. 20 Abs. 3 GG).[8] Landesgesetzen, auch Landesverfassungsrecht, geht die EMRK damit schon nach Art. 31 GG vor. Komplexer ist das Verhältnis der EMRK zum sonstigen Bundesrecht und zur Verfassung (Grundgesetz).
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Wie das BVerfG in seinem Beschluss vom 14.10.2004 (Görgülü)[9] betont hat, nimmt die gesamte Rechtsprechung des EGMR – über das Zustimmungsgesetz zur Ratifizierung (Art. 59 Abs. 2 GG) – an der innerstaatlichen Verbindlichkeit der EMRK teil. Darüber hinaus lässt sich über Art. 1 EMRK eine völkerrechtliche Bindung der BR Deutschland an den übertragungsfähigen Inhalt der gesamten Rechtsprechung des EGMR – nicht jedoch an die gegen andere Staaten ergehenden Urteile als solche (vgl. Art. 46 EMRK) – herleiten (vgl. dazu näher Rn. 463 ff.).[10]
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An die Rechtsprechung des EGMR sind alle nationalen staatlichen Stellen, vor allem aber die deutschen Gerichte, zwar nicht völkerrechtlich, wohl aber innerstaatlich gebunden.[11] Sie haben die Konvention wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung in jedem Strafverfahren zu beachten und anzuwenden.[12]
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Das BVerfG stellt diesen Grundsatz allerdings in bedenklicher Weise unter einen verfassungsrechtlichen Vorbehalt („sofern dies nicht zu einer Einschränkung oder Minderung des Grundrechtsschutzes nach dem Grundgesetz führt“)[13], dessen Reichweite lebhaft diskutiert wird und noch nicht abschließend geklärt ist (vgl. Rn. 10).[14] Zudem dürfe die Rechtsprechung des EGMR nicht schematisch auf das nationale Recht übertragen werden; sie müsse vielmehr „möglichst schonend“ in das nationale Recht eingepasst werden.[15] Der EGMR akzeptiert, dass keine „schematische Parallelisierung“ erfolgt, in der Sache müssen die Konventionsrechte allerdings stets beachtet werden.[16]
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Die Strafgerichte müssen die in einem Strafverfahren angewandten Gesetze und sonstigen Vorschriften im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der BR Deutschland auslegen, da nicht anzunehmen sei – so das BVerfG – dass der Gesetzgeber, sofern er dies nicht klar bekundet habe, von diesen völkerrechtlichen Verpflichtungen abweichen oder ihre Verletzung ermöglichen wolle.[17] Die Berücksichtigung der Gewährleistungen der EMRK und der Rechtsprechung des EGMR muss dabei „im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung“[18] erfolgen. Eine Grenze für die konventionskonforme Auslegung sieht das BVerfG in „eindeutig entgegenstehendem Gesetzesrecht oder deutschen Verfassungsbestimmungen“[19]. Setzt sich das Strafgericht hingegen überhaupt nicht mit der relevanten Judikatur des EGMR auseinander, obwohl der Beschuldigte bzw. dessen Vertreter hierauf Bezug genommen hat, ist die Erhebung einer Anhörungsrüge[20] ratsam – andernfalls riskiert der Betroffene, dass seine spätere Verfassungsbeschwerde wegen Subsidiarität als unzulässig abgewiesen wird.[21]
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Das BVerfG selbst zieht nicht nur die EMRK, sondern auch die Rechtsprechung des EGMR auf der Ebene des Verfassungsrechts als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der vom Grundgesetz geschützten