Persönlichkeitsmodelle eignen sich gut dafür, die eigene Persönlichkeit zu reflektieren und bewusst verändern zu können. Im Laufe meiner Entwicklung habe ich unzählige Persönlichkeitsmodelle kennengelernt und in meiner Arbeit ausprobiert und eingesetzt. Alle Modelle haben für mich jedoch einen gravierenden Schwachpunkt: Sie betrachten meist nur eine, maximal drei Schichten der Persönlichkeit und bilden damit nur einen kleinen Ausschnitt ab.
Also habe ich mich vor gut zehn Jahren daran gemacht, aus meinen Erkenntnissen und Erfahrungen ein eigenes, ganzheitliches Modell zu entwickeln – das Schichtenmodell der Persönlichkeit. Es ging mir dabei nicht darum, ein bahnbrechendes neues Modell zu entwickeln. Der Grund war eher persönlich und einfach: Die gegebenen Modelle reichten mir nicht aus, um die Komplexität zu verstehen. Ich wollte sie aber unbedingt verstehen. Ergebnis meiner Mühen war die Entwicklung eines eigenen Modells, mit dem ich bis heute arbeite.
Das Schichtenmodell bildet die verschiedenen Schichten der Persönlichkeit einfach ab und konzentriert sich im Sinne der konsequenten Führung auf die Aspekte, die für eine spezifische Situation bedeutend und zielführend sind. Um eine Situation mithilfe des Modells analysieren zu können, muss diese vorab so detailliert und objektiv wie möglich beschrieben werden. Medizin und Coaching bezeichnen das als Anamnese. An dieser Stelle beginnt bereits die erste große Herausforderung.
Das Modell kann sowohl einen einzelnen Menschen als auch ein Paar, ein Team, eine Abteilung, ein Unternehmen oder auch eine gesamte Kultur abbilden – immer bezogen natürlich auf eine spezifische Situation. Ziel ist es, Herausforderungen und Probleme zu verorten und darauf basierend individuelle Lösungsstrategien zu erarbeiten. Das Modell besteht aus neun Schichten der Persönlichkeit, mit denen wir in die Lage versetzt werden, komplexes menschliches Verhalten und Wirken sicht- und damit veränderbar zu gestalten.
Das Modell lässt sich sehr gut mit einer Analogie veranschaulichen: Der Aufbau ähnelt der Erde. Sie hat einen Eisenkern mit seinem Magnetfeld. Dieses schützt die Erdbevölkerung vor tödlicher Weltraumstrahlung. An der Erdoberfläche wiederum leben wir. Wir und unsere Smartphones. Diese sind im Alltag nicht mehr wegzudenken und benötigen einen störungsfreien Fluss von elektromagnetischen Wellen. Während der Erdkern für uns nicht erreichbar ist, so hat er also doch offensichtlich gravierende Auswirkungen auf unser Leben, die von uns jedoch nicht beeinflussbar und teilweise auch noch vollkommen unklar sind.
Abbildung 2: Äußere Schichten
Im Schichtenmodell der Persönlichkeit ist der Erdkern das Äquivalent für unseren inneren Kern und die Oberfläche mit unseren Smartphones ist vergleichbar mit der Verhaltens-Schicht. Als Drittes kommt nun noch die Wirkungsschicht ins Spiel. Diese ist die Ebene der Begegnung und entspricht dem Teil der sichtbaren Atmosphäre von der Erdoberfläche bis in den Himmel, mit allem, was wir oder andere wahrnehmen können. Wir sehen hier erst einmal nur die Wirkung dessen, was geschieht. Bezogen auf das soziale Geflecht in Unternehmungen verstehe ich unter Wirkung Veränderungen, die durch Handlungen, Unterlassungen oder Duldungen herbeigeführt werden.
Auch äußere Umstände können zu einer Wirkung führen, allerdings nur indirekt – wie im Beispiel der einbrechenden Umsätze während der Expo 2000. Grundsätzlich ein nicht beeinflussbarer äußerer Umstand. Allerdings habe ich Handlungen unterlassen, mit denen ich die Veränderungen weniger dramatisch hätte gestalten können. Sie sehen: Die beiden Persönlichkeitsschichten Wirkung und Verhalten sind eng miteinander verzahnt.
Der Ursprung von Wirkung liegt im eigenen Verhalten
Jeder hat den Satz »Der erste Eindruck zählt« schon einmal gehört. Viele Menschen leben danach, treffen darauf basierend ihre Entscheidungen und verhalten sich dementsprechend angepasst. Damit sorgt schon die Anpassung an äußere Faktoren für eine Unzufriedenheit, die aus der Differenz zwischen dem inneren Kern und der Wirkung entsteht. Wir reden hierbei ausschließlich über die Verhaltensebene, welche nur eine von neun Schichten der Persönlichkeit ist und zudem nur einen kurzen Augenblick der Realität zeigt. Mit dieser Anpassung sorge ich für folgende Wirkungen:
Kurzfristig schinde ich Eindruck.
Kurzfristig bin ich damit erfolgreich.
Ich fühle mich bei der Verstellung unwohl.
Langfristig werde ich unzufrieden, weil ich wahrscheinlich nicht das bekomme, was ich wollte.
Langfristig enttäusche ich auch die andere Person, weil sie möglicherweise ein falsches Bild von mir hatte.
Egal, auf welcher Seite des Gespräches Sie stehen: Wollen Sie das? Ist es nicht im Übrigen vermessen von uns, aufgrund eines kleinen Eindruckes jemanden zu beurteilen? Oder gar zu verurteilen?
Lassen Sie uns einmal gemeinsam reflektieren, wie sich die Wirkung auf mein Umfeld verändert hat, als aus einer erfolgreichen Unternehmensgründung eine drohende Insolvenz wurde. Eine Gruppe, die sehr direkt und nahezu ungefiltert die Wirkungen miterlebt hat, ist meine engere Familie. Das wird vermutlich bei Ihnen ähnlich sein.
Als Ehemann und Vater verbrachte ich während der Gründung wenig Zeit mit der Familie. Die Partnerschaft wurde zur Nebensache. Alle freuten sich über den vermehrten Wohlstand. Springen wir nun in die Zeit der Krise: Da war die Familie besorgt, dass der Wohlstand in Armut umschlägt.
Die anderen Wirkungen blieben unverändert. Das lag hauptsächlich daran, dass ich mein Verhalten nicht änderte, sondern noch mehr Zeit investierte, um der Krise Herr zu werden. Es gab keine Balance. Die Ängste nahmen zu und diese Sorgen betrafen mehr oder weniger alle Familienangehörigen.
Meine Mitarbeitenden waren von der Situation ebenfalls direkt betroffen – zu Beginn hoch motiviert, Teil eines neuen Geschäftsfeldes zu sein, dankbar, eine bezahlte Beschäftigung zu haben, zufrieden mit den Aufgaben, interessiert an neuen Kundenbeziehungen, stolz auf das erreichte Wachstum.
Die Hydraulikbranche insgesamt wurden ebenfalls von meiner Existenzgründung beeinflusst. Die Hydraulikbranche erhielt einen Wettbewerber, der den gut aufgeteilten Markt durcheinanderbrachte. Der Markt in der Region Hannover veränderte sich ebenfalls signifikant. Plötzlich fuhren Schlosser nicht mehr zu einem Händler, um einen Hydraulikschlauch zu kaufen, sondern sie konnten den gesamten Prozess vom Kauf bis zum Einbau an einen neuen Dienstleister vergeben.
Es lassen sich noch weitere Beeinflussungen finden: die Bank, die Kunden, die Lieferanten, die Expo-Gesellschaft, die termingerecht öffnen konnte, und deren Besucher.
Spätestens jetzt werden Sie sich fragen, ob das nicht ein bisschen zu weit geht. Vielleicht! Aber genau diese Sichtweise verbindet unsere Wirkung mit einem Sinn und einem gesellschaftlichen Nutzen.
Der Kreis der Auswirkungen ließe sich immer weiter und verzweigter ziehen. Ich denke, Sie haben ihre Tragweite erkannt. Als wichtige Erkenntnis halten wir fest: Der Ursprung der Wirkungen liegt immer zum größten Teil im eigenen Verhalten.
Damit Sie, liebe Leserinnen und Leser, aus diesem ersten Kapitel schon einen Nutzen für sich ziehen können, überprüfen Sie doch einmal eine Situation in Ihrem Umfeld, die Sie belastet oder über Gebühr beschäftigt. So können Sie im Laufe Ihres Lesefortschrittes Ihre Situation mithilfe des Modells analysieren. Nehmen Sie sich dafür einen Bleistift und einen Radiergummi zur Hand und beschreiben Sie auf dem Übungsblatt von Abbildung 3 objektiv eine Situation, die Sie momentan in Ihrem Unternehmen ärgert.
Das Übungsblatt ist das erste einer Serie, um eine störende Situation möglichst objektiv zu beschreiben und die möglichen Folgen dieser Situation bewusst zu machen.