Zur „nichtsprachlichen Kommunikation“ zählen „Mimik“, „Gestik“, „Haltung“ und „Proxemik“. Unter letzteren Begriff, der allgemein weniger bekannt sein dürfte, versteht Lehmann ein „bedeutungsvolles Gestalten des Raums in einer Kommunikationssituation“ (ibid.).
In den folgenden Ausführungen des Buches verwende ich vereinfachend die Ausdrücke ‚suprasegmentale Merkmale der Prosodie‘ und ‚nichtverbale Anteile der Kommunikation‘, wobei ich implizit die obigen Bestimmungen meine.
5. Beschreibung im Parameter ‚Rolle‘
„Der Rollenparameter beschreibt die Möglichkeiten, die sich aus der P-R-Rollendynamik, d.h. dem ständigen Wechseln der Rollen der Kommunikationsteilnehmer als Produzent (P) oder Rezipient (R) ergeben“, so definieren Ágel / Hennig (2007, 193) ihren Beschreibungsparameter ‚Rolle‘. Im selben Aufsatz bestimmen sie ‚Interaktion‘ in Abgrenzung von der „Interaktionalen Linguistik“, die diesen Begriff in einem weiter gefassten Sinn als Form sozialen Miteinander-Handelns begreift1, ihrerseits in einer eingeschränkten Bedeutung als sprachliche Kooperation bei der Gestaltung von Redeeinheiten. Sie verstehen mithin ‚Interaktion‘ als ein „gemeinsames Agieren der Kommunikationsteilnehmer bei der sprachlichen Gestaltung des Kommunikationsprozesses“ (Ágel / Hennig 2007, 194).
Bei ‚Rolle‘ handelt es sich um einen Beschreibungsparameter, dem in ihrem Modell des Nähe- und Distanzsprechens ausschließlich Ausdrücke und Strukturen von kommunikativen Praktiken zugeordnet werden, die im Zusammenhang mit dialogischen Diskursabläufen vorkommen. Zu dieser Gruppe zählen sowohl kommunikative Praktiken aus dem prototypischen Bereich des Nähesprechens – d.h. alle möglichen Formen von Alltagsdialogen – aber mit Einschränkungen und in graduellen Abstufungen auch Formen des peripheren Nähesprechens der ‚keyboard-to-screen communication‘, wie Twitter, SMS, Einträge in Weblogs und Internetforen sowie die verschiedenen Varianten des Chattens. Die dialogähnlichen Strukturen dieser kommunikativen Praktiken sind Folge von Mechanismen zur Herausbildung virtueller Verständigungsnetze, die als integrale Bestandteile das Funktionieren der entsprechenden Internetplattformen steuern. Beim Twittern z.B. gehören zu diesen Mechanismen die Funktionen ‚reply‘ sowie das Posten von ‚retweets‘ und ‚zitierten tweets‘ 2.
Vor dem Hintergrund dieser Bestimmungen möchte ich in Anlehnung an Ágel / Hennig dem Beschreibungsparameter ‚Rolle‘ in paraphrasierter und vereinfachter Form (cf. Kapitel 4) folgende universale Diskursverfahren‘ zuordnen:
(a) ‚Kontaktherstellung zwischen dem Produzenten und Rezipienten einer Äußerung‘: Wie jede andere Sprache verfügt auch das Portugiesische über spezifische Anrede- und Verabschiedungsformeln, Anredenominative, etc., die im Dienste dieses Verfahrens der Diskursgestaltung gebraucht werden.
(b) ‚Sequenzierung der Rede‘: Dieses Verfahren betrifft den Umstand, dass bei spontanen Dialogen nicht vorab geplant wird, wer wann die Rolle des Sprechers bzw. die des Hörers einnimmt. Die entsprechende Organisation des Rederechts müssen Sprecher während des Gesprächsablaufs permanent mit ihren Dialogpartnern abstimmen. Diese Anstrengung geschieht parallel zum übrigen Austausch von Informationen. Zu ihnen zählen insbesondere ‚suprasegmentale Merkmale der Prosodie‘ und ‚nichtverbale Anteile der Kommunikation‘ (cf. die ausführliche Erläuterung dieser Kommunikationsanteile in ‚Kapitel 4‘).
(c) ‚Engführung der Orientierung‘: Von zentraler Bedeutung für das Funktionieren nähesprachlicher Kommunikation ist es zudem, dass sowohl Sprecher als auch Hörer über Signale, Wörter und Wortformeln verfügen, die es ihnen ermöglichen, sich ständig zu vergewissern, dass man verstanden wird und dieses Verständnis auch mittels entsprechender sprachlicher Mittel absichert (Sprecher); bzw. man zeigt, dass man den Ausführungen seines Gegenübers zu folgen in der Lage ist (Hörer)3.
(d) ‚Aggregative Rezeptionssteuerung‘: Im Dienste dieses Diskursverfahrens können Sprecher auf verschiedene Mittel zurückgreifen, die es ihnen erlauben, parallel zur eigentlichen Informationsübermittlung zusätzlich noch Einfluss darauf zu nehmen, wie ihre Gesprächspartner ihre Äußerungen dekodieren. Dieses ‚wie‘ betrifft die Gewichtung der Informationsanteile der Propositionen in einer Aussage und die Abstufung des illokutiven Gehaltes, den man einer Aussage zumisst. Mit anderen Worten, Sprecher verfügen über Mittel, um z.B. auszudrücken, wie ernst sie ein Versprechen meinen, wie sie selber den Wahrheitsgehalt ihrer Aussage einschätzen oder wie weit ihre möglichen Sanktionen reichen würden, um einer geäußerten Drohung Nachdruck zu verleihen.
(e) ‚Produzent (P) mit Bezug auf Rezipient (R) Illokutionsnuancierung‘: Meinem Dafürhalten folgend ist dieses Diskursverfahren bereits im vorher erläuterten Verfahren einer ‚aggregativen Rezeptionssteuerung‘ enthalten. Die Zusammenlegung dieser beiden Verfahren scheint insbesondere für das Portugiesische möglich, weil es im Unterschied zur deutschen Sprache relative wenige Modalpartikeln gibt, die eine graduelle Abstufung der illokutiven Wirkung von Äußerungen auf den Gesprächspartner übernehmen könnten4. Im Portugiesischen treten Operatoren in ‚O-SK-ST‘ an die Stelle von Modalpartikeln, um die Aufgabe einer Illokutionsnuancierung zu übernehmen. Als weiteres Argument für eine Zusammenlegung beider Diskursverfahren lässt sich anführen, dass es sich auch bei ‚P-mit-Bezug auf R-Illokutionsnuancierung‘ um eine Strategie handelt, die ebenfalls darauf abzielt, den Hörer bei seiner Informationsdekodierung zu beeinflussen, und es sich somit letztlich auch um ein Verfahren der Rezeptionssteuerung handelt.
(f) ‚Bei einem direkten physischen und psychischen Kontakt zwischen Produzenten und Rezipienten Tendenz zu einer gefühlsbetonten Sprechweise‘: Dieses universale Diskursverfahren erlaubt ebenfalls eine Bestimmung innerhalb des Beschreibungsparameters ‚Rolle‘5: Aus dem gemeinsamen Agieren der Gesprächspartner in unmittelbarer psychischer und physischer Nähe ergibt sich eine spezifische Konstellation, die Gesprächsteilnehmer schneller zu einem emphatisch aufgeladenen Sprachduktus veranlasst. Dieser legt den Gebrauch von sprachlichen Mitteln des Gefühlsausdrucks und der Übertreibung nahe. Weil entsprechende sprachliche Ausdrücke wie Interjektionen und hyperbolische Ausdrücke – bei der Computer vermittelten Kommunikation kommen noch graphostilistische Ausdrucksmittel wie Smileys, Emoticons etc. hinzu – sich aber häufig in einem semiotischen Grenzbereich zwischen verbalem und nicht verbalem Code befinden, möchte ich diese Zeichen im Rahmen des Beschreibungsparameters ‚Code‘ (siehe Kapitel 8.1.1) thematisieren.
Im Rahmen der vorliegenden Studie ist es mir nicht möglich, die universalen Diskursverfahren in ihrer Gesamtheit zu erörtern, die sich aus dem Parameter ‚Rolle‘ ableiten lassen. Darum beschränke ich mich auf die Verfahren ‚Sequenzierung der Rede‘, ‚Engführung der Orientierung‘ und ‚Aggregative Rezeptionssteuerung‘ sowie die sprachlichen Mittel und Strukturen, in denen sich diese Verfahren manifestieren (cf. Tabelle in ‚Kapitel 4‘).
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