Fiona Zink
Facebook zur Telekollaboration im Kommunikativen Fremdsprachenunterricht
Narr Francke Attempto Verlag Tübingen
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ISBN 978-3-8233-8318-5 (Print)
ISBN 978-3-8233-0172-1 (ePub)
Für Kirsten und Theresa
Einleitung
Die vorliegende Studie erforscht die Eignung des Sozialen Netzwerkes Facebook für einen telekollaborativen Austausch im kommunikativen Fremdsprachenunterricht auf Hochschulniveau. Ziel der Untersuchung ist, die emergenten Effekte des Austausches auf die Entwicklung kommunikativer Kompetenz zu analysieren und die Verwendung eines Sozialen Netzwerkes für eine Telekollaboration zwischen Fremdsprache-Lernenden zu ergründen. Die Entwicklung kommunikativer Kompetenz gilt als wichtigstes Ziel des Fremdsprachenunterrichts (Brandl, 2008), jedoch verändern sich die unterschiedlichen Kommunikationsformen und deren Eigenarten aufgrund des technologischen Fortschritts rasant. Aus diesem Grund ist es relevant, authentische Kommunikationsformen unter Berücksichtigung der reellen Lebenswelt der Lernenden zu erforschen und die Effekte dieser Kommunikationsformen für den Fremdsprachenerwerb zu untersuchen.
Durch die ermittelten Resultate der Nutzung des Sozialen Netzwerkes Facebook in einem telekollaborativen Austauschprojekt, leistet diese Studie einen konstruktiven Beitrag zum aktuellen Forschungsfeld der Fremdsprachendidaktik im Bereich computervermittelter Kommunikation.
Hintergrund der Studie
Im 21. Jahrhundert sieht sich die Gesellschaft mit grundlegenden Veränderungen im digital-technologischen Bereich konfrontiert, und auch die Art und Weise, wie Menschen miteinander kommunizieren, ist hiervon stark betroffen. Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien haben in vielen gesellschaftlichen Sphären die traditionellen Kommunikationsformen ersetzt und neue Räume und Kanäle für kulturellen, wissenschaftlichen sowie sozialen Informationsaustausch geschaffen. Diese Veränderungen haben Auswirkungen auf die allgemeinen Prinzipien und Ziele der Fremdsprachenwissenschaft und Fremdsprachendidaktik.
Der Europarat ist 2001 auf damals relevante Veränderungen eingegangen und hat den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER) publiziert, welcher als Basis für Lehrpläne, Lehrwerke und Prüfungen in vielen europäischen Ländern dient, und Lehrkräfte dazu aufruft, die sprachlichen Fähigkeiten ihrer Lernenden so auszubilden, dass diese ihre kommunikative Kompetenz in unterschiedlichen Sprachen und kommunikativen Kontexten anwenden können (O’Dowd, 2007). Im GER (2001) wird auf die unterschiedlichen Kontexte der Sprachverwendung hingewiesen und die Tatsache hervorgehoben, „dass Sprache in ihrer Anwendung stark mit den Anforderungen des jeweiligen Kontexts variiert“ (S. 52). Die Sprachverwendung findet in einer konkreten Situation innerhalb eines Lebensbereiches oder einer Domäne und unter Nutzung eines spezifischen Sprachregisters statt. Der GER macht in den Richtlinien für das Sprachenlernen darauf aufmerksam, dass die Auswahl eines Bereiches für den Sprachunterricht immer unter Einbeziehung der Relevanz für die Lernenden erfolgen sollte (GER, 2001) und es Teil der kommunikativen Kompetenz ist, das Sprachregister dem Bereich angemessen zu verwenden. Jedoch ist in der spezifischen Beschreibung der diversen Bereiche und zugehörigen Textformen keine Nennung von digitalen Medienformen zu finden. Möglicherweise liegt dieses Defizit am Jahr der Veröffentlichung, denn die in den USA im Jahr 2012 publizierten Proficiency Guidelines des American Council on The Teaching of Foreign Languages (ACTFL) nennen als Textform der interpersonellen Texte Sofortnachrichten, E-Mail-Kommunikation und SMS Nachrichten. Vor allem für die jüngeren Generationen sind diese Textformate alltägliche Formen ihrer Kommunikation und sollten daher im authentischen Fremdsprachenunterricht verwendet werden. In ihrer Einführung zur Veränderung der Schreibkompetenz durch neue Medien beschreiben Dürscheid, Wagner und Brommer (2010) den Einfluss der Verwendung dieser Textformen auf die Veränderung von Kommunikation:
Wo man früher telefoniert oder den anderen persönlich angesprochen hätte, schreibt man heute eine E-Mail oder eine SMS. Man trifft sich im Chat, sucht alte Freunde auf Facebook oder Wer-kennt-wen, konsultiert Profilseiten auf Xing, lädt Fotos auf Flickr hoch, ist per Handy immer und überall erreichbar und erwartet, dass man selbst immer rasch eine Antwort bekommt. Vieles wird nicht mehr von langer Hand geplant, da dank der mobilen Kommunikation spontane Verabredungen umstandslos möglich sind. Bleibt dann die sofortige Reaktion aus, kann dies schnell als Zeichen mangelnder Kommunikationsbereitschaft gedeutet werden. (S. 1)
Die Veränderung der Kommunikation durch neue Medienformen und deren weitflächige Verbreitung ist untrennbar an das Aufkommen des Internets und vor allem dessen Weiterentwicklung zum Web 2.0 gebunden.
Obwohl die als Softwareversionsnummer erscheinende Endung 2.0 es annehmen lässt, handelt es sich beim Web 2.0 nicht um eine neue technische Ausführung des Internets (Alby, 2007), sondern diese Bezeichnung beschreibt alle Entwicklungen, die sich mit der Verbreitung der partizipativen Möglichkeiten im Netz charakterisieren lassen. O’Reilly (2005) definiert die Entwicklung vom Web 1.0 zum Web 2.0 vor allem in der Veränderung der plattform-basierten Bereitstellung von Programmen und Anwendungen sowie der Möglichkeiten zur aktiven Mitwirkung und der Sammlung von kollektivem Wissen durch die Nutzenden so wie es beispielsweise auf Sozialen Netzwerken möglich ist. Das Internet ist heutzutage ein Ort, an dem Individuen kollaborativ an Informationen arbeiten und an dem sie Daten speichern sowie austauschen können.
Innerhalb der immer stattfindenden Kommunikation im Web 2.0 laden Millionen aktive Nutzende permanent Fotos, Audio-Dateien, Videos sowie unzählige andere Kreationen im Internet hoch, verlinken sie, teilen sie mit anderen und tauschen sich über Inhalte aus. Da zugleich die Zahl der Personen mit schnellen Internetanschlüssen und leistungsstarken Endgeräten zunimmt, ist anzunehmen, dass sich dieser Trend auch in Zukunft fortsetzen und das Internet sich weiter als Ort der sozialen Vernetzung, Kommunikation und partizipativen Mitgestaltung gesellschaftlicher, politischer und anderer Prozesse herauskristallisieren wird (Dudeney, Hockly & Pegrum, 2013). Die wachsende Bedeutung des Internets in allen Lebensbereichen erfordert von Fremdsprachenlernenden die Beherrschung digitaler Medienkompetenz (digital literacy), denn das Internet zeigt durch die neuen Kommunikationsformen andere sprachliche und soziolinguistische Kommunikationseigenschaften. Folglich müssen digital kompetente Lernende diese auch in der Fremdsprache von den traditionellen schriftlichen und mündlichen Kommunikationsformen unterscheiden und hinsichtlich des Kontextes richtig anwenden können (Shetzer & Warschauer, 2000).
Der kommunikative Aspekt des Web 2.0 und die Entwicklung des Internets von einer Plattform, in der Information einseitig zur Verfügung gestellt wurde und zum Erstellen von Inhalten HTML Codes beherrscht werden mussten, zu einer Sphäre, in der jedes Individuum Inhalte erstellen, publizieren und teilen kann, eröffnen neue und innovative Lernchancen für den kommunikativen Fremdsprachenunterricht (Goertler, 2009). Neben einer Steigerung der Kontaktzeit mit der Fremdsprache, bieten digitale Kommunikationsformen Lernenden die Möglichkeit, in authentischen Situationen und Kontexten mit Angehörigen anderer Sprachen und Kulturen in einen Austausch zu treten und ihre kommunikative Kompetenz weiterzuentwickeln (Warschauer, 1997). Dieser Tatsache liegt die Annahme zugrunde, eine Fremdsprache sei durch Interaktion am besten zu lernen (Long, 1981, 1991, 1996; Gass, 1997). Die Kommunikationsträger wie schriftlicher Text, Bilder, Fotos, Ton- und Videoaufnahmen, sind im Laufe der Zeit konstant geblieben, jedoch haben sich die Technologien auf denen sie implementiert werden und durch die sie in Erscheinung treten, grundlegend verändert (Otto, 2017). Mit