Sprachkritik und Sprachberatung in der Romania. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Серия: Tübinger Beiträge zur Linguistik (TBL)
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783823300571
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gelten Spracheinstellungen als erlernt, relativ beständig, wenn auch veränderbar.

      Spitzmüller betont die enge Verknüpfung zwischen Mentalität, Identität und Einstellungen in metasprachlichen Diskursen (vgl. 2005, 70) und verweist in diesem Zusammenhang auf eine Definition nach Hermanns, der zufolge „[e]ine Mentalität […] die Gesamtheit aller usuellen Einstellungen in einer sozialen Gruppe [ist].“ Kollektive Identität wiederum „basiert zu großen Teilen auf der Überzeugung, Einstellungen anderer Individuen zu teilen“ (2002, 80f.).

      3 Online-Diskurse als Sonderform öffentlicher Diskurse

      Um ein möglichst vollständiges Bild über die Struktur und Funktionsmechanismen von Wissensordnungen und Sinnsystemen im sprachnormativen Diskurs zu erhalten, muss nicht nur bedacht werden, dass unterschiedliche teildiskursbildende Akteursgruppen im Diskurs wirken, sondern dass sich diese auch verschiedener medialer Aktionsformen bedienen. Wie bereits Osthus (2003, 139) hervorgehoben hat, spielt dabei das Internet eine immer größere Rolle als Kommunikationsplattform für Laienlinguisten:

      Aujourd’hui, une valorisation du discours normatif – surtout s’il s’agit de celui-ci des non-spécialistes – ne peut se faire sans prendre en compte les nouveaux médias qui sont en train de bouleverser nos habitudes de communication. Ce ne sont pas que publicitaires et marchands qui se lancent dans l’Internet, comme en témoignent […] les amateurs de la langue déjà nombreux avant l’arrivée du réseau mondial. En fait, il ne faut être ni linguiste ni Académicien pour juger sur le bon usage et les normes. Il suffit de se brancher sur Internet.

      Online-Diskurse werden in der Diskursforschung nicht als „Verkürzung der angebotsförmigen, inhaltlichen und insbesondere handlungspraktischen, also produktiven und rezeptiven, Verflechtungen von medialen Angeboten“ angesehen, sondern sie bezeichnen einen Forschungsgegenstand, der sich aus der Gesamtheit „transmediale[n], multimodale[n] Kommunizierens“ ergibt (Fraas/Meier/Pentzold 2013, 8). Durch den Einsatz von digitalen und sich vernetzenden Medien erhalten diskursive Praktiken eine so große Reichweite und Vernetzung, dass „eine Verkürzung auf nur internetbasierte oder computervermittelte Inhalte und Diskussion“ (id., 10) dem diskurslinguistischen Forschungsanspruch nach einer Untersuchung transtextueller und transmedialer Diskursmuster nicht gerecht werden kann. In diesem Sinne ist die vorliegende Untersuchung natürlich als exemplarischer Beitrag zu verstehen, der kommunikative Strukturen und dahinter stehende mentale Konzepte im Rahmen eines Teildiskurs-Ausschnitts anhand von Textkommentaren untersucht und somit auch nicht den Anspruch erhebt, generalisierbare Aussagen über „relativ dauerhafte und regelhafte, also zeitlich und sozial formierte, Wissensordnungen […] in Diskussionen, Texten, Bildern, audiovisuellem Material und anderen multimodalen Äußerungen“ zu treffen (vgl. 4). Dennoch soll an dieser Stelle die Reflexion methodischer Implikationen für die Untersuchung zentraler Sprachgebrauchsmuster in internetbasierten Kommunikationsbereichen nicht unerwähnt bleiben.

      Öffentlichkeit (vgl. 2) spielt sich aus mediensoziologischer Sicht auf unterschiedlichen Ebenen ab, die sich nach Reichweite und Grad an Stabilität unterscheiden lassen und die an „unterschiedliche Kommunikationstechnologien und -modi geknüpft sind“ (Schmidt 2013, 36). „Massenmedial hergestellte Öffentlichkeit ist […] per definitionem technisch vermittelt, wobei die Produktion von Kommunikationsinhalten unter Umständen zeitlich deutlich von der Rezeption abgekoppelt ist“ (ibid.). Schmidt (2015, 40ff.) definiert auf der Grundlage der Hybridität onlinebasierter Kommunikation vier verschiedene Typen von „Kommunikationsarenen“, die in der Regel auch miteinander vernetzt sind: die „Arena der massenmedialen Öffentlichkeit“, „der Expertenöffentlichkeit“, „der kollaborativen Öffentlichkeit“ und „der persönlichen Öffentlichkeit“. Zur letzten Arena zählen Netzwerkplattformen des sogenannten „personal publishing“ wie Facebook, Twitter, Foren oder Webblogs, „in denen Menschen Informationen insbesondere nach Kriterien der persönlichen Relevanz auswählen und zur Verfügung stellen“ (id., 43). In diesem Sinne ist das dort vertretene Publikum keineswegs eine „disperse unbekannte >Masse<, sondern üblicherweise das eigene erweiterte soziale Netzwerk, also das Geflecht von Personen, zu denen bereits Beziehungen existieren, seien es freundschaftliche Bindungen, ein geteiltes thematisches Interesse o.ä.“ (ibid.). Auf dieser Grundlage ist weiter davon auszugehen, dass „Medien als ‚gesellschaftliche Einrichtungen und Technologien […] etwas materiell oder symbolisch vermitteln und dabei eine Problemlösefunktion übernehmen‘. Im Gebrauch ermöglichen und formen Medien Wahrnehmungen, Handlungen und Kommunikationsprozesse“, d.h. sie agieren als Sozialisationsinstanz und wirken dabei nicht selten als Vektor stereotyper Darstellungen (Meißner 2015, 33f.; vgl. Thiele 2015).

      Diese Komplexität internetbasierter Daten und damit verbundener sozialer Konstruktionen, die stets „als Produkt eines bestimmten Settings“ (Schirmer/Sander/Wenninger 2015, 10) zu verstehen sind, erfordert bei der Sammlung des Datenmaterials sowie bei der linguistischen Analyse spezifische methodische Überlegungen, worunter die Art der erfassten Daten, die Problematik der „Erfassbarkeit der Dynamik und der Flüchtigkeit von Internetdaten“ (id., 11) sowie letztlich auch Fragen des Urheberrechts und der Verwendbarkeit von online-publizierten Daten4 fallen. Bei sozialen Netzwerken stellt vor allem die Multimodalität eine Herausforderung dar, „weil sie sich naturgemäß mit den oft sprach- und schriftbasierten Verfahren nicht adäquat fassen lassen [kann]“ (id., 13). In Foren liegt eine maßgebliche Schwierigkeit in der Asynchronität der Diskussionsbeiträge. Alle diese Interaktionszusammenhänge möglichst detailliert zu erfassen und in interdiziplinärer Perspektive zu untersuchen hat sich als Postulat sowohl seitens der Qualitativen Sozialforschung (vgl. Schirmer/Sander/Wendiger 2015) als auch der Linguistischen Diskursanalyse (vgl. z.B. Busse/Teubert 2013; Fraas 2008; Fraas/Pentzold 2008) etabliert. Eine solch umfassende Analyse kann natürlich im vorliegenden Beitrag nicht vorgenommen werden, weshalb er sich aus diskurslinguistischer Perspektive auf eine ausgewählte Ebene der Sprachstruktur beschränkt (vgl. 4).

      So interessiert sich die vorliegende Fragestellung neben den theoretisch erörterten Spezifika der Online-Kommunikation in erster Linie für das kommunikative Verhalten und die kommunikativen Strategien in metasprachlichen Äußerungen laienlinguistischer Akteure, bei denen anzunehmen ist, dass sie in ihrer Gesamtheit eine weitaus heterogenere Gruppe repräsentieren als die traditionell am sprachnormativen Diskurs beteiligten Parteien.

      4 Linguistische Diskursanalyse als methodischer Zugang zu laienlinguistischer Sprachreflexion

      Das Interesse der Linguistischen Diskursanalyse in ihrer je nach spezifischem Forschungsschwerpunkt mehr oder weniger starken Anlehnung an die Diskurstheorie Michel Foucaults (vgl. 1969; 1971) gilt der Erforschung von sprachlichen Regelsystemen. Foucault ging es dabei weniger um das systematische Erfassen „sprachlich-grammatikalische[r] Muster des Sprachgebrauchs“ als vielmehr um das Aufdecken eines strukturalistischen „Formationssystem[s]“ (Spitzmüller/Warnke 2011, 69), in dessen Mittelpunkt „die semantische Ebene der Bedeutungen bzw. die Regeln der Bedeutungserzeugung und […] die institutionell eingebetteten, stabilisierten Praktiken der Diskursproduktion“ stehen (Keller 2011, 46). Knotenpunkt bei Foucault sind damit nicht Texte in ihrem sprachsystematischen Aufbau, sondern die darin enthaltenen Aussagen (énoncés) (vgl. Foucault 1969, 106; vgl. Spitzmüller 2005, 34), die in der Gesamtheit ihrer regelhaften Anordnungen und der in sie eingebundenen kulturellen und historischen Rahmenbedingungen den Diskurs abbilden: „On appellera discours un ensemble d’énoncés en tant qu’ils relèvent de la même formation discursive“ (Foucault 1969, 153). Eine linguistische Auseinandersetzung mit sprachlichen Aussagen ist hingegen per se an die sprachliche Form selbst gebunden, auch wenn es Ziel der jeweiligen Untersuchung ist, Diskurse im Sinne einer „Erweiterung der systematischen Interessen an Sprache und an verschiedenen Sprachen“ von der intratextuellen Ebene bis zur transtextuellen Ebene zu durchleuchten, wie es z.B. seitens der germanistischen Linguistik gefordert wird:

      Wenn wir hier von >transtextueller Ebene< sprechen […] dann verstehen wir darunter eine komplexe Struktur der Sprache und ihrer Funktionen jenseits der Textgrenze, wie immer diese definiert wird. Eine transtextuelle Analyse ist dann transtextuell, wenn sie nicht nur einzelne oder vereinzelte Texte untersucht, […]