„Was tut’s aber? Wenn nur Christus verkündigt wird auf jede Weise, es geschehe zum Vorwand oder in Wahrheit, so freue ich mich darüber. Aber ich werde mich auch weiterhin freuen; denn ich weiß, daß mir dies zum Heil ausgehen wird durch euer Gebet und durch den Beistand des Geistes Jesu Christi, wie ich sehnlich warte und hoffe, daß ich in keinem Stück zuschanden werde, sondern daß frei und offen, wie allezeit so auch jetzt, Christus verherrlicht werde an meinem Leibe, es sei durch Leben oder durch Tod.“ (Übersetzung nach: rev. Fassung der Lutherbibel 1984).
4. RembrandtRembrandt van Rijn – der protestantische Maler
Die Porträtmalerei gehört – kunst- und theologiegeschichtlich betrachtet – zu den wichtigsten Bildgattungen, die im Europa der nachreformatorischen Zeit, so auch im Holland des 17. Jhs., „in einer protestantischen Umgebung weiterbestehen konnte“Gombrich, Ernst H.1. RembrandtRembrandt van Rijn gibt sich darin, dass er die Porträtmalerei zur Interpretation biblischer Themen und Motive wählt, so gesehen als selbständiger und selbstbewusster protestantischer Maler zu erkennen. Denn ein Gemälde wie „Der Apostel Paulus im GefängnisGefängnis“ ist keineswegs als reine Bibelillustration zu verstehen, sondern bietet eine eigenständige, wohl protestantisch gefärbte Deutung der PersonPerson, persona und der Theologie des Paulus: Rembrandt rückt den briefeschreibenden Paulus in schriftstellerische Nähe zu den Evangelisten und wertet damit seine Briefe literarisch und theologisch auf. Zudem gelingt es Rembrandt durch die Wahl der Porträtform, die Gefangenschafssituation des sog. Heidenapostels so zu deuten, dass sie über dessen autobiographische Hinweise und über die in der Apostelgeschichte entworfenen Erzählungen hinausgeht und uns gleichsam introspektiv Einblick in die ‚Person des Paulus‘ als der entscheidenden Konstante seines Lebens und Wirkens gewährt.Person, persona2
Der bedeutende Kunsthistoriker Ernst H. GombrichGombrich, Ernst H. hat den Zusammenhang zwischen RembrandtsRembrandt van Rijn Menschenkenntnis und seinem starken Interesse an biblischen Themen und deren Deutung einmal wie folgt formuliert:
„Betrachten wir … RembrandtsRembrandt van Rijn große Porträts, stehen wir Menschen in aller Unmittelbarkeit gegenüber, so wie sie das Schicksal gezeichnet hat. Sein ruhiges Malerauge blickt geradewegs in die Tiefen der menschlichen Seele. Ich weiß, daß das sentimental klingt, aber ich kenne keinen anderen Ausdruck, um Rembrandts geradezu unheimliches Wissen um menschliches Empfinden und Verhalten zu kennzeichnen … Dank dieser Gabe sind Rembrandts Illustrationen zur biblischen Geschichte so grundverschieden von allem, was vorangegangen ist. Als frommer Protestant muß er die Bibel immer wieder gelesen haben. Er versenkte sich in den Geist dieser Geschichten und versuchte, sich genau auszumalen, wie sie sich abgespielt haben mochten und wie sich Menschen in einer solchen Situation bewegen und benehmen würden“Gombrich, Ernst H.3.
So ist RembrandtsRembrandt van Rijn Gemälde „Der Apostel Paulus im GefängnisGefängnis“ letztlich nicht nur eine Momentaufnahme aus dem Leben und Wirken des Paulus, sondern bietet eine theologisch eigenständige Analyse der PersonPerson, persona des Paulus.
Wenn einer der bedeutendsten Theologen des 20. Jhs., der Neutestamentler Rudolf BultmannBultmann, Rudolf (1884-1976), schon in seinen Berliner Studiensemestern (1904/1905) besonders die Malerei RembrandtsRembrandt van Rijn zu schätzen lernt, weil sie seiner Meinung nach eine eindringliche Analyse der menschlichen Realität bietetBultmann, Rudolf4, so erweist sich hier, wie eng Rembrandts Kunst auch wirkungsgeschichtlich mit der protestantischen Theologie und Kultur, ja der neutestamentlichen Exegese, bis ins 20. Jh. und darüber hinaus verbunden bleibt.
Bibliographie
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K. Hammann, Rudolf BultmannBultmann, Rudolf. Eine Biographie (Tübingen: Mohr Siebeck 2009).
M. Lechner, „Paulus“, in LCI 8 (1976), 128-147.
IV The anxietyanxiety (SorgeSorge) of the human self: Paul’s notion of μέριμναμέριμνα, μεριμνάω
1. Paul’s ultima verba on anxiety in Philippians
In ancient and modern discourse, the phenomenon of “anxiety” and “care” is much debated.Dodds, E. R.Betz, Hans Dieter1 In the Greek-speaking world, μέριμναμέριμνα, μεριμνάω primarily reflects human ‘anxiety’ and ‘worry’, and, as such, the Septuagint writings as well as early Christian literature tend to adopt a relatively uninformed or critical view of human anxiety and care: Matt 6:25-34, the passage “often etitled ‘On AnxietySorge’”,Betz, Hans Dieter2 contains the strong Jesuanic imperative “do not be anxious” (μὴ μεριμνᾶτε: Matt 6:25).02Ex05,906Ps54,2306Ps37,1905Prov17,1206Ps12,306Ps39,1806Ps126,2Oracula Sibyllina2,316Oracula Sibyllina2,326Oracula Sibyllina3,89Oracula Sibyllina5,440Herm19,33 In combination with Jesus’ admonition of Martha – “… you are anxious and troubled about many things (μεριμνᾷς καὶ θορυβάζῃ περὶ πολλά)” (Luke 10:41; cf. also: Luke 21:34)4 –, μέριμναμέριμνα, μεριμνάω is generally seen as an expression by which (the Matthean and Lukan) Jesus devalues and criticizes the attitude of “anxiety,” and New Testament researchers have devoted little scholarly attention to investigating this phenomenon.Zeller, Dieter071 Kor07Bultmann, RudolfThrall, Margaret E.Betz, Hans Dieter5
The Latin expression cura, in contrast, is considerably more ambivalent in its meaning. It can mean anxiety and worry as much as ‘care’, and it is therefore largely equivalent to the German expression “SorgeSorge,” which is a central term in HeideggerHeidegger, Martin’s existential philosophy. From Hyginus’ myth (fabulae 220Hyginusfab220)Hyginusfab166f.Heidegger, Martin6 about the origin and nature of human anxiety (cura) to Heidegger’s philosophy,Heidegger, MartinSelbst, self, selfhoodSorgeFoucault, Michel7 it is thus possible to see how anxiety and care are two sides of the same coin; since they refer to human temporality, they are simply basic human reactions to the experience of time and mortality, in which the attitudes of fear and concern cooperate. In this article, I will show how such a broadening of the semantic field of μέριμναμέριμνα, μεριμνάω and curacura inspires our reading of Paul and provides fundamental insights into Paul’s understanding of selfhoodSelbst, self, selfhood.
Near the end of his letter to the Philippians (4:6), Paul analyzes human existence by admonishing his readers: “Have no anxiety about anything …” (μηδὲν μεριμνᾶτε …). At first, it may appear as though Paul simply rejects various kinds of daily-life “anxiety” that could occupy or even worry the Philippian community; we might imagine that Paul is recalling Jesuanic language here (Luke 10:41 – s. above). And indeed, most New Testament scholars take this path. Some argue that, in his admonition in Phil 4, Paul practices “pastoral care.”Müller, Ulrich B.8 Other scholars see a direct connection to Jesus traditions hereReumann, John9 – depending on the overall interpretation of Philippians.Lohmeyer, Ernst10 In fact, in Matt 6 (= Q; Luke 12:22ff.), Jesus teaches more comprehensively about “anxiety” and “care”; he says: “… do not be anxious about your life … (v. 25: μὴ μεριμνᾶτε τῇ ψυχῇ ὑμῶν)