Bedürfnisse erfüllen
Nach Ihrer Bestandsaufnahme folgt ein wichtiger Schritt: Sie erlauben sich Ihre Bedürfnisse, gehen also vom Wollen zum Dürfen. Schauen Sie sich die Antworten auf Ihre Fragen nach Wünschen, Sehnsüchten, Träumen und Hoffnungen an: Haben Sie bislang immer gedacht, andere Menschen müssten oder würden etwas tun, damit Ihre Wünsche in Erfüllung gehen? Oder sind Sie bisher davon ausgegangen, dass Träume Schäume sind und sowieso nicht wahr werden? Verabschieden Sie sich von diesen Konzepten und überlegen Sie, wie es wäre, wenn Sie Zeit und Möglichkeiten hätten, all Ihre Hoffnungen zu realisieren.
Gestehen Sie sich Ihre Bedürfnisse zu, räumen Sie ihnen eine hohe Priorität ein und nehmen Sie sich vor, künftig alles daranzusetzen, glücklich und zufrieden zu sein. Wenn Sie möchten, sortieren Sie Ihre Bedürfnisse nach Wichtigkeit und nehmen Sie sich vor, die drei bedeutendsten Bedürfnisse jeden Tag zu erfüllen. Machen Sie abends eine Bestandsaufnahme: Welches Bedürfnis haben Sie wie erfüllt? Wie haben Sie sich dabei gefühlt? Und was können Sie morgen tun, um Ihre Bedürfnisse erneut zu erfüllen?
Nutzen Sie die Macht positiver Formulierungen: Überlegen Sie, was Sie wollen und brauchen, und beschreiben Sie es detailliert. Verzichten Sie auf negative Beschreibungen, streichen Sie also beispielsweise »Ich will dies und das nicht mehr« oder »Das werde ich nicht mehr so und so machen«, und verleihen Sie Ihren Bedürfnissen Nachdruck: »Ich will dies und das und werde es künftig so und so machen.« Positiv formulierte Annäherungsziele sind deutlich wirksamer als negativ formulierte Vermeidungsziele.
Aus den Bedürfnissen, die Sie ernst nehmen und hoch priorisieren, erwächst eine starke Motivation. Denn Bedürfnisse beschreiben einen Mangelzustand, also etwas, was Sie brauchen oder wollen, aber derzeit nicht haben. Daraus entstehen sowohl das Verlangen, den gewünschten Zustand zu erreichen, als auch der Ansporn, sich in Bewegung zu setzen. Diese zielgerichtete Bewegung nennt man Motivation, also Streben oder Handlungsorientierung.
Wichtig sind außerdem die Erfolgsaussichten und der subjektive Wert des Zielzustands: Wenn Sie davon überzeugt sind, dass Sie den Mangel beheben können, und wenn die Aussicht auf Bedürfnisbefriedigung eine hohe Anziehungskraft hat, werden Sie Kräfte mobilisieren und Hindernisse überwinden. Sie werden überrascht feststellen, wie groß der Sog Ihrer Wünsche und Hoffnungen ist, wenn Sie sich intensiv damit beschäftigen. Nutzen Sie diesen Sog, denn er sorgt für Aktivität und Zielstrebigkeit.
Wünsche und Hoffnungen ernst nehmen
Woran können Sie erkennen, ob Ihre Bedürfnisse erfüllt sind? Die Antwort auf diese Frage geben Sie sich selbst: Ihre Gefühle und Körperempfindungen weisen Ihnen den Weg. In vielen Fällen wissen Sie intuitiv, ob eines Ihrer Bedürfnisse befriedigt oder missachtet wird. Denn jeder Mensch hat eine innere Stimme, die offen und ehrlich ist und genau sagt, was gerade richtig oder falsch ist. Doch auf diese Stimme hören viele Menschen kaum noch, weil sie sich angewöhnt haben, ihr Bauchgefühl für weniger wichtig zu halten als Kopfentscheidungen. Denken Sie um und achten Sie ab sofort mehr auf Ihre Intuition:
In welchen Situationen sind Sie fröhlich, zufrieden und angenehm berührt?
Welche Menschen können Sie gut riechen?
Wann fühlen Sie sich voller Energie, Zuversicht und freudiger Erregung?
Worauf haben Sie Lust?
In welchen Situationen sind Sie niedergeschlagen, bedrückt und ängstlich?
Welche Menschen sind Ihnen unangenehm?
Wann haben Sie das Gefühl, eingeengt und ausgesaugt zu werden?
Was können Sie nicht ausstehen, was finden Sie eklig und unerträglich?
Diese Reflexion hilft Ihnen dabei, Ihren inneren Bedürfnissen auf die Spur zu kommen, denn Körpersignale und Gefühle lassen sich nicht zwingen oder manipulieren, sondern entstehen unweigerlich tief aus dem Inneren heraus. Ihr Kopf kann sich zwar einschalten und des Gefühl kleinreden oder das Körpersignal wegdiskutieren – aber der Bauch weiß Bescheid.
Trainieren Sie Ihre Intuition und versuchen Sie Dinge im Voraus zu erahnen: Wer wird Sie heute anrufen? Wann kommt der ersehnte Brief endlich bei Ihnen an? Wen sehen Sie morgen im Büro als Erstes? Wo ist der nächste freie Parkplatz? Wann springt die Ampel auf Grün? Was wird der Kunde gleich zu Ihnen sagen? Diese Übungen schulen Ihr Sensorium und helfen Ihnen, viele Signale, die im Alltag zumeist untergehen, deutlicher wahrzunehmen. Außerdem sind sie kurzweilig und unterhaltsam.Viele Bedürfnisse kommen erst dann richtig zutage, wenn sie Raum und Zeit bekommen. Daher lohnt es sich, die Innenschau zu einer regelmäßigen Übung zu machen und sich immer wieder Zeit dafür zu nehmen. Probieren Sie möglichst viele unterschiedliche Verhaltensweisen, Gegebenheiten und Umstände aus, um mehr über sich zu lernen:
Achten Sie bewusst darauf, wie es Ihnen geht, wenn Sie in der Natur sind.
Spüren Sie nach, welche Gefühle entstehen, wenn Sie mit unterschiedlichen Menschen zusammen sind.
Probieren Sie eine neues Hobby oder eine neue Sportart aus und horchen Sie in sich hinein – was macht Spaß, was tut Ihnen gut?
Essen Sie etwas Exotisches und achten Sie auf Ihre Körpersignale.
Gehen Sie achtsam mit der Sprache um. Es fühlt sich anders an, wenn Sie auf unüberlegte Bewertungen verzichten und stattdessen detailliert beschreiben.
Experimentieren Sie mit ungewöhnlichem Verhalten: Was passiert, wenn Sie auf der Straße fremde Leute ansprechen oder etwas Ausgefallenes anziehen?
Nehmen Sie das, was andere Menschen sagen, nicht unreflektiert für bare Münze, sondern machen Sie sich ein eigenes Bild.
Je mehr Sie sich auf sich selbst besinnen und Ihr Innenleben ernst nehmen, desto souveräner wirken Sie, denn dann laufen Sie nicht länger der Anerkennung durch andere Menschen hinterher, sondern ruhen in sich. Wenn Sie Verantwortung für Ihre Bedürfnisbefriedigung übernehmen, entlasten Sie Ihre zwischenmenschlichen Beziehungen – Sie überfrachten Ehepartner, Lebensgefährten, Familienangehörige, Freunde oder Arbeitskollegen nicht mit Ansprüchen, sondern erfüllen sich Ihre Wünsche selbst.
Katharina Driesen ist total unzufrieden: Sie ist arbeitslos, hat wenige echte Freunde und fühlt sich von ihrer Familie unverstanden. Ihre Unzufriedenheit ist inzwischen so groß, dass sie sich selbst nicht mehr leiden mag. Erst die aufrichtige Beschäftigung mit ihren Bedürfnissen zeigt ihr, wo das Problem liegt: Ihr Selbstwertgefühl ist aufgrund der Arbeitslosigkeit zerstört. Sie lernt, sich über andere Themen als die Arbeit zu definieren, und erkennt ihre Stärken: Hilfsbereitschaft, Kreativität und Begeisterungsfähigkeit. In einer Familienbildungseinrichtung bietet sie ehrenamtliche Bastel- und Kochkurse an und lernt dadurch endlich wieder Menschen kennen. Sie verlässt ihr Schneckenhaus, bekommt Anerkennung und Zuwendung und es fällt ihr viel leichter, ihren Tag zu strukturieren. Ihre Zufriedenheit wächst und in der Familie gibt es deutlich weniger Konflikte als zuvor.Manchmal gibt es widersprüchliche Bedürfnisse, die nicht gleichzeitig erfüllt werden können: Der Wunsch nach Ruhe ist beispielsweise nicht gleichzeitig vereinbar mit dem Bedürfnis nach Sinnstiftung durch ehrenamtliches Engagement, die Hoffnung auf ein langes, gesundes Leben verträgt sich nicht gut mit der Lust auf Schokolade, Wein und Zigaretten, und das Ziel, einen Kreis wohlmeinender Menschen um sich zu haben, kollidiert mit dem Wunsch, immer das letzte Wort haben zu können.
Im Sinne der Selbstfürsorge können Sie eine Bedürfnishierarchie erarbeiten und sich überlegen, ob Sie widersprüchliche