8 Historisches Denken
8.1 Einleitung
8.2 Historische Bildung – eine begriffliche Annäherung
8.3 Geschichtsbewusstsein als geschichtsdidaktischer Schlüsselbegriff
8.4 Historisches Denken fördern
8.5 Operationalisierungen und Konkretionen
8.6 Konkretisierung
9 Historische Imagination
9.1 Einleitung
9.2 Historische Imagination und historische Sinnbildung
9.3 Imagination in der Geschichtstheorie
9.4 Historische Imagination als geschichtsdidaktisches Konzept
9.5 Imagination in der Public History
9.6 Fazit
10 Performativität
10.1 Einleitung
10.2 Begriffe und Forschungsfelder
10.3 Performativität in der Geschichtswissenschaft
10.4 Zugänge zu Aspekten des Performativen
10.5 Doing history
11 Rezeption
11.1 Einleitung
11.2 Begriffsgeschichte
11.3 Verwandte Konzepte
11.4 Methodik der Rezeptionsanalysen
11.5 Operationalisierungen
12 Literatur
13 Autor_innen
Personenregister
Sachregister
Dieses Buch ist ein Ergebnis der Arbeit des Netzwerks Public History, welches dank großzügiger Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft von 2017 bis 2021 unter dem Titel „Public History – Theorie und Methodik einer neuen geschichtswissenschaftlichen Teildisziplin“ zusammenarbeiten konnte. Unser Team besteht aus Vertreter_innen der Archäologie, der Alten sowie der Neueren und Neuesten Geschichte, der Geschichtsdidaktik, der Public History, der Europäischen Ethnologie/Empirischen Kulturwissenschaft sowie der Film- und Medienwissenschaft. Für die Veröffentlichung unserer Arbeit haben wir uns für die Form der Kollektivmonografie entschieden, weil dies unseren Arbeitsprozess am besten widerspiegelt. Der vorliegende Text ist also gemeinsam verfasst, es gibt jedoch zu jedem Kapitel hauptverantwortliche Autor_innen; diese sind im Anhang des Buches ausgewiesen.
Unser Anliegen war es, die Public History nicht nur als ein Anwendungsfeld von Geschichtswissenschaft zu begreifen, sondern ihr Potenzial als wissenschaftliche Teil- und Transdisziplin sichtbar zu machen. Als solche greift sie schon heute vielfältige Fragen zu multimodalen und -medialen sowie performativen Formen öffentlicher Geschichte auf, die bis jetzt in anderen Teildisziplinen der Geschichtswissenschaft so nicht bearbeitet worden sind. Dabei sind die Zugänge zur Public History äußerst heterogen und viele Diskurse haben sich entlang von Leitbegriffen, die den verschiedenen Forschungsfeldern eigen sind, autark entwickelt oder haben sich vor allem im englischsprachigen Raum stark an Best-Practice-Analysen orientiert. Obwohl die Public History unter diesem Begriff bereits seit mehr als 40 Jahren diskutiert wird, hat sie als Teildisziplin der Geschichtswissenschaft bisher nur ansatzweise Gestalt angenommen. Hier setzen wir an. Dabei geht es uns nicht etwa um eine ‚große vereinheitlichende Theorie‘, die alle aktuellen Ansätze zur Theoretisierung und Methodologie der öffentlichen Repräsentationen von Geschichte auffängt. Vielmehr möchten wir durch die Berücksichtigung bisheriger Ansätze und Perspektiven eine Kommunikationsgrundlage für die verschiedenen Disziplinen schaffen, die sich alle im Kern mit Formen von Geschichte im öffentlichen Raum befassen. Wir erheben keinen Anspruch auf Deutungshoheit mit einem neuen Modell, sondern wollen einen der Grundmechanismen der Wissenschaft: den wissenschaftlichen – kooperativen – Diskurs stärken.
Wir danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft für das Vertrauen in unsere Arbeit, der Universität zu Köln für die administrative Unterstützung unseres Netzwerkes, dem Max-Planck-Institut für Bildungsforschung Berlin, der Freien Universität Berlin, der Universität Hamburg und der Pädagogischen Hochschule Freiburg für die Ermöglichung unserer Workshops sowie den Studentischen Hilfskräften Janina Raeder, Katharina Wonnemann, Karl Dargel, Marlen Schulze, Michael Schuhmacher und Laura Kern für ihre Unterstützung bei diesen. Wir danken ebenso dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht und hierbei insbesondere unserem Ansprechpartner Kai Pätzke für die Aufnahme ins Verlagsprogramm und die Weitervermittlung an die UTB wie auch dem Lektor Ulf Heidel, der uns im Endspurt tatkräftig unterstützt hat.
Public History ist ein neues und boomendes Feld in deutschsprachigen Ländern. Vor allem in den historischen Instituten und Seminaren der Universitäten sind in den letzten 15 Jahren Studiengänge, Studienrichtungen und andere Lehrangebote zu ‚Public History‘, ‚Angewandter Geschichte‘, ‚Geschichte in der Öffentlichkeit‘ oder ‚Öffentlicher Geschichtsvermittlung‘ entstanden; kaum eine Konferenz oder ein Forschungsschwerpunkt kommt heute noch ohne einen Verweis auf Public History als die öffentliche oder öffentlich sichtbare Repräsentation von Geschichte aus. Dabei zeigt sich sehr schnell, dass der Begriff Public History höchst unterschiedlich verstanden und eingesetzt wird. Hier – wie auch in den USA, wo die Public History als außeruniversitäres Arbeitsfeld und universitäres Studiengebiet geformt wurde – gibt es daher eine Vielzahl von Definitionen, die Klarheit bringen sollen. Diese haben sich im Laufe der Zeit verändert, weil sich der Blick auf und die Fragen an Repräsentationen von Geschichte geändert haben. In den 1970er Jahren ging es vor allem darum, das Phänomen des ‚Geschichte-Machens‘ außerhalb von Forschungseinrichtungen ins Blickfeld zu rücken, wie dies Robert Kelley 1978 formulierte.1 Während Kelley noch die Arbeit professioneller Historiker_innen außerhalb der Universitäten und Schulen beschrieb, bezog der US-amerikanische National Council on Public History (NCPH) als erste und heute größte Interessenvertretung von Public Historians Anfang der 1990er Jahre dezidiert auch Lai_innen mit der markanten Formel ein, Public History sei „history for the public, about the public, and by the public“.2 ‚Public history‘ sollte daher zunächst als Gegensatz zur academic history verstanden werden. Seitdem geht es vor allem darum, Praktiken und damit verbundene Ziele der Public History zu fokussieren. So versteht die Archäologin Faye Sayer unter Public Historians Menschen, die sich „in the practice of communicating the past to the public“ engagieren.3 Auch die Zeithistorikerin Irmgard Zündorf betont, dass Public History jegliche Form öffentlicher Geschichtsdarstellung umfasst, „die außerhalb von Schulen und wissenschaftlichen Institutionen stattfindet“. Und über Public Historians schreibt sie weiter:
Neben der professionellen Beherrschung geschichtswissenschaftlicher Methoden benötigen sie die Kompetenz, wissenschaftlich komplexe Ergebnisse für ein nicht historisch vorgebildetes Publikum auf einfache, interessante und den benutzten Vermittlungsträgern gut angepasste Weise zugänglich zu machen.4
In historischer Perspektive zeigt sich, dass zu oft bei der Definitionsfrage stehen geblieben wurde. Gerade die Einführungspublikationen der letzten Jahre machen dies deutlich.5 Die dort präsentierten Definitionen erlauben zwar eine Orientierung in der jeweiligen Gliederung der Bücher, nicht jedoch die Verortung der Public History