Versammlungen: Die einzelnen Bundesländer und Kommunen trafen unterschiedliche Entscheidungen, aber in den meisten Gebieten waren größere Menschenansammlungen verboten. In vielen Städten wurde die Anzahl auf vier, fünf oder sechs Personen beschränkt.
Um Leben zu retten, akzeptierte ein Großteil der Bevölkerung Verordnungen, die ihre Freiheiten einschränkten. Wenige kritisierten, dass ihre Rechte mit Füßen getreten würden. Sie beanstandeten Entscheidungen als unfair, etwa weil sie einigen Geschäften gegenüber anderen Vorteile einräumten (zum Beispiel waren Weinhandlungen offen, während Fitnessstudios schließen mussten). Anstatt vereint einen gemeinsamen Gegner zu bekämpfen, war die Gesellschaft am Ende aufgesplittert und uneins.
Alle diese Verluste – der Verlust der Freiheit und der Verlust der Einheit – können zu Gefühlen der Hoffnungslosigkeit und Trennung führen, genau das Gegenteil dessen, war für unser geistiges Wohlbefinden nötig ist. Da ist es kein Wunder, dass in der ganzen Welt über chronische Verzweiflung berichtet wird.
Sich unsicher fühlen
Eine besonders grundlegende, wahrscheinlich instinktive menschliche Triebkraft ist der Überlebenswille. Gesundheitliche Pandemien bedrohen diesen Instinkt und fördern emotionale Unsicherheit und Angst. Hinzu kommt die Tatsache, dass allzu viele Menschen bei ihrem Versuch, damit fertig zu werden, verzweifelt nach Sicherheit suchen. Aber Sicherheit ist niemals vollkommen. Es gibt keine eindeutigen Antworten auf die folgenden Fragen:
Werde ich mich mit dem Virus infizieren?
Wenn ja, werde ich überleben oder sterben?
Wie kann ich mich vollkommen sicher vor dem Virus schützen?
Wird meine Familie betroffen sein?
Wird der Virus zurückkommen?
Wird mich der Impfstoff vollkommen sicher schützen?
Wenn ich eine Infektion überstehe, werde ich bleibende gesundheitliche Schäden davontragen?
Wenn solche gesundheitlichen Ängste und große Unsicherheiten in Bezug auf weitere Risiken über längere Zeit bestehen, kann eine Depression auftreten.
Während einer Pandemie zurechtkommen
Jeder hat mit den wegen der Pandemie auferlegten Einschränkungen zu kämpfen. Für Menschen, die in eine Depression abzugleiten drohen, und für bereits unter einer Depression leidende Personen gibt es einige Strategien, auf die sie sich stützen können. Sie bauen auf der Voraussetzung auf, dass es wichtig ist, Maßnahmen zu ergreifen, egal wie klein sie auch sein mögen. In den Kapiteln 11, 12 und 13 finden Sie weitere Informationen dazu, was man konkret gegen eine Depression tun kann. Lesen Sie die folgende Liste und wählen Sie für den Anfang einige Vorschläge aus:
Erstellen Sie eine To-do-Liste. Teilen Sie alle Aufgaben in kleine Einzelschritte auf. Achten Sie darauf, dass wenigstens einige Punkte auf Ihrer Liste leicht umzusetzen sind. Nehmen Sie sich nicht zu viel vor. Wenn Ihre Depression abflaut, können Sie nach und nach schwierigere Aufgaben angehen.
Bleiben Sie mit anderen Menschen in Verbindung. Wenn Sie mit anderen in einem Haushalt zusammenleben, nehmen Sie sich Zeit, miteinander zu reden, und bemühen Sie sich um einen freundlichen Umgang. Die Nerven liegen schnell blank. Vergeben Sie. Strecken Sie die Hand nach Freunden und Familienmitgliedern aus. Bleiben Sie über Zoom oder ähnliche Anwendungen, Textnachrichten oder die sozialen Medien in Kontakt. Auch das altbewährte Telefon funktioniert noch!
Bleiben Sie aktiv. Bewegen Sie sich an der frischen Luft, wenn es möglich ist: Walken, Joggen, Laufen, Radfahren oder was immer Ihnen Spaß macht. Es gibt im Internet auch jede Menge kostenlose, einfach zugängliche Trainingsangebote, die Sie drinnen und draußen wahrnehmen können.
Achten Sie auf Ihre Ernährung. Viele Menschen berichten über eine erhebliche Gewichtszunahme während des Lockdowns. In Verbindung mit mangelnder Bewegung kann eine wahllose Ernährung eine Depression verstärken. Andererseits ist es wichtig, sich gelegentlich etwas zu gönnen, solange Sie nicht die Kontrolle verlieren. Wegen der Einschränkungen haben viele Leute gelernt, selbst zu kochen. Nutzen Sie dies, um neue, gesunde Rezepte auszuprobieren. Sie werden sich besser fühlen.
Behalten Sie Ihren Medienkonsum im Auge. Man kann immer irgendwo Nachrichten schauen. Verfolgen Sie die Ereignisse nicht laufend. Legen Sie einen begrenzten Zeitrahmen fest, in dem Sie sich informieren, zum Beispiel eine halbe Stunde morgens und eine Stunde abends. Alles, was darüber hinausgeht, verschafft Ihnen auch nicht mehr neue Informationen, sorgt aber dafür, dass Ihre Gefühle in diesen schwierigen Zeiten noch mehr in Aufruhr geraten. Nehmen Sie sich aber auch etwas Zeit, um sich einen tollen Film anzusehen oder eine Konzertübertragung anzuhören und gönnen Sie sich gelegentlich ein spannendes Buch.
Wichtig ist nur, dass Sie zur Tat schreiten. Ergreifen Sie echte Maßnahmen. Wenn Ihnen etwas absolut nichts bringt, versuchen Sie etwas anderes. Konzentrieren Sie sich darauf, jeden Tag einen kleinen Schritt voranzukommen. Überlegen Sie, was Ihnen wichtig ist, und orientieren Sie sich an Ihren Werten.
Wie immer empfehlen wir Ihnen, sich professionelle Hilfe zu suchen, wenn Sie sich irgendwie hoffnungslos oder selbstmordgefährdet fühlen. Und wenn Ihre Stimmungen Sie davon abhalten, Ihren Alltag zu genießen, ist es an der Zeit, dass Sie sich helfen lassen. In Kapitel 10 finden Sie weitere Information zum Thema Suizidgefahr.
Während der Pandemie haben viele Psychologen und Therapeutinnen ihren Patienten vermehrt ihre Dienste über Telemedizin angeboten, um notwendige Hilfe auch mit dem geforderten Abstand leisten zu können. Für viele, die sich in höchstem Maße ängstlich, depressiv und isoliert fühlen, sind diese Dienste ein echter Segen. Wenn Sie daran interessiert sind, Angebote der Telemedizin in Anspruch zu nehmen, sprechen Sie zuerst mit Ihrer Krankenkasse. Anbieter müssen das Zertifizierungsverfahren der TÜV IT GmbH erfolgreich durchlaufen haben und bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) als Anbieter gemeldet sein, sodass die Kosten von allen Krankenkassen in Deutschland übernommen werden können. Wenn Sie in einer Psychotherapie sind, können die therapeutischen Sitzungen auch über Video (mit Anwendungen speziell zertifizierter Anbieter, also keinesfalls über Skype, Zoom oder Ähnlichem) stattfinden.
Finanzielle Stressfaktoren
Eine großangelegte Studie der Boston School of Public Health stellte während der Pandemie eine hohe Anzahl an Depressionen fest. Die Studie betrachtete Faktoren, die Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung einer Depression haben, wie der Verlust eines geliebten Menschen, Arbeitslosigkeit oder finanzielle Sorgen. Ein Ergebnis fiel besonders auf: Befragte, die weniger als 5.000 US-Dollar auf dem Konto hatten, waren eher von Depressionen betroffen als diejenigen, die mehr als 5.000 US-Dollar besaßen.
In Übereinstimmung mit vielen anderen Befragungen zeigt diese Studie den wirklichen Einfluss ökonomischer Unsicherheit auf die psychische Gesundheit. Verlieren finanziell nicht abgesicherte Menschen ihre Arbeit, egal ob wegen einer Schließung, Stellenabbau oder aus anderen Gründen, dann steigt ihre Anfälligkeit für Depression sprunghaft an, sofern sie kein Sicherheitsnetz haben.
Dass bei finanziellen Notsituationen Depressionen auftreten, liegt an der Bedeutung, die Geld für uns Menschen hat. Viele