Kaukasische Sinfonie. Werner Ryser. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Werner Ryser
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783305004911
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der Kinder. Sie forderte auf der ganzen Welt Jahr für Jahr Zehntausende von Opfern. «Das ist eine furchtbare Krankheit. Die Ärzte nennen sie Diphterie», erklärte sie. «Im Rachen entwickelt sich ein schlecht riechender, weissgelblicher Belag, man hat starke Schmerzen im Hals, man hat Fieber, man hustet, und das Atmen fällt einem immer schwerer. Mayranoushs kleiner Sohn, mein Milchbruder Hovan, ist daran gestorben – und eben, drei Kinder von Frau Kutzschenbach.»

      «Und die Brechruhr?» Karl wollte immer alles ganz genau wissen.

      «Das kann ich dir sagen.» Simon drehte den Kopf zum Jungen, der schräg hinter ihm sass. «Sie brach auf dem Schiff aus, mit dem wir mit der Auswandererharmonie der Kinder Gottes von Schwaikheim, einer Gruppe von Frömmlern», er lachte trocken, «die Donau hinuntergefahren sind. Mich hat es auch erwischt. Man kann seinen Stuhl nicht zurückhalten, und man kotzt sich die Seele aus dem Leib. Es ist, als müsse man auslaufen. Ausserdem sinkt die Körpertemperatur, man friert ständig und phantasiert wirres Zeug. Vierzehn von uns sind gestorben. Wir haben sie auf einer Donauinsel bestatten müssen. Ich habe nur überlebt, weil mein Bruder mich gepflegt hat.» Er verstummte und liess seine Schultern fallen.

      Sophie legte Karl die Hand auf den Arm und bedeutete ihm, keine weiteren Fragen mehr zu stellen.

      Gestern nach dem Gottesdienst in der Kirche von Mamutlie hatten sie und Barbara die vier Kindergräber besucht. Die Mutter war mit gefalteten Händen und unbewegtem Gesicht dagestanden. Betete sie? Aus ihrem hochgesteckten Haar hatte sich eine Strähne gelöst und war ihr ins Gesicht gefallen. Sie schien es nicht zu bemerken. Als Sophie sie nach einer Weile fragte, wie sie diesen vierfachen Schicksalsschlag überlebt habe, zitierte Barbara aus dem Buch Hiob: «Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?» Wie fast alle Kolonistenfrauen war sie bibelfest. Sie lese, gestand sie, jeden Tag ein Kapitel aus der Heiligen Schrift und schöpfe daraus Kraft.

      «Die arme Frau», wiederholte Sophie. «Zehn Mal war sie bisher schwanger. Neben der Erziehung der Kinder muss sie für die ganze Familie kochen und plätten. Zusammen mit ihrer hochbetagten Mutter flickt und näht sie bis tief in die Nacht hinein. Es hat Jahre gedauert, bis sie eine tüchtige Hausangestellte aus der Schweiz bekam, Käthi Bieri, die jetzt mit Gottlieb Graf verheiratet ist. Stell dir vor: Barbara war noch nie in Tiflis, obwohl ihr Mann häufig dort ist und sich von den Einheimischen als Boeg-Aga ansprechen lässt – hoher Herr, als sei er ein englischer Sahib in Indien.»

      «Was stört dich daran?»

      «Wie nennen dich unsere Leute auf Eben-Ezer?»

      «Simon, sagen sie zu mir, und manchmal Patron.»

      «Eben. Und weshalb beschäftigst du auf unserem Hof keine Schweizer und Deutschen?»

      «Die Grusinier und Armenier, die bei uns leben, sind tüchtige Leute, die ihr Handwerk verstehen. Und was das Käsen betrifft, so haben Dawit Achwlediani und seine Söhne rasch begriffen, wie man Emmentaler produziert. Was soll ich also Schweizer anstellen, die erst noch eine höhere Entlöhnung erwarten?»

      «Die Schweizer von Herrn von Kutzschenbach haben sich, nachdem sie genügend Geld erspart hatten, selbstständig gemacht, so wie unser Nachbar, Gottlieb Graf», sagte Sophie. «Sie haben von adeligen Grossgrundbesitzern Land gekauft, auf dem seit Generationen Einheimische als Pächter und Kleinbauern lebten. Den armen Leuten blieb nichts anderes übrig, als sich den neuen Herren als Hirten und als Melkerinnen anzudienen.»

      «Worauf willst du hinaus?»

      «Kurz vor seinem Tod hat mein Vater in sein Lebensbuch geschrieben: Wir Siedler sind nur zu Gast in diesem Land, und es wird sich eines Tages rächen, dass wir uns aufführen, als gehöre es uns. Der Boeg-Aga auf seiner ‹Oase deutschen Schaffensgeists› täte gut daran, sich diesen Satz hinter die Ohren zu schreiben, statt immer mehr Fremde anzustellen, die den Einheimischen ihr Land wegnehmen.»

      «Lewan hat mir von Räuberbanden erzählt, welche die Gegend um Mamutlie unsicher machen», unterbrach Cornelius Simons Gedankengänge. «Wie setzt sich Herr von Kutzschenbach gegen sie zur Wehr?»

      «Er hat eine bewaffnete Leibwache, zehn berittene Tataren.» Ihm scheine, hatte Simon vor einer Woche zum Deutschen gesagt, seine Garde unterscheide sich nicht gross von den tatarischen Viehdieben, mit denen er sich auf Eben-Ezer herumschlage. Von Kutzschenbach hatte gelacht. «Die meisten von ihnen waren wohl selbst Räuber, bis sie in meine Dienste traten. Wie heisst es so schön? Der Armenier treibt Handel, der Georgier feiert, der Russe trinkt Wodka, und der Tatar stiehlt.» Tatsächlich kenne kaum ein Asiate die deutschen Begriffe Zuverlässigkeit, Pflichttreue und Pünktlichkeit, fuhr er fort. Man müsse sie behandeln wie Kinder: streng, aber gerecht. Nur durch ein gutes Beispiel und Erziehung gelinge es, aus einem Tataren einen brauchbaren Menschen zu machen.

      Kurz vor der Abreise hatte Alexander von Kutzschenbach Simon noch eine Warnung mit auf den Weg gegeben: «Mein Haupttschapar Allachwer wird euch mit drei seiner Leute bis Kariani begleiten und dort Zviad Ratischwili einen Brief übergeben, in dem ich ihm mitteile, dass ich mich entschieden habe, meinen Wald bei Dmanissi Ihnen und nicht ihm zu verkaufen. Nehmen Sie sich vor ihm in Acht. Er ist ein cholerischer Mensch und wird meinen Entschluss nicht einfach akzeptieren. Wenn ich Ihnen raten darf: Seien Sie auf der Hut vor ihm. Die Ratischwilis sind eine gewalttätige Brut. Sie sind es schon immer gewesen.»

      Er sei nie unbewaffnet unterwegs, hatte Simon erwidert, und er wisse sich zu wehren.

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