Michail Gorbatschow mit Franz Alt. Der Staatspräsident der Sowjetunion setzte mit Glasnost und Perestroika neue Akzente in der
russischen Politik.
© Bigi Alt, Baden-Baden
Und was wäre die weitere Klimaerhitzung? Die lapidare Antwort der Chefin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde: »Wir werden geröstet, getoastet und gebraten.« Naturwissenschaftler sagen es so: Die Welt schmilzt, erhitzt und flutet. Es ist dieselbe Katastrophe. Und sie ist menschengemacht.
Also: Welche Zukunft wollen wir? Eine Zukunft der Trostlosigkeit oder eine Zukunft der Hoffnung und Lebensfreude? Noch haben wir die Antwort auf diese Frage selbst in der Hand. Mahatma Gandhi: »Sei selbst die Veränderung, die du in der Welt sehen möchtest.«
Wie könnte die Veränderung ganz konkret und praktisch aussehen? Ein Beispiel: Noch nie wurde in Deutschland so viel herumgereist und herumgeflogen wie im Jahr 2019. Über 55 Milliarden Euro wurden allein für Dienstreisen ausgegeben, hat der Reisemanagementverband VDR errechnet. Muss man tatsächlich mehrmals am Tag in einen Flieger steigen, um an einem zweistündigen Treffen teilzunehmen? Im Corona-Jahr 2020 haben wir gelernt, dass man Geschäftsverbindungen auch intelligenter, gesünder und umweltfreundlicher per Video-Konferenz aufrechterhalten kann. Wie viele der 195 Millionen Geschäftsreisen im Jahr 2019 waren wirklich notwendig? Jetten war plötzlich out und viele Geschäfte verliefen genauso gut. Das hätten wir auch schon vorher lernen können, haben wir aber nicht.
Erst in der digitalen Begegnung haben wir gelernt, was wir schon früher wussten. Erst im Corona-Jahr 2020 haben Firmen wie die Deutsche Post, die Telekom, auch Bayer und Thyssenkrupp entschieden, mehr auf Videokonferenzen als auf Dienstreisen zu setzen. Eine Umfrage des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft bei 500 großen deutschen Firmen ergab, dass 90 Prozent ihre Dienstreisen kritisch überprüfen wollen. Alte Gewohnheiten waren noch nie eine sinnvolle Begründung, um an etwas festzuhalten, das eigentlich schon lange ausgedient hat.
Erst jetzt haben wir realisiert, was wir schon früher wussten: Wir Menschen sind nicht allein auf dieser Welt. Doch auf dem Auge »Tierwohl« waren wir zu lange blind. Wir sind den Tieren zu nahe gerückt, haben ihnen zu viel Platz weggenommen. So kommen die Vogelgrippe von Vögeln, HIV von Affen und Corona und Ebola von Fledermäusen zu uns Menschen. Eine der Ursachen der Corona-Pandemie ist die sogenannte Zoonose, bei der mutierte Tierseuchen-Erreger auf Menschen übertragen werden. Der globale Welttierhandel bringt unterschiedliche Tierarten auf engstem Raum zusammen; Viren können leicht in ihren Körper eindringen. Die Tiere werden der Wildnis, ihrem Lebensraum, entrissen und gelangen auf Märkten und im Handel zwangsläufig mit Menschen in Kontakt. Sie stehen unter Stress, und ihr Immunsystem ist geschwächt. Eine perfekte Voraussetzung für eine Pandemie.
In Dänemark wurde ein »Cluster-5-Virus« von Tieren auf Menschen übertragen. Deshalb mussten dort zehn Millionen Nerze getötet werden. Die Tiere wurden in Massentierhaltung in engen Nerzfarmen gezüchtet, während sie sonst ihren Lebensraum in der freien Natur haben. Exotische Tiere werden gejagt, gefangen, auf Tierbörsen gehandelt. Auch in Deutschland gibt es einen illegalen Handel mit exotischen Tieren. Geschützte und seltene Tiere erzielen einen hohen Preis. Jetzt ist die Politik gefragt. Nur ein Verbot der Haltung in artfremdem Raum kann dazu verhelfen, langfristig Pandemien zu vermeiden.
Es müssen dafür Milliarden von Euro aufgewendet werden, um Korallenriffe wieder herzustellen, Wälder aufzuforsten und Regenwälder sowie Räume für Wildtiere zu schützen. Zurzeit aber verlieren wir pro Jahr eine Milliarde Bäume, und wir rotten jedes Jahr beinahe eine drei Viertel Million Tier- und Pflanzenarten aus. Es gab einmal 6000 Milliarden Bäume, heute haben wir noch circa 3000 Milliarden. Immerhin haben 50 Regierungen – darunter auch die deutsche – Anfang Januar 2021 in Paris erklärt, bis 2030 dreißig Prozent des Planeten unter Naturschutz stellen zu wollen. Immerhin ein erster Schritt in die richtige Richtung.
8. Was lernen wir aus der Corona-Krise?
Diese Frage kann man so beantworten wie die Queen von England: »Better days will come.« Die Dame ist 95 Jahre alt, hat schon viel gesehen und erlebt und muss es folglich wissen.
In ihrem weltweit gefeierten Gedicht »Und die Menschen blieben zu Hause«, das Stefano Di Cristofaro und Paul Pereda zu einem schönen Kindermalbuch illustriert haben, schreibt die Autorin Kitty O’Meara: »Und die Menschen blieben zu Hause. Und sie hörten einander zu und lasen Bücher – und ruhten sich aus – und spielten Spiele – und sie lernten, auf eine neue Art zu leben – und kamen zur Ruhe. – Und sie hörten genauer hin. – Manche meditierten – manche beteten – manche tanzten. – Manche begegneten ihren Schatten. – Und die Menschen begannen, anders zu denken. Und die Menschen heilten. – Und in Abwesenheit der rücksichtslosen, gefährlichen und herzlosen Lebensweisen der Menschen begann die Erde zu heilen. Und als die Gefahr vorüber war und die Menschen wieder zusammenkamen, betrauerten sie ihre Verluste und trafen neue Entscheidungen, und sie träumten von neuen Ideen und schufen neue Lebensweisen, um die Erde vollständig zu heilen, so wie auch sie geheilt worden waren.«
In einem Interview sagt die Autorin: »Das Virus bringt uns zwar eine Krankheit, aber wir haben die Möglichkeit, uns lebendiger als je zuvor zu fühlen. Wir können uns ausruhen. Wir können uns hinsetzen und den Vögeln zuhören, wir können kreativ werden, etwas Neues lernen.«
Schön und gut so. Denn das kann jede und jeder selbst entscheiden. Gerade in den dunkelsten Stunden unseres Lebens ist es manchmal möglich, unser hellstes Licht zu entdecken. Wir können die machtvolle Energie dieser Wendezeit für eine Zeitenwende nutzen. Eine bessere Welt liegt immer auch in unseren eigenen Händen.
Während der Corona-Einschränkungen entdeckten viele Menschen das Spazierengehen wieder. Seit etwa zehn Jahren gehe ich jeden Abend eine knappe Stunde in den Wald. Die Erfahrung, die ich dabei machen durfte: Gehen hilft dem Geist, schenkt Zeit, Erlebtes zu verarbeiten, und bringt Ruhe für wichtige Entscheidungen. Oft fehlt es uns ja an Geist. Und manchmal sind wir von allen guten Geistern verlassen. Deshalb kann auch keine Be-geisterung zustande kommen.
Der Lockdown lockte – so habe ich es im Schwarzwald fast täglich erlebt – viele Menschen in den Wald. »Das Waldbruttospazieraufkommen hat sich durch Corona verzehnfacht« (Axel Hacke), mindestens. Und im Wald pfeift mir das Käuzchen zu: »Du schon wieder?« Den Wald erlebe ich als großartigen Ersatz für die Freiheit, die wir in Corona-Zeiten nicht hatten. Der Wald tut uns einfach gut. Dadurch, dass Bäume ätherische Öle an die Luft abgeben, wird unser Immunsystem gestärkt. Waldbaden wirkt positiv auf das vegetative Nervensystem, der Blutdruck sinkt, und Stress wird abgebaut.
Also: Die Zeit wird kommen, in der wir uns wieder zuwinken und in der das Lächeln ohne Maske größer sein wird als der Abstand. Es werden dann Wochen und Monate großer Dankbarkeit sein.
Aber was haben die Politik, die Wirtschaft und die Gesellschaft mit Corona gemacht, und was hat Corona mit uns allen gemacht?
Häufig wurde gegen die Corona-Beschränkungen ähnlich polemisiert wie gegen die Einschränkungen gegen die Klimaerhitzung: »Corona-Diktatur« rufen die Kritiker der Corona-Maßnahmen, und »Öko-Diktatur« meckern die Kritiker der Maßnahmen für mehr Klimaschutz.
In der Corona-Krise waren und sind sich allerdings die meisten Menschen einig, dass wir mit Rücksicht auf die anderen unsere Freiheit einschränken müssen. Freiheit kann nicht heißen, dass ich das Recht habe, andere krank zu machen.
Wie aber ist das bei der Klimakrise? Dürfen wir SUVs fahren oder fliegen, auch wenn andere deshalb krank werden, flüchten müssen oder sterben? Dürfen wir weiter so viel Fleisch essen wie heute, auch wenn andere dafür hungern oder fliehen müssen? Müssen wir, um die Klimaerhitzung noch zu stoppen, nicht genauso Rücksicht nehmen und Einschränkungen unserer Freiheit