Der Sichelmond. Massimo Longo. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Massimo Longo
Издательство: Tektime S.r.l.s.
Серия:
Жанр произведения: Зарубежное фэнтези
Год издания: 0
isbn: 9788835428398
Скачать книгу
sie das Buch aufschlug.

      Es war in einer ihr fremden Sprache geschrieben, die Bilder, alle in schwarz-weiß, zeigten seltsame Figuren in Wäldern und bei Vollmond. Viele dieser Figuren waren, gelinde gesagt, Furcht einflößend.

      Gaia gab vor, sie nicht zu bemerken, klappte das Buch sofort wieder zu und warf es in eine Ecke, um ihre Gleichgültigkeit vorzutäuschen.

      „Komm schon, es ist nur ein Zufall, und das ist nur ein altes Buch“.

      Helios war schon wieder in sein Schweigen zurückverfallen, es surrte wieder in seinen Ohren.

      Das Mädchen versuchte, den Bruder abzulenken, obwohl diese gespenstischen Bilder ihr nicht aus dem Kopf gehen wollten.

      „Komm, hilf mir, lass uns diese Kisten ins Licht schieben und fangen wir an, Platz unter dem Oberlicht zu schaffen. Ich möchte unser Bett dort aufstellen. Leider werden wir im selben Bett schlafen müssen und ich möchte beim Einschlafen auf die Sterne schauen.

      Sie arbeiteten den ganzen Vormittag lang und legten dabei ein gutes Tempo vor. Mit ihrem Geplapper gelange es Gaia ihren Bruder, der nach dem Vorfall mit etwas mehr Energie zu reagieren schien, abzulenken.

      Sie verbrachten auch einen Großteil des Nachmittags mit Putzen und Aufräumen, bis Tante Ida sie aufforderte, sich zu waschen, da Ercole am Abend eintreffen würde und das sollte gefeiert werden.

      Libero hatte versprochen, sie zum Tanzen auszuführen, im Dorf sollte das jährliche Erntefest stattfinden.

      Draußen war die Hupe des alten Busses zu hören, der zweimal wöchentlich ins Dorf kam, nachdem er die verschiedenen Ortsteile der Stadt hinter sich gelassen hatte. Die Scouts benutzten ihn, um vom Camp in Tresentieri, einem nahegelegenen Wald, nach Hause zu kommen.

      Libero sprang aus dem Haus, um seinen Bruder, der noch den übergroßen Rucksack auf den Schultern trug, in der ihm typischen Weise zu packen, herumzuwirbeln und zur Haustür zu ziehen, wo er sich, nachdem er sich aus der Umklammerung seines Bruders befreit hatte, in den Armen seiner Mutter wiederfand.

      Ercole freute sich über diesen Ausdruck der Zuneigung, obwohl er es ein wenig übertrieben fand, wo der doch bloß fünf Tage weg gewesen war.

      Er begrüßte Gaia liebevoll mit zwei Küssen auf die Wange, die das sehr nett fand. Seinem Cousin dagegen war nur ein kühles „Hallo“ vorbehalten, da er ihn für das Verschwinden des Fernsehers und vor allem seiner geliebten Videospiele verantwortlich machte.

      Ercole war genauso alt wie Gaia und in allem das Ebenbild seines mythischen Namensgebers: er war groß, muskulös und athletisch gebaut und Mitglied des Wrestling-Teams im Ort.

      Er hatte schwarzes, an den Seiten kurz rasiertes Haar, mit Bürstenschnitt in der Mitte, dunkle Augen und einen olivfarbenen Hautteint. Aber sein „hartes“ Aussehen spiegelte in keiner Weise sein wahres, friedliches Wesen wider, das unfähig war, irgendwelchen Groll zu hegen.

      Sie aßen schon früher zu Abend, um ausreichend Zeit zu haben, sich für das Fest herauszuputzen. Zu früh vielleicht, aber andererseits hatte Tante Ida für den Anlass ein Hochzeitsmahl vorbereitet und man brauchte Zeit, um alle Köstlichkeiten aufzutischen.

      Auf dem Erntefest könnten sie dann alles verdauen.

      Am längsten ließen natürlich die beiden Damen des Hauses wegen ihrer Vorbereitung auf sich warten. Helios hatte wenig Lust, er war so, wie er sich vor dem Frühstück angezogen hatte, schon startklar. Ercole zog eine Jeans an und schmierte sich ein paar Kilo Gel ins Haar, das spurlos darin verschwand.

      Libero war unter den Männern derjenige, der die meiste Zeit benötigte. Er kam erst aus seinem Zimmer, als er fertig war. Er strahlte, er trug eine blaue Caprihose mit einem Hemd darüber, das die Hawaiianer für übertrieben gehalten hätten, ihm aber durchaus gut stand.

      Seine Augen funkelten, dieses Dorffest war eines seiner liebsten.

      Sobald alle fertig waren, versuchte Helios vergeblich, dieser Qual zu entgehen, aber er wurde von der Begeisterung seiner Tante überwältigt, die fast nicht wiederzuerkennen war. Sie trug ein schwarzes Blumenkleid, Schuhe mit Absätzen, offenes Haar und Make-up. Sie hakte sich bei ihm ein und führte ihn aus dem Haus.

      Auf der Straße konnte man neben den herkömmlichen Lichtern und bunten Fähnchen die Dekorationen bewundern, die die Veranstalter des Festes dieses Jahr angefertigt hatten.

      Am Straßenrand schmückten Heuballen in allen nur erdenklichen Formen und Größen das Dorf.

      Im Zentrum war das Denkmal der Gefallenen von riesigen Strohrollen umgeben.

      Auf dem Hauptplatz gab es eine Bühne, auf der die Blaskapelle ihre Instrumente arrangierte.

      Rund um die Tanzfläche standen Stühle, auf denen die älteren Menschen bereits Platz genommen hatten und sich unterhielten, während sie darauf warteten, der Jugend beim Tanzen zuzusehen. Die Jüngsten rannten bereits auf der Tanzfläche herum und imitierten die Großen, die sie bei den Tänzen, die in Kürze beginnen würden, behutsam meiden würden.

      Hauptgesprächsthema an diesem Abend war die Ankunft im Dorf von Gaia und Helios, den Kindern von Carlo und Giulia. Die älteren und erwachsenen Dorfbewohner erzählten sich von den Erinnerungen an die Jahre, die die beiden im Dorf verbracht hatten.

      Wie üblich, gab es einige Ungereimtheiten: die einen hatten die beiden als Draufgänger in Erinnerung, andere als gute Menschen, während die ehemaligen Schulfreunde sich an die geschwänzten Schultage erinnerten, die sie mit Spielen und Faulenzen auf den Feldern verbracht hatten.

      Die einen erkannten in Helios das Gesicht seines Vaters, die anderen in Gaia, andere wieder meinten in keinem der beiden irgendeine Ähnlichkeit zu erkennen und machten die Großeltern dafür verantwortlich.

      Das Blasorchester begann die Instrumente aufzuwärmen. Es war fast alles bereit. Der Moderator oder besser gesagt der Mann, der jedes Jahr die Ansprache hielt, lud die üblichen Amtsträger des Dorfes ein, auf die Bühne zu kommen.

      Schließlich beendete er seine Rede und auch die Danksagungen an die Sponsoren, begleitet vom allgemeinen Desinteresse der Bürger, die anfingen zu gähnen. Jetzt klatschten sie Beifall, in der Hoffnung, dass die Reden beendet waren und das Orchester endlich zum Tanz aufspielen könnte.

      Sobald bekannt wurde, dass der Pseudo-Moderator die Bühne verlassen würde, nahm der Applaus zu. Der Dirigent machte einen kleinen Sprung und mit einer Handbewegung schwenkte er den Dirigentenstab zum Auftakt der Posaunen. Im Takt folgten das Schlagzeug, dann die Saxophone und schließlich die Klarinetten.

      Der erste, der auf die Tanzfläche sprang, war Libero, zusammen mit seiner Lieblingspartnerin, mit der er jedes Jahr den Tanz eröffnete. Entgegen der Vorstellung, die man sich aufgrund der Beschreibung von Libero machen könnte, war er ein anmutiger Tänzer und die Frauen des Dorfes liebten es, jedes Jahr mindestens eine Runde mit ihm auf der Tanzfläche drehen zu können. Das galt sowohl für die jüngeren als auch für die älteren Damen, denen er es nie an Aufmerksamkeit fehlen ließ. Er liebte es zu tanzen und konnte diese Leidenschaft vermitteln, ohne mehr Interesse als tanzen an seinen Tanzpartnerinnen zu haben.

      Die Tanzfläche füllte sich, Gaia erhielt eine Reihe von Tanzaufforderungen, die sie nicht abwies.

      Helios hatte einen Augenblick lang ein seltsames Gefühl, ohne es zu merken, hatte sein Fuß angefangen, im Takt zu wippen.

      Sobald der Tanz unförmlicher wurde und bevor er sich weigern konnte und man sich nur an der Hand halten und drehen brauchte, ergriff Tante Ida seine Hände, die an seinem Körper baumelten, und tanzte mit ihm am Rand der Tanzfläche.

      Seltsamerweise wehrte sich Helios nicht, er spürte einen Augenblick lang, wie ihn der Rhythmus packte, er hatte Spaß und seine Wangen schmerzten bei dieser seltsamen Verrenkung, die seine Gesichtsmuskeln seit Jahren nicht mehr gewohnt waren.

      Er schaffte es, von den Händen seiner Tante an die von mehreren neugierigen Mädchen des Dorfes weitergereicht zu werden, die ihn amüsiert anstarrten.

      Am