Der Sichelmond. Massimo Longo. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Massimo Longo
Издательство: Tektime S.r.l.s.
Серия:
Жанр произведения: Зарубежное фэнтези
Год издания: 0
isbn: 9788835428398
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für einen Moment an den Sonnenuntergang vom Vorabend, an das Gefühl von Frieden, das er in diesen Augenblicken gespürt hatte. Aber das war von kurzer Dauer. Seine Ohren fingen an zu pfeifen, ein stummes, stechendes Pfeifen, das ihm die Seele zerschnitt und ihn in die kalte Realität zurück brachte.

      Helios schleppte sich noch im Pyjama in die Küche, in der Hoffnung, mit dem Frühstück etwas aufzuwachen.

      Tante Ida, sein Cousin und seine Schwester saßen schon fertig angezogen und gekämmt da, als ob es schon acht Uhr morgens und nicht erst fünf Uhr dreißig wäre! Es herrschte eine festliche Stimmung, sein Cousin Ercole sollte heute aus dem Scout Camp nach Haus kommen. Ida freute sich auf die Rückkehr ihres Sohnes. Er war fünf Tage weg gewesen, aber seit Libero damals den Unfall gehabt hatte war sie immer in Sorge, wenn ihre Kinder außer Haus waren und sie würde sie am liebsten nie aus den Augen verlieren wollen.

      Als der Feldwebel Ida den ungehorsamen Helios erblickte, schickte sie ihn rücklinks aus der Küche, um sich zu waschen und anzuziehen.

      Ida war eine energische Frau, die von den Höhen und Tiefen des Lebens gezeichnet war. Nach dem Tod ihres Mannes und den Problemen mit ihrem Sohn musste sie sich einem völlig neuen Lebensstil anpassen, der vollkommen anders als der einer Stadtbewohnerin war, der die ersten Jahre ihrer Ehe geprägt hatte.

      Hart und entschlossen hatte sie sich dieser neuen Herausforderung gestellt. Mehr als einmal war sie auf sich allein gestellt und verzweifelt in Tränen ausgebrochen, aber sie hatte sich nicht unterkriegen lassen.

      Doch sollte man sich von ihrem Auftreten wie ein General nicht täuschen lassen, im Innern war Ida weich wie der flüssige Kern in einem Soufflé.

      Kurz darauf kehrte Helios fertig angezogen und mehr oder weniger ordentlich zurück, obwohl seine Stimmung düster war und er nach wie vor Hunger hatte.

      Es duftete nach Milch und Schokolade, aber vor allem lag noch der Duft der riesigen Plätzchen in der Luft, die seine Tante am Vortag gebacken hatte.

      Riesige Milchgebäck-Zöpfe, die mit verschiedenen Gewürzen wie Zimt, Anis und natürlich seinen heiß geliebten Sesamkernen, die nicht fehlen durften, zubereitet wurden.

      Seine Schwester und Libero tauchten sie bereits in ihre Milch ein.

      Libero fragte ihn:

      „Weißt du, wer heute nach Hause kommt?“

      Helios war erstaunt über die Frage:

      „Wen?“, fragte er.

      „Ercole, mein kleiner Bruder!“

      Helios erwiderte nichts, er hatte seinen gleichaltrigen Cousin völlig vergessen.

      „Wo war er denn?“, fragte er, als hätten sie sich nicht schon am Vortag darüber unterhalten.

      „Wie, wo war er?“ fragte Gaia, „Tante Ida hat es doch gestern erzählt.“

      „Er kommt aus dem Scout Camp nach Hause“, sagte Libero lächelnd.

      „Heute wartet der Dachboden auf euch“, meinte die Tante mit einem Ton, der keine Widerworte duldete. „Beeil dich, Helios, beende das Frühstück und mach dich an die Arbeit. Gaia kommt etwas später nach, um dir zu helfen, sie muss zuerst eine Besorgung für mich erledigen“.

      Helios trank seine Milch in einem Zug aus und fühlte sich erleichtert, dass er für eine Weile allein und in Frieden auf dem Dachboden sein konnte. Er genoss die Vorstellung, sich die Kopfhörer seines geliebten mp3-Players in die Ohren stecken zu können.

      Er suchte nach dem Gerät, konnte es aber nicht finden, also kam er in die Küche zurück und fragte:

      „Hat jemand meinen Player gesehen?“

      „Der ist gestern leider einem Unfall zum Opfer gefallen. Du hattest ihn auf dem Sofa liegen lassen und als ich das Sofa ausgezogen habe, um das Bett für euch herzurichten, ist er in den Ausziehmechanismus geraten ... es ist nicht viel übrig geblieben, aber ich habe die Speicherkarte aufbewahrt“, erzählte Tante Ida, während sie die Karte, von einem Zierteller auf dem nahm holte, um sie ihm zu geben.

      Der Tag hatte wirklich schlecht begonnen, dachte der Junge, stieg mit der ihm typischen Langsamkeit die Leiter zum Dachboden hinauf und schaltete das Licht ein.

      Überall stapelten sich Sachen, der Raum musste geputzt werden und es musste ein Platz geschaffen werden, wo sie die Betten aufstellen konnten - das war ehrlich gesagt zu viel Arbeit für ihn allein. Also beschloss Helios, das große mittlere Fenster zu öffnen, um Luft und Licht herein zu lassen und sich dann irgendwo entspannt hinzusetzen, um auf Gaia zu warten.

      Seine Augen erblickten etwas, das ihn erstarren ließ. Ein Buch auf einer alten Holzkiste, wie das, das der seltsame Mann im Zugabteil gelesen hatte.

      Wirklich eine seltsamer Zufall, das Buch war sicherlich kein aktueller Bestseller, das beunruhigte ihn. Plötzlich ging das Licht aus und Helios hörte eine seltsame Stimme, die ihm wie ein böses Omen Worte in einer fremden Sprache ins Ohr hauchte.

      Obwohl er wusste, dass es unmöglich war, hatte er panische Angst, dass sich der Mann dort im Dunkeln aufhalten könnte. Er suchte nach dem Lichtschalter, konnte das Licht aber nicht wieder einschalten, die Glühbirne musste durchgebrannt sein. Eine tiefe Angst ergriff ihn, während die Stimme immer lauter in seinem Kopf widerhallte. Er versuchte, sich zum Fenster vorzutasten und schleifte dabei alle Gegenstände, die im Weg lagen, mit sich.

      Als er an den Fenstergriff kam, ließ sich das Fenster nicht öffnen, also begann er verzweifelt dagegen zu schlagen, in der Hoffnung, es zu entriegeln.

      Er zitterte, kalter Schweiß war ihm ausgebrochen.

      Plötzlich ging das Licht an, Helios drehte sich schnell um, er hätte schreien wollen, aber die Stimme blieb ihm im Hals stecken.

      Er erblickte Gaia.

      „Helios, geht es dir gut? Was ist das für ein Lärm? Hast du dir weh getan?“

      Der Junge war weiß wie ein Bettlaken, hatte einen verstörten Blick und zitterte.

      Gaia nahm ihn zutiefst besorgt in den Arm und flüsterte:

      „Ist alles gut? Es ist wieder passiert, stimmt´s? Diese seltsame Sache, die dich so verstört ...“

      Helios antwortete nicht und schaute seine Schwester auch nicht an. Er war noch sehr weit weg, gefangen in seinen Gedanken, unfähig, die Wärme ihrer Umarmung zu spüren, so als wäre er aus Stein.

      Langsam löste sich die Umarmung, Helios kam langsam wieder zu sich.

      Als erstes drehte er sich um, um zu sehen, ob das seltsame Manuskript wirklich da lag, wo er es gesehen hatte, oder ob er es nur geträumt hatte.

      Leider lag es noch da, sein Blick wurde wieder eiskalt.

      Gaia, die die ganze Szene beobachtet hatte, näherte sich, um danach zu greifen und heraus zu finden, ob es wirklich der Grund für die Furcht ihres Bruders war. Sie beobachtete Helios Blick und das Buch.

      Helios schaute genau dorthin, sie drehte sich um und griff danach, drehte sich dann mit dem Buch in der Hand zu ihm um und fragte:

      „Ist es das, was dich so beunruhigt?“

      Helios schwieg.

      „Rede mit mir, Helios. Ich kann dir nicht helfen, wenn du nicht mit mir redest.“

      „Der Zug“, flüsterte Helios.

      „Der Zug, was bedeutet das, der Zug?“

      „Ich sah eine Ausgabe von diesem Buch im Zug“.

      „Was findest du daran seltsam?“

      „Da saß ein komischer Kerl in der Sitzreihe Reihe neben mir, als ihr im Restaurantwagen wart.“

      „Viele Leute lesen, wenn sie unterwegs sind.“

      „Aber das ist kein gewöhnliches Buch, siehst du es denn nicht?“ erwiderte Helios aufgeregt.