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Darüber hinaus wird der Begriff der genetischen Daten in ErwG 34 näher erläutert. Danach sollen diese als personenbezogene Daten über die ererbten oder erworbenen genetischen Eigenschaften einer natürlichen Person definiert werden, die aus der Analyse einer biologischen Probe der betreffenden natürlichen Person, insbesondere durch eine Chromosomen-, Desoxyribonukleinsäure (DNS)- oder Ribonukleinsäure (RNS)-Analyse oder der Analyse eines anderen Elements, durch die gleichwertige Informationen erlangt werden können, gewonnen werden.
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§ 3 Nr. 11 GenDG definiert genetische Daten als „durch eine genetische Untersuchung oder im Rahmen einer genetischen Untersuchung durchgeführte Analyse gewonnener Daten über genetische Eigenschaften“ und ist damit enger als die Regelung des Art. 4 Nr. 13, indem er in erster Linie auf die ererbten Eigenschaften einer natürlichen Person abstellt.[123]
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Wie oben (vgl. Rn. 9 ff.) bereits erwähnt, stellte Art. 8 DSRL pauschal auf die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten ab, ohne dabei die besonderen Datentypen näher zu beleuchten. Demgegenüber nehmen die Art. 4 Nr. 13, 14[124] und 15[125] (genetische Daten, biometrische Daten und Gesundheitsdaten) nunmehr eine begriffliche Präzisierung vor.[126] Diese Datenkategorien finden sich dementsprechend in Art. 9 Abs. 1 wieder. Insofern ist das Zusammenspiel von Art. 4 Nr. 13–15 hinsichtlich der Begrifflichkeiten und Art. 9 hinsichtlich der Datenverarbeitung für das Verständnis der Reichweite des Schutzes der genetischen Daten im Gefüge der DS-GVO wesentlich.
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Art. 9 Abs. 1 steht somit in einem unmittelbaren systematischen Kontext zu den Begriffsbestimmungen aus Art. 4 Nr. 13, 14 und 15. Daraus lassen sich folgende Aussagen im Wege der Auslegung ermitteln: Art. 4 Nr. 13 ordnet Informationen über die Physiologie oder die Gesundheit der Begriffsdefinition der genetischen Daten unter. Daraus folgt, dass genetische Daten auch zugleich biometrische Daten (nach Art. 4 Nr. 14) oder Gesundheitsdaten (nach Art. 4 Nr. 15) sein können (z.B. im Falle von spezifischen Erbmerkmalen und daraus folgenden Krankheitsdispositionen), sich aber in der Regel von Gesundheitsdaten dadurch abgrenzen, dass sie Merkmale beinhalten, aufgrund derer die Daten einen einzigartigen Datenbestand darstellen.[127] Für Art. 9 Abs. 1 ist es dabei für die Praxis freilich unerheblich, unter welche Datenkategorie des Abs. 1 sich bestimmte Daten fassen lassen.
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Die Aufnahme der genetischen Daten in den Katalog des Art. 9 Abs. 1 beinhaltet, dass es sich bei genetischen Daten zunächst um personenbezogene Daten nach Art. 4 Nr. 1[128] handeln muss. Somit sind Daten, die ursprünglich zu wissenschaftlichen Forschungszwecken erhoben, aber nunmehr anonymisiert wurden, nicht erfasst.[129] Ererbte Eigenschaften sind dabei solche, die die natürliche Person von Geburt an bzw. bereits im pränatalen Stadium in sich trägt (etwa Erbinformationen). Erworbene Eigenschaften sind demgegenüber solche, die die natürliche Person im Anschluss an die Geburt erwirbt (etwa aufgrund äußerlicher Umwelteinflüsse).[130]
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Darüber hinaus ist ein besonderer Schutz genetischer Daten eine Grundvoraussetzung für die Wahrung des Gleichheitsprinzips sowie des Rechts auf Gesundheit. Denn wegen der o.g. besonderen Merkmale und Eigenschaften genetischer Daten bergen diese ein besonders hohes Risiko für Diskriminierungen.[131] So ist der Schutz genetischer Daten eng mit dem Verbot verknüpft, diese an Dritte weiterzugeben, die diese Daten in diskriminierender Weise gegen die betroffene natürliche Person verwenden könnten.[132] Dies hat seinen Ausdruck in Art. 21 der Europäischen Grundrechtecharta, in Art. 11 des Übereinkommens über Menschenrechte und Biomedizin des Europarates sowie in Art. 6 der Allgemeinen Erklärung über Bioethik und Menschenrechte der UNESCO gefunden, die dementsprechend eindeutige Diskriminierungsverbote bei der Nutzung genetischer Daten statuieren.
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Daher bedürfen genetische Daten einem besonderen Schutz, da ihre unzulässige Verarbeitung mit besonders hohen Risiken für den Betroffenen verbunden ist. Vorkehrungen in diesem Sinne werden durch Art. 9 dahingehend getroffen, dass Verarbeitungen genetischer Daten nur unter strengen Vorgaben erfolgen dürfen.
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Anwendungsbeispiele für die Verarbeitung genetischer Daten können etwa Biodatenbanken, aber auch klinische Prüfungen sein, vgl. dazu Rn. 93.
bb) Biometrische Daten
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Als weitere Datenkategorie benennt Art. 9 Abs. 1 die biometrischen Daten.
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Nach Art. 4 Nr. 14[133] sind biometrische Daten mit speziellen technischen Verfahren gewonnene personenbezogene Daten zu den physischen, physiologischen oder verhaltenstypischen Merkmalen einer natürlichen Person, die die eindeutige Identifizierung dieser natürlichen Person ermöglichen oder bestätigen, wie Gesichtsbilder oder daktyloskopische Daten. Zur näheren Bestimmung des Begriffs der biometrischen Daten kann auch das nach ISO/IEC JTC SC37[134] international standardisierte biometrische Vokabular herangezogen werden.[135] Hierbei ist allerdings zu beachten, dass der Begriff des biometrischen Datums unter Umständen von dem Begriffsverständnis der DS-GVO abweichen kann. Insofern kann das biometrisch standardisierte Vokabular lediglich ergänzend und flankierend zur DS-GVO herangezogen werden.[136]
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Hinsichtlich der Systematik ist zu beachten, dass Art. 9 Abs. 1 eine enge Verbindung zur Begriffsdefinition der biometrischen Daten aus Art. 4 Nr. 14 aufweist. So enthält Art. 4 Nr. 14 Aussagen zu Inhalt und