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Bei Sukzessivlieferungsverträgen zieht sich die Lieferung über längere Zeit hinweg. Möglich ist zum einen, dass die Lieferung ratenweise durch Teilleistungen erbracht wird.[54] So liegt es beispielsweise bei einem Kaufvertrag über 60 Weinkisten, von denen 20 am 1.1., 20 am 1.3. und weitere 20 am 1.5. geliefert werden sollen. Solche Verträge nennt man auch Ratenlieferungsverträge. Zum anderen liegt ein Sukzessivlieferungsvertrag vor, wenn die Parteien vereinbaren, dass einzelne Lieferungen je nach Bedarf auf Abruf bis zu einer bestimmten Höchstmenge erfolgen sollen. § 266 ist bei ihnen ausdrücklich oder konkludent abbedungen, so dass der Schuldner ausnahmsweise zu Teilleistungen berechtigt (und sogar verpflichtet!) ist. Sukzessivlieferungsverträge sind nach hM keine Dauerschuldverhältnisse iSd § 314.[55]
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Bei Bezugsverträgen vereinbaren die Parteien, dass die konkrete Liefermenge erst später bestimmt wird. Dazu gehören Versorgungsverträge über Energie oder Wasser. Auch in der Gastronomie sind solche Bezugsverträge etwa bei Bier üblich (Bierlieferungsvertrag):[56] Die Wirtin ist zum Bezug des Biers bei einer bestimmten Brauerei (die oft den Betrieb der Gaststätte durch Darlehen oder Sachleistungen mitfinanziert) verpflichtet; die konkrete Abnahmemenge steht aber noch nicht fest, vielmehr ruft die Wirtin die jeweils benötigte Menge Bier nach Bedarf ab. Bezugsverträge werden nach hM als Dauerschuldverhältnisse von § 314 erfasst.[57] Das lässt sich damit begründen, dass im Gegensatz zu Ratenlieferungsverträgen bei Bezugsverträgen der konkrete Leistungsumfang noch nicht von Anfang an feststeht.[58]
Anmerkungen
Als „Schuldner“ und „Gläubiger“ bezeichne ich im Folgenden stets alle Geschlechtsidentitäten.
Näher zu den Hintergründen und zur Entstehung der Norm MünchKomm/Bachmann, BGB8, § 241 Rn 1.
Hohfeld, Fundamental Legal Conceptions as Applied in Judicial Reasoning and other Legal Essays (1923), S. 38.
Näher dazu oben Rn 49 ff.
Dazu oben Rn 51 ff.
MünchKomm/Bachmann, BGB8, § 241 Rn 4; krit. zum Begriff des Schuldverhältnisses i.e.S. PWW/Schmidt-Kessel/Kramme, BGB13, § 241 Rn 4.
Näher zur Pflicht, Ersatzteile vorzuhalten, etwa MünchKomm/Ernst, BGB8, § 280 Rn 118; BeckOK/Sutschet, BGB51, § 241 Rn 102; Hk/Saenger, BGB10, § 433 Rn 11; Nietsch JZ 2014, 229.
Vgl MünchKomm/Ernst, BGB8, § 280 Rn 118; BeckOK/Sutschet, BGB51, § 241 Rn 102; zum Rückruf bereits vermarkteter Produkte MünchKomm/Wagner, BGB7, § 823 Rn 846 ff.
Vgl etwa BGHZ 80, 186, 191 = NJW 1981, 1603 (Derosal); BGHZ 80, 199, 202 = NJW 1981, 1606 (Benomyl).
Näher dazu Droste CCZ 2015, 105; aus der Rechtsprechung vgl etwa BGHZ 99, 167 (Honda).
Dazu oben Rn 59 f.
Arnold, Vertrag und Verteilung (2014), S. 7-11.
Einzelheiten zum Schadensrecht werden in den §§ 13 und 14 behandelt.
Dazu näher unten Rn 836.
Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 (BGBl. I S. 3138).
Einzelheiten der culpa in contrahendo werden in § 11 behandelt.
Staudinger/Olzen, BGB (2015), Einl vor § 241 Rn 12 ff; Lieder JuS 2011, 874, 875; Gernhuber, Das Schuldverhältnis (1989), § 1 I 4 (S. 3); beispielsweise ist der Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 nach der Rechtsprechung des BGH auf den Herausgabeanspruch des § 985 anwendbar, vgl BGH NJW 2016, 3235.
MünchKomm/Bachmann, BGB8, § 241 Rn 6; Medicus/Lorenz, SR AT21, Rn 6; Picker, FG 50 Jahre BGH (2000) 693, 718 ff.
Eingehend Riehm, Der Grundsatz der Naturalerfüllung (2015), S. 404 ff.
Riehm, Der Grundsatz der Naturalerfüllung (2015), S. 405.
BGH NJW 2016, 3235.
Kaiser NJW 2016, 3239.
Zu diesen Ansprüchen unten