117
Die Kontaktaufnahme durch die Verteidigung nach Abschluss der Ermittlungen und vor Zulassung der Anklage: Die Anregung einer Einstellung des Strafverfahrens ist auch dann noch sinnvoll, wenn bereits Anklage erhoben wurde. Oft beauftragt der/die Mandant/in nämlich erst dann die Verteidigung, weil man zuvor überhaupt nicht mit der Möglichkeit rechnete, dass so weitreichende Folgen eintreten könnten. Dabei ist immer von der Verteidigung zu beachten, ob man sich noch im Zwischenverfahren nach §§ 199 ff. StPO befindet. Denn wenn noch keine Entscheidung über die Zulassung der Anklage getroffen wurde, kann im Zwischenverfahren angeregt werden, die Anklage nicht zuzulassen und das Strafverfahren doch einzustellen.
118
Die Kontaktaufnahme durch die Verteidigung nach Zulassung der Anklage: Ist die Anklage zur Hauptverhandlung gemäß §§ 203, 207 StPO schon zugelassen, müsste eigentlich die Hauptverhandlung durchgeführt werde; denn eine einmal zugelassene Anklage kann gemäß § 156 StPO nicht mehr zurückgenommen werden; allerdings ist anerkannt, dass zum Zweck, das Strafverfahren nach §§ 153, 153a StPO einzustellen, die Staatsanwaltschaft „ihre“ Anklage zurücknehmen darf.[4]
119
Die Kontaktaufnahme durch die Verteidigung nach Zulassung der Anklage und Bestimmung eines Hauptverhandlungstermins: Selbst dann, wenn bereits ein Hauptverhandlungstermin durch das Gericht bestimmt wurde, kann es im Einzelfall sinnvoll sein, zuvor (vgl. dazu auch Rn. 28) noch (nach Akteneinsicht) eine schriftliche Einlassung abzugeben bzw. eine Verteidigungsschrift zur Strafakte zu reichen mit dem Ziel, eine Einstellung des Strafverfahrens ohne den Termin zur Hauptverhandlung zu erreichen.
120
Die Kontaktaufnahme durch die Verteidigung nach Erlass eines Strafbefehls: Im Strafbefehlsverfahren muss gemäß § 411 Abs. 1 Satz 2 StPO zwingend ein Hauptverhandlungstermin durchgeführt werden, um doch noch eine Einstellung des Strafverfahrens zu erreichen. Diesen Termin kann der Verteidiger jedoch auf Wunsch des älteren Mandanten ohne dessen Anwesenheit als mit schriftlicher Vollmacht versehener Vertreter gemäß § 411 Abs. 2 Satz 1 StPO wahrnehmen.
121
Zu beachten ist aber unbedingt die Regelung des § 236 StPO, wonach das persönliche Erscheinen des/der Angeklagten immer angeordnet werden kann. Gegen diese Anordnung gibt es gemäß § 305 Satz 1 StPO keinen Rechtsbehelf, aber ein Antrag im Sinne einer Gegenvorstellung, das Ermessen des Gerichts neu auszuüben, z.B. wenn die Verteidigung mitteilt, der/die Anklagte werde sich im Hauptverhandlungstermin sowieso auf das Schweigerecht berufen. Kommt der/die Mandantin nicht, ist die Rechtsfolge streitig, entweder die Anordnung von Zwangsmitteln nach § 230 StPO oder doch die Abwesenheitsverhandlung.[5]
Auch auf § 408a StPO wird verwiesen. Danach kann im Anklageverfahren im Hauptverhandlungstermin, zu dem der/die ältere Mandant/in nicht erscheint und das Ausbleiben auch nicht entschuldigt, ein Strafbefehl im Termin erlassen werden, was dann zwar eine Verurteilung darstellt, jedoch z.B. eine Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß §§ 69,69a StGB entfallen lassen kann. Wegen der Regelung des § 230 StPO, wonach bei Ausbleiben des Angeklagten auch Haftbefehl ergehen oder die Vorführung angeordnet werden kann, bedarf diese Vorgehensweise der sorgfältigen Verständigung vorab mit Gericht und Staatsanwaltschaft.
122
Bei allen Konstellationen gilt, dass das Gericht, welches bis dahin allein nach Aktenlage den Sachverhalt beurteilt hat und sich allein auf die bisherigen Feststellungen durch die Staatsanwaltschaft verlassen muss und überhaupt noch keine Argumente aus Sicht der Verteidigung kannte, möglicherweise die Anregung einer Verfahrenseinstellung noch vor der Hauptverhandlung aufgreift, da dieses auch eine Arbeitserleichterung bedeutet. Ggf. nimmt das Gericht dann schon von sich aus oder auch auf die von der Verteidigung schriftlich formulierte Anregung hin telefonisch oder durch Rücksendung der mit einem entsprechenden Vermerk versehenen Akte mit der Staatsanwaltschaft Kontakt auf, damit doch noch eine Einstellung des Strafverfahrens vor der Hauptverhandlung erzielt werden kann.
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Schließlich sollte die Verteidigung auch die Möglichkeit bedenken, eine Einstellung des Verfahrens nach den §§ 154, 154a StPO (mit Rücksicht auf eine – schon relativ hohe – Bestrafung wegen einer anderen Tat oder eines Tatteils oder im Hinblick auf eine eventuell drohende Disziplinarstrafe [z.B. mit Beförderungsverbot[6]]) anzuregen.[7] Diese Anregung, kann schon während des Ermittlungsverfahrens oder erst in der Hauptverhandlung gegeben werden.
Anmerkungen
Vgl. zu diesen u.a.: Himmelreich DAR 1985, 201; 1990, 447; NZV 1992, 196; DAR 1995, 12.
Vgl. dazu u.a. Himmelreich NZV 1992, 169 (170).
Vgl. hierzu u.a.: Mahlberg in: Himmelreich/Halm, Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht, Kap. 35, Rn. 202 ff.; vgl. auch Rn. 477 ff.; zu Nachschulung, Therapie und Verkehrstherapie.
Vgl. Meyer-Goßner/Schmitt § 156, Rn. 5.
Vgl. Meyer-Goßner/Schmitt § 236 Rn. 8 m.w.N.
Vgl. hierzu z.B. BVerwG NJW 1992, 1403.
Zur Einstellung gem. § 153b StPO vgl. Rn. 322 f.
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