(2) Beteiligt an einem Verkehrsunfall ist jede Person, deren Verhalten nach den Umständen zum Unfall beigetragen haben kann.
(3) Unfallspuren dürfen nicht beseitigt werden, bevor die notwendigen Feststellungen getroffen worden sind.
Teil 1 Verteidigungsstrategien zur Vermeidung von Anklage und Verurteilung
Inhaltsverzeichnis
I. Erstes Gespräch zwischen Verteidigung und Mandant/in
II. Vorläufiger Verlust des Führerscheins, die richtigen Rechtsbehelfe
III. Maßnahmen gegen einen Gerichtsbeschluss über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gem. § 111a StPO
IV. Akteneinsicht und zweites Gespräch der Verteidigung mit dem/der Mandanten/in
V. Kontaktaufnahme der Verteidigung mit der Staatsanwaltschaft; Anfertigung einer Verteidigungsschrift (auch „Schutzschrift“ oder „Einlassung“)
VI. Strategie bei möglichen führerscheinverwaltungsrechtliche Folgen der Fahrerlaubnis-Behörde nach Beendigung des Strafverfahrens
VII. Mögliche kfz-versicherungsvertraglichen Folgen nach Beendigung des Strafverfahrens, Regress der eigenen Kfz-Haftpflichtversicherung gegen den/die Mandaten/in
VIII. Verteidigung älterer Verkehrsteilnehmer
IX. Frühzeitiges Einschalten eines Sachverständigen durch die Verteidigung
X. Wahlgegenüberstellung/Wahllichtbildvorlage/Wiedererkennen
Teil 1 Verteidigungsstrategien zur Vermeidung von Anklage und Verurteilung › I. Erstes Gespräch zwischen Verteidigung und Mandant/in
1. Information des/der Mandanten/in
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Das erste Gespräch der Verteidigung mit einem/r Mandanten/in, der/die beschuldigt wird, Verkehrsunfallflucht begangen zu haben, erfordert zunächst ein gewisses psychologisches Geschick, insbesondere weil Beschuldigte einer Verkehrsstraftat aus allen Bevölkerungsschichten stammen können, im Regelfall im Umgang mit der Polizei und der Justiz unerfahren sind und ohne Beistand bisweilen naiv und kontraproduktiv agieren. Außerdem blenden viele Mandanten die kfz-versicherungsvertraglichen und möglichen führerscheinverwaltungsrechtlichen Konsequenzen des Strafverfahrens aus. Eine Mehrzahl der Kraftfahrer, die wegen dieser Beschuldigung anwaltlichen Rat suchen, sind subjektiv davon überzeugt, völlig unschuldig zu sein, und äußern sich sinngemäß daher: „Ich habe einen Zusammenstoß nicht bemerkt“, „Der andere hatte gar Nichts an seinem Auto“, „Ich war an dem Unfall doch nicht schuld“ oder „Ich hatte einen wichtigen Termin und es eilig“, usw. Eine wesentliche und zugleich undankbare Aufgabe der Verteidigung ist es, dem/der Mandanten/in zu erklären, weshalb der Vorwurf der Ermittlungsbehörden nicht so völlig aus der Luft gegriffen sein könnte, sondern ein Anfangsverdacht möglicherweise zu Recht zunächst besteht, aber natürlich noch nicht zwingend eine Verurteilung bedeutet; weiter muss trotz des für den/die Mandanten/in im Vordergrund stehenden Strafverfahrens im Rahmen einer umfassenden Beratung nicht vergessen werden, auch und insbesondere auf die Schadenmelde- und Schadenaufklärungspflicht gegenüber der eigenen Kfz-Haftpflichtversicherung anlässlich des Verkehrsunfalls hinzuweisen. Sollte anlässlich des Strafverfahrens die Gefahr einer Quermitteilung nach § 2 Ab. 2 StVG bestehen, z.B. bei älteren Verkehrsteilnehmern (vgl. Rn. 111 ff.), Krankheiten, Medikamentenkonsum usw., kann auch schon bedächtig angemahnt werden, entsprechende Schreiben der Führerscheinstelle nicht in Eigenregie zu beantworten, ggf. sogar schon erste Strategien wegen der Bedenken an der Fahreignung zu entwickeln. Das Geschick der Verteidigung besteht darin, sich einerseits für die Probleme des/der Mandanten/in hinreichend zu interessieren und zuzuhören, aber andererseits, das Mandat wirtschaftlich, strategisch und erfolgreich zu entwickeln. Der/die Mandant/in muss sich verstanden und nicht allein gelassen fühlen und das Mandat muss mit dem ersten Gespräch umfassend und erschöpfend aufgestellt sein.
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Wegen der für die meisten Kraftfahrer/innen bestehenden Schwierigkeit, die Bedeutung der Vorschrift des § 142 StGB zu erfassen, empfiehlt es sich, dem/der Mandanten/in auch eine schriftliche Information über die „Verkehrsunfallflucht“ mit allen auch kfz-versicherungsvertraglichen und eventuell führerscheinverwaltungsrechtlichen Konsequenzen zu überreichen bzw. per Mail zukommen zu lassen. Ein solches Vorgehen hat den Vorteil, dass die Verteidigung einerseits Zeit einsparen kann, weiter sich absichert umfassend beraten zu haben und andererseits der/die Mandant/in alle möglichen Einzelheiten des Tatvorwurfs der Verkehrsunfallflucht nachvollziehen kann.
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Eine solche Informationsschrift zur Unfallflucht befindet sich als Muster 8 im Anhang, vgl. Rn. 669.
2. Checkliste zur Erforschung des Sachverhalts und Strategien zur Schadenregulierung/Schadenreduzierung durch den/die Mandanten/in
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Über die Mandatsbearbeitung und die Verteidigung in Verkehrsstrafsachen lassen sich keine zwingend festen Regeln aufstellen. Jeder Fall ist anders. Die eigentliche Mandatserteilung in Verkehrsstrafsachen wird in der Regel im Rahmen eines ersten Mandantengesprächs stattfinden, ggf. hat der Mandant bereits Schriftverkehr zum Vorwurf erhalten. Um von Anfang an eine erfolgversprechende Verteidigungsstrategie zu entwickeln, ist es zwingend geboten, bereits beim ersten Gespräch zwischen Verteidigung und Mandant/in den Sachverhalt zum Strafvorwurf so umfassend wie möglich zu erforschen. Die Tätigkeit der Verteidigung beginnt im Regelfall damit, dass der/die Mandant/in von Ermittlungen wegen eines Strafverfahrens Kenntnis erlangt hat und um Beistand nachsucht. Auch wenn Fallkonstellationen denkbar sind, dass der/die Mandant/in unmittelbar nach einem Besuch durch die Polizei oder nach einem Unfall die Verteidigung anspricht, so dürfte doch die Zustellung eines Schreibens des Verkehrskommissariats, der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts, die Aushändigung dieses Schreibens an die Verteidigung und die anschließende Frage, was zu tun sei, der Regelfall sein. Damit Alles abgefragt wird und nichts