Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz / Verwaltungszustellungsgesetz. Eva-Maria Kremer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eva-Maria Kremer
Издательство: Bookwire
Серия: Heidelberger Kommentar
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783811406292
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als „Verwaltungsakt“, so ist gegen die so umgestaltete Rechnung die Anfechtungsklage statthaft. Das gebietet die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG (BVerwG U 26.6.1987 – 8 C 21/86, juris = BVerwGE 78, 3).

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      Im Fall von Zweifeln am Inhalt eines Verwaltungsaktes gilt die allgemeine Regel des § 133 BGB. Sie ist im öffentlichen Recht entsprechend anzuwenden (vgl. Palandt, § 133 Rn. 4; Forsthoff, S. 161; BVerwG U 2.9.1999 – 2 C 22/08, juris Rn. 43 = BVerwGE 109, 283 (288); BVerwG U 26.8.2010 – 3 C 35/09, juris Rn. 12 = BVerwGE 137, 377 (378)). Danach ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Das den Betroffenen weniger belastende Auslegungsergebnis ist vorzuziehen (BFH U 18.2.1997 – VII R 96/95, juris = NVwZ-RR 1997, 571; BVerwG U 27.6.2012 – 9 C 7/11, juris Rn. 10 ff. = NVwZ 2012, 1413 (1414 f.); BVerwG U 20.6.2013 – 8 C 46/12, juris = DÖV 2014, 35).

      Bei Willenserklärungen der Behörde kommt es allein darauf an, wie der Betroffene sie bei verständiger Würdigung nach Treu und Glauben verstehen konnte (BVerwG U 28.2.1961 – 1 C 54/57, juris Rn. 30 = BVerwGE 12, 87 (91); BVerwG B 13.9.1999 – 11 B 14/99, juris = NVwZ-RR 2000, 135; OVG Schleswig U 7.7.1999 – 2 L 264/98, juris = NJW 2000, 1059; BFH B 25.8.1981 – VII B 3/81, juris = BFHE 134, 97; BFH U 8.2.2007 – IV R 65/01, juris = BFHE 216, 412, Bestätigung von BFHE 211, 387). Gleiches gilt für Willenserklärungen des Bürgers gegenüber der Behörde (BVerwG U 12.12.2001 – 8 C 17/01, juris = BVerwGE 115, 302; OVG Greifswald B 4.3.2002 – 2 L 170/01, juris = NVwZ-RR 2003, 5; OVG Weimar B 26.7.2002 – 4 EO 331/02, juris = NVwZ-RR 2003, 232; VGH Mannheim U 28.4.2010 – 2 S 2312/09, juris, DVBl. 2010, 1583 L).

      Die Auslegung ist auch vorzunehmen, wenn ein beliehener Unternehmer als Behörde im Sinne von § 1 Abs. 4 VwVfG tätig wird. Das kann zum Beispiel ein Prüfingenieur für Baustatik sein (Rn. 14). Er erlässt den Leistungsbescheid.

      Für die Annahme eines Verwaltungsaktes in Abgrenzung von einem Nichtakt (Scheinverwaltungsakt) gilt die Auslegungsregel des § 133 BGB in gleicher Weise. So ist in folgendem Fall ein Verwaltungsakt zu bejahen: Ein Gebührenbescheid weist eine Behörde als Entscheidungsträger aus. Intern hat jedoch ein Privater als vertraglicher Geschäftsbesorger der Behörde die Maßnahme getroffen (BVerwG U 23.8.2011 – 9 C 2/11, juris Rn. 9 ff. = NVwZ 2012, 506 (507)).

      Als Geschäftsbesorger ist ein Privater kein beliehener Unternehmer. Denn er handelt lediglich nachgeordnet im Hoheitsbereich einer Behörde als deren fachkundiger Unterstützer. Dagegen wird ein beliehener Unternehmer innerhalb seines Aufgabengebietes selbstständig als Behörde tätig.

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      Übrigens ist im umgekehrten Fall die Behörde verpflichtet, eine Willenserklärung des Bürgers gegenüber der Behörde sorgfältig auszulegen. So hat sie neben dem Wortlaut eines Antrags auch zu berücksichtigen, ob der Antragsteller mit seiner Erklärung nicht einen anderen Sinn verbunden hat, als es dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht. Dies gilt, wenn der Zweck des Antrags und erkennbare Begleitumstände die Auslegung erforderlich machen (BVerwG U 3.3.2005 – 2 C 13/04, juris = NVwZ-RR 2005, 591). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Betroffene denjenigen Verwaltungsakt anfechten will, welcher angefochten werden muss, um zu dem erkennbar angestrebten Erfolg zu kommen (BFH U 8.5.2008 – VI R 12/05, juris = NVwZ-RR 2009, 190; BGH U 20.11.2012 – X ZR 108/10, juris = MDR 2013, 136).

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      Richtet sich der Leistungsbescheid an einen Haftungsschuldner oder an einen Duldungsschuldner, so hat die Behörde zur Klarstellung in ihrem Bescheid auch den Namen des Selbstschuldners anzugeben. Das gebietet die Begründungspflicht des § 39 Abs. 1 VwVfG.

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      Bei juristischen Personen sind entsprechend § 12 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG deren gesetzliche Vertreter im Leistungsbescheid zur Zahlung aufzufordern. Für die Zustellung gilt § 6 Abs. 1–4 VwZG (VwZG, § 6 Rn. 11 ff.).

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      Haftet eine nicht rechtsfähige Personenmehrheit gesamtschuldnerisch, zum Beispiel Eheleute, Miteigentümer, Gesellschafter, Erbengemeinschaft, muss jeder Betroffene eine gesonderte, für ihn selbst bestimmte Ausfertigung des Leistungsbescheides erhalten. Der Bescheid kann nämlich nur gegenüber demjenigen, „für den er bestimmt ist“, mit der Bekanntgabe oder Zustellung rechtswirksam werden. Das folgt aus § 43 Abs. 1 S. 1, § 41 Abs. 5 VwVfG (VwZG, § 2 Rn. 14, § 3 Rn. 14). Hier liegen für die Verwaltungspraxis gefahrträchtige Fehlerquellen. Man denke an die Folgen einer Verjährung, etwa bei Erschließungsbeiträgen oder Kosten der Ersatzvornahme.

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      Gemäß § 37 Abs. 3 VwVfG muss ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt die Unterschrift oder Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder Beauftragten enthalten. Nach dieser Vorschrift ist die Namenswiedergabe auch bei einem elektronischen Verwaltungsakt unerlässlich.

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      Für alle Rechtsgebiete ist darauf hinzuweisen, dass eine Unterschrift „rechtsverbindlich“ ist, wenn sie von einer Person stammt, die dazu berechtigt ist (BGH U 20.11.2012 – X ZR 108/10, juris = MDR 2013, 136).

      Es gibt zwei Arten der Unterschrift. Die erste Art ist der eigenhändige Schriftzug des vollen Familiennamens. Der Vorname kann dem Familiennamen vorangestellt werden. Eine Unterschrift nur mit dem Vornamen, wie bei Ausländern mitunter üblich, ist ungültig (BGH U 25.10.2002 – V ZR 279/01, juris =NJW 2003, 1120). Die eigenhändige Unterschrift gewährleistet, dass nicht nur ein Entwurf, sondern eine gewollte Erklärung vorliegt, dass die Erklärung von einer bestimmten Person herrührt und diese für den Inhalt die Verantwortung übernimmt (BVerwG U 5.6.1974 – 8 C 1/74, juris = NJW 1974, 2101).

      Der Familienname muss als Name erkennbar sein. Dazu gehört, dass mindestens einzelne Buchstaben deutlich sind. Sonst fehlt es an dem Merkmal einer Schrift überhaupt. Das Schriftzeichen muss also ausreichende individuelle Merkmale aufweisen (vgl. BGH U 11.2.1982 – III ZR 39/81, juris = NJW 1982, 1467; BFH B 16.1.1986 – III R 50/84, juris = NJW 1987, 343).

      Insoweit erkennt das BVerwG (B 11.9.1978 – 7 B 173/78, juris = VerwRspr. 30, 880): Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass die Lesbarkeit der Unterschrift nicht erforderlich ist. Vielmehr genügt ein individueller Schriftzug, der die Individualität des Unterzeichners ausreichend kennzeichnet, einmalig ist und entsprechende charakteristische Merkmale einer Unterschrift aufweist; vgl.:

BGH U 10.7.1997 – IX ZR 24/97, juris = NJW 1997, 3380;
BGH B 27.9.2005 – VIII ZB 105/04, juris = NJW 2005, 3775;
BGH U 11.10.2005 – XI ZR 398/04, juris = NJW 2005, 3773;
BFH U 23.6.1999 – X R 113/96, juris = NJW 2000, 607;
BAG B 30.8.2000 – 5 AZB 17/00, juris = NJW 2001, 316.

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      Angesichts mangelnder