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Lösung zu Fallbeispiel 2 EU-Agrarbeihilfen – Datenschutz nach der GrCh (Rn. 47)
VO ungültig, wenn sie Grundrechte der GrCh verletzt | ||||||
A. | Art. 7 GrCh – Schutz des Privatlebens | |||||
I. | Anwendungsbereich eröffnet? | |||||
→ | Privatleben ist weit auszulegen, umfasst auch das Berufsleben (folgt aus Art. 52 Abs. 3 GrCh i.V.m. Rechtsprechung des EGMR zu Art. 8 EMRK) | |||||
→ | Agrarbeihilfen = großer Teil der Einkünfte der Beihilfenempfänger | |||||
→ | Angaben zur Höhe der Agrarsubventionen lassen Rückschlüsse auf Einkünfte der Beihilfenempfänger zu | |||||
→ | Zugriff Dritter auf Veröffentlichung der Agrarbeihilfen führt zum Eindringen in Privatleben der Empfänger | |||||
→ | Eröffnung des Gewährleistungsbereichs des Art. 7 GrCh (+) | |||||
II. | ABER: Eindringen in Privatleben resultiert aus Übermittlung und Veröffentlichung der Daten der betroffenen Personen | |||||
→ | Art. 8 Abs. 1 GrCh prüfen! | |||||
→ | EuGH in diesem Fall: Art. 8 Abs. 1 GrCh stellt Konkretisierung des Art. 7 GrCh dar (zuletzt allerdings parallele Anwendung beider Grundrechte) | |||||
B. | Art. 8 Abs. 1 GrCh – Schutz personenbezogener Daten | |||||
I. | Ist jur. Person (hier: GmbH) im Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 GrCh grundrechtsberechtigt? | |||||
→ | Datenschutzgrundrecht entspringt den höchstpersönlichen Rechten | |||||
→ | Datenschutzgrundrecht schützt jedoch juristische Personen, sofern es auf diese anwendbar ist | |||||
→ | Informationen über Beihilfezahlungen an eine jur. Person sind im konkreten Fall Geschäftsdaten, NICHT personenbezogene Daten | |||||
→ | Meyer-GmbH nicht grundrechtsberechtigt a.A. vertretbar → EuGH: juristische Personen grundrechtsberechtigt, soweit der Name der jur. Person eine oder mehrere natürliche Personen bestimmt | |||||
II. | Anwendungsbereich eröffnet? | |||||
→ | Zur Veröffentlichung vorgeschriebene Daten sind im Hinblick auf natürliche Personen personenbezogene Daten i.S.v. Art. 8 Abs. 1 GrCh | |||||
→ | Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GrCh (+) | |||||
III. | Einschränkung des Anwendungsbereichs? | |||||
→ | Vorgeschriebene Veröffentlichung der personenbezogenen Daten auf einer Website = Verarbeitung personenbezogener Daten i.S.v. Art. 8 Abs. 2 GrCh | |||||
ABER: Einschränkung des Anwendungsbereichs ausgeschlossen, da Einwilligung gemäß Art. 8 Abs. 2 GrCh bei Antragsstellung eingeholt? | ||||||
→ | VO begründet Informationspflicht, Antragsformulare enthalten Information über die Pflicht zur Veröffentlichung der personenbezogenen Daten | |||||
→ | Bloße Information Einholung einer Einwilligung | |||||
→ | Überdies: keine Freiwilligkeit, da alternativlos | |||||
→ | Einwilligung der betroffenen Personen in die Veröffentlichung ihrer personenbezogenen Daten (–) | |||||
→ | Einschränkung des Anwendungsbereichs des Art. 8 Abs. 1 GrCh (+) | |||||
IV. | Rechtfertigung der Einschränkung? | |||||
→ | Art. 8 Abs. 1 GrCh nicht schrankenlos gewährleistet | |||||
→ | Art. 8 Abs. 2 S. 1 GrCh i.V.m. Art. 52 Abs. 1 GrCh | |||||
→ | Gesetzliche Grundlage = VO (+) | |||||
→ | Verfolgung eines legitimen Zwecks = Transparenz und angemessene Verwendung öffentlicher Gelder (+) | |||||
→ | Geeignetheit (+) | |||||
→ | Erforderlichkeit = EuGH: Ausnahmen und Einschränkungen von Art. 8 Abs. 1 GrCh sind auf das absolut Notwendige zu beschränken | |||||