Organisation for Economic Co-operation and Development – Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
1. Kapitel Grundlagen › A. Internationale Grundlagen
1. Kapitel Grundlagen › A. Internationale Grundlagen › I. Vereinte Nationen
I. Vereinte Nationen
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Wenngleich die Generalversammlung der Vereinten Nationen zum Schutz der Menschenrechte vor dem Hintergrund der wachsenden Gefahren durch die automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten 1990 Leitlinien[1] aufstellte, bleiben diese in ihrer materiellen Ausgestaltung des Datenschutzes weit hinter den im Folgenden dargestellten Abkommen zurück. Sie formulieren sehr allgemein gehalten den Grundsatz der Richtigkeit von Daten, der Zweckbestimmung und der Einsichtnahme der betroffenen Person aus und treffen allgemeine Aussagen zum grenzüberschreitenden Datenverkehr. Die Leitlinien sind dabei völkerrechtlich nicht bindend, sondern haben lediglich empfehlenden Charakter.
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Während im normativen Bereich auf Ebene der Vereinten Nationen zwischenzeitlich keine datenschutzrechtlich relevanten Entwicklungen zu verzeichnen sind, haben die bestürzenden und aufklärenden Enthüllungen Edward Snowdens im Frühsommer 2013 eine zumindest politische und zum Teil ambivalente Dynamik freigesetzt.
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Insbesondere auf Ebene der Vereinten Nationen haben deutsche Entscheidungsträger den Versuch unternommen, den Schutz der Privatheit und entsprechend den Datenschutz im digitalen Zeitalter auf die Agenda zu setzen. Nachdem durch die Veröffentlichung der so genannten Snowden-Dokumente die schier unbegrenzte Überwachung der weltweiten Kommunikation und die massenhafte Erhebung und Verarbeitung auch personenbezogener Daten durch eine Reihe von Geheimdiensten[2] deutlich geworden war, wurden durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen auf Initiative Deutschlands und Brasiliens[3] hin zwei Resolutionen über „Das Recht auf Privatheit im digitalen Zeitalter“ verabschiedet.[4] In diesen in erster Linie politischen, aber rechtlich nicht bindenden Entscheidungen der Generalversammlung wird das Recht auf Privatheit und Datenschutz auch im digitalen Zeitalter bekräftigt und klargestellt, dass die gleichen Rechte, die Menschen offline haben, auch online geschützt werden müssen. Zudem wird die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte ersucht, dem Menschenrechtsrat und der Generalversammlung einen Bericht über den Schutz und die Förderung des Rechts auf Privatheit im Kontext des innerstaatlichen und exterritorialen Überwachens und/oder Abfangens von digitaler Kommunikation und Sammelns personenbezogener Daten, namentlich in massivem Umfang, vorzulegen.
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Nachdem dieser Bericht dem Menschenrechtsrat wie auch der Generalversammlung vorgelegt wurde,[5] entschied der Menschenrechtsrat am 26.3.2015 ein Mandat für einen UN-Sonderberichterstatter zum „Recht auf Privatheit“ einzurichten.[6] Der Bericht stellt fest, dass die bekannt gewordenen Praktiken der Massenüberwachung und -datenerhebung wie auch -datenverwendung geeignet sind, auch gegen die garantierten Menschenrechte und insbesondere gegen das Recht auf Privatheit zu verstoßen. In jedem Fall würde in dieses und weitere Menschenrechte eingegriffen, weshalb die verantwortlichen Staaten in der Pflicht seien, diese Eingriffe zu rechtfertigen und darzulegen, inwiefern hierdurch der Kern der im Fokus stehenden Menschenrechte nicht ausgehöhlt wird. Darüber hinaus wird dargelegt, dass die Konventionsstaaten die Pflicht haben, den Schutz der betreffenden Menschenrechte zu gewährleisten, was auch bedeute, die exterritoriale Ausfuhr von Überwachungstechnologien genau zu prüfen. Schließlich hebt die Hohe Kommissarin für Menschenrechte in ihrem Bericht hervor, dass mit dem zunehmenden Zu- und Rückgriff der Konventionsstaaten auf Private – in erster Linie Telekommunikations- und Internetunternehmen – auch diese sich bewusst sein müssen, sich mit ihren Geschäftspraktiken in Mittäterschaft an Menschenrechtsverletzungen bringen zu können.[7]
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Bereits in diesem Bericht wurde angeregt, weitere gründliche Analysen und Untersuchungen anzustrengen, um die mannigfaltigen Fragestellungen und Problemkreise des Rechts auf Privatheit (und informationeller Selbstbestimmung) im digitalen Zeitalter aufzuarbeiten und Menschenrechte effektiv zu schützen.[8] In der Folge fiel diese Anregung auf fruchtbaren Boden, denn der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen sieht in seiner Resolution[9] ein zunächst dreijähriges Mandat für einen Sonderberichterstatter zum „Recht auf Privatheit“ vor. Das Mandat umfasst alle Aspekte des Menschenrechts auf Privatheit, das in Art. 12 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und in Art. 17 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte garantiert wird. Zwischenzeitlich liegen mehrere Berichte des Sonderberichterstatters vor.[10] Der erste Bericht vom 24.2.2017 befasste sich intensiv mit der Überwachung durch staatliche Stellen. Es wird insbesondere angeregt, die internationale Zusammenarbeit zu verstärken[11] und die Öffentlichkeit umfassender zu informieren.[12] Auch wird die vielfach pauschale Gleichsetzung von mehr Überwachung mit einem Mehr an Sicherheit kritisiert.[13] Seitdem folgt jährlich ein neuer Bericht des Sonderberichterstatters.[14] In den aktuellsten Berichten aus den Jahren 2019[15] und 2020[16] liegt dabei ein besonderes Augenmerk auf der Gleichberechtigung der Geschlechter bei der Anwendung des Rechts auf Privatheit sowie auf einer Gender-Perspektive auf das Recht. Der Sonderberichterstatter beschreibt geschlechterbasierte Verstöße hierbei als systematische Form der Versagung von Menschenrechten.[17] Zur Verbesserung der Situation schlägt er unter anderem Kampagnen vor, die das öffentliche Bewusstsein hinsichtlich der Ungleichbehandlungen schärfen sollen.[18]
Anmerkungen
Richtlinien betreffend personenbezogene Daten in automatisierten Dateien, von der Generalversammlung beschlossen am 14.12.1990.
Darunter zu allererst die US-amerikanische National Security Agency (NSA) und die britische Government Communications Headquarters (GCHQ). Im und außerhalb des NSA-Untersuchungsausschusses des Bundestags tritt jedoch auch die Teilnahme des Bundesnachrichtendienstes (BND) immer deutlicher zu Tage, vgl. nur Baumgärtner/Gude/u.a., Überwachung: Neue Spionageaffäre erschüttert BND, Spiegel Online v. 23.4.2015, abrufbar unter: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/ueberwachung-neue-spionageaffaere-erschuettert-bnd-a-1030191.html (Abruf: 12.1.2021) und Mascolo/Goetz, EU und Frankreich auf NSA-Spionageliste, Süddeutsche Zeitung v. 24.4.2015, abrufbar unter: http://www.sueddeutsche.de/politik/spionageaffaere-so-lax-gingen-bnd-und-kanzleramt-mit-der-nsa-um-1.2451318 (Abruf: 12.1.2021).
Zuvor war bekannt geworden, dass die deutsche Kanzlerin und die brasilianische Staatspräsidentin von US-amerikanischen Geheimdiensten abgehört worden waren.
A/RES/68/167 v. 18.12.2013 und A/RES/69/166 v. 18.12.2014, abrufbar unter: http://www.un.org/depts/german/gv-69/band1/ar69166.pdf