Damit eine Partei gegen eine andere Partei einen Anspruch, d.h. das Recht haben kann, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zu fordern (§ 194 Abs. 1), müssen diese Parteien rechtsfähig sein.
Der Begriff der Rechtsfähigkeit meint die Fähigkeit, Träger eigener Rechte und Pflichten zu sein.[13]
Nur wer rechtsfähig ist, kann als Gläubiger einen Anspruch haben und nur wer rechtsfähig ist, kann als Schuldner zu einem Tun oder Unterlassen verpflichtet sein.
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Bei Anspruchsbeziehungen zwischen Menschen („natürliche Personen“) müssen Sie in der Klausur zur „Rechtsfähigkeit“ keine Ausführungen machen. Sie ist selbstverständlich gegeben. Entgegen manchen Ausführungen in Übungsklausuren hat übrigens die Kaufmannseigenschaft eines Menschen nach §§ 1 ff. HGB mit seiner Rechtsfähigkeit nichts zu tun!
In allen anderen Fällen (juristische Personen, Personenverbände) können Sie das Thema „Rechtsfähigkeit“ entweder in einem ersten Prüfungspunkt gesondert darstellen oder aber inzident im Rahmen der Voraussetzungen der als erstes konkret zu prüfenden Anspruchsgrundlage erörtern (z.B. beim Zustandekommen eines Vertrages bei der Prüfung eines vertraglichen Primäranspruchs). Haben Sie die Rechtsfähigkeit einmal festgestellt, müssen Sie darauf bei der Prüfung konkurrierender Ansprüche nicht noch einmal gesondert eingehen. Dieser Punkt darf also keinesfalls stur wiederholt werden – eine Wiederholung ist überflüssig.
Geht es in der Klausur um die Begutachtung der Erfolgsaussichten einer Klage, müssen Sie die Rechtsfähigkeit der Parteien bereits im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung unter dem Gesichtspunkt der Parteifähigkeit (vgl. § 50 Abs. 1 ZPO) erörtern.
aa) Personen
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Der Begriff der „Person“ ist der vom Gesetzgeber im BGB gewählte Oberbegriff,[14] dem die „natürlichen Personen“[15] (§§ 1 ff.) und „juristischen Personen“[16] (§§ 21 ff.) untergeordnet werden. Eine Legaldefinition des Personenbegriffes existiert nicht. Aus dem Zusammenhang zwischen den vom Gesetzgeber verwendeten Begriffen und den Regelungen der §§ 1 ff. folgt aber, dass der Gesetzgeber unter dem Begriff „Person“ ein rechtsfähiges Subjekt versteht.[17]
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Da unsere Rechtsordnung von Menschen für Menschen gemacht wird, sind Menschen selbstverständlich rechtsfähig. Dies wird von unserer Rechtsordnung vorausgesetzt. Die allgemeine Vorschrift des § 1 regelt (nur) den Beginn der Rechtsfähigkeit des Menschen, nämlich ab „Vollendung der Geburt“. Vollständig geborene Menschen sind juristisch gesprochen also „natürliche Personen“.
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Daneben gibt es die „juristischen Personen“. Hierbei handelt es sich um die Zusammenfassung von Personen („Mitglieder“) und/oder Gegenständen zu einer Organisation, deren Rechtspersönlichkeit erst durch bestimmte, für jeden Typ besonders festgelegte Rechtsakte des öffentlichen Rechts oder Privatrechts erzeugt wird.[18] Aufgrund ihrer „juristisch erzeugten“ Persönlichkeit ist die juristische Person rechtsfähig.
Beispiele
Zu den juristischen Personen gehören insbesondere der eingetragene Verein (§ 21), die Stiftung (§ 80), Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts (vgl. § 89), die GmbH (§ 13 Abs. 1 GmbHG), die Aktiengesellschaft (§ 1 Abs. 1 AktG), die Kommanditgesellschaft auf Aktien (§ 278 Abs. 1 AktG) und die eingetragene Genossenschaft (§ 17 Abs. 1 GenG).
bb) Rechtsfähige Personenverbände
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Neben den natürlichen und juristischen Personen kennt unsere Rechtsordnung (vgl. § 14 Abs. 2, § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO, § 7 Nr. 3 MarkenG) schließlich noch rechtsfähige Personengesellschaften. Es handelt sich dabei um Zusammenschlüsse, die selbst keine „juristische Personen“ sind.[19] Personengesellschaften entstehen durch Rechtsgeschäft, nämlich den Gesellschaftsvertrag und werden unter bestimmten Voraussetzungen kraft Gesetzes (z.B. §§ 123, 124 HGB für die OHG) oder im Wege richterlicher Rechtsfortbildung (z.B. Außen-GbR[20]) weithin wie juristische Personen behandelt und sind als Kollektiv insoweit mit eigener Rechtsfähigkeit ausgestattet.
Beispiele
Rechtsfähige Personengesellschaften sind insbesondere (vgl. § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO): die offene Handelsgesellschaft (vgl. §§ 123, 124 HGB), die Kommanditgesellschaft (§§ 161 Abs. 2, 123, 124 HGB), die Partnerschaftsgesellschaft (§ 7 Abs. 2 PartGG i. V. m. § 124 HGB), die Vor-GmbH,[21] die Vor-AG[22] und die nach außen als Einheit am Rechtsverkehr teilnehmende BGB-Gesellschaft (§ 124 HGB analog[23]). Hinzu kommen weitere rechtsfähige Personenverbände ohne eigene Rechtspersönlichkeit, nämlich die Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 10 VI WEG) und der nicht eingetragene Verein (§ 54).[24]
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Eine Vertiefung der (schwierigen) Frage nach der juristischen Eigenpersönlichkeit der Personenverbände hilft in der Fallbearbeitung an diesem Prüfungspunkt nicht weiter.[25] Entscheidend ist die Anerkennung der Rechtsfähigkeit für das konkret zu prüfende Schuldverhältnis durch den Gesetzgeber oder durch (richterliche) Rechtsfortbildung.
Die Rechtsfähigkeit einer juristischen Person oder eines (rechtsfähigen) Personenverbandes ist anhand der jeweiligen Norm zu begründen, die die Rechtsfähigkeit beschreibt (z.B. § 13 Abs. 1 GmbHG für die GmbH, §§ 123, 124 HGB für die OHG). Gibt der Sachverhalt dazu Anlass, ist in diesem Zusammenhang auch auf die wirksame Errichtung der juristischen Person bzw. des Personenverbandes einzugehen.
Zur Begründung der Rechtsfähigkeit der Außen-GbR sollten Sie auf § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO, § 191 Abs. 2 Nr. 1 UmwG verweisen und die Argumentation der h.M., insbesondere des BGH,[26] in ihren wesentlichen Grundzügen knapp darstellen. Wegen § 54 gilt dies für den nicht eingetragenen Verein entsprechend. Bei der „Vor-GmbH“ bzw. „Vor-AG“ müssen Sie die (richterrechtlichen) Grundsätze zur Rechtsfähigkeit dieser Gesellschaften präsentieren.
b) Die Anspruchsvoraussetzungen
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Die Entstehung eines konkreten Anspruchs ist an besondere tatsächliche Voraussetzungen gebunden, die sich aus der jeweiligen Anspruchsgrundlage ergeben. Es handelt sich um diejenigen Tatsachen, die die gewünschte Leistungspflicht nach Maßgabe der von Ihnen gerade geprüften Anspruchsgrundlage unmittelbar auslösen. Anspruchsgrundlagen können sich zum einen aus einem Rechtsgeschäft ergeben, das auf Begründung eines Anspruchs gerichtet ist. § 311 Abs. 1 verlangt dafür regelmäßig ein Rechtsgeschäft in Form eines Vertrages (z.B. Kaufvertrag, Mietvertrag, Werkvertrag).
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Anspruchsvoraussetzung für einen vertraglichen Primäranspruch ist also eine vertragliche Vereinbarung, die auf Begründung des geprüften Anspruchs gerichtet ist. Die im Gesetz aufgeführten Normen zur Typisierung der verschiedenen Vertragsarten sind keine Anspruchsgrundlagen – es handelt sich ja eben gerade nicht um ein gesetzliches Schuldverhältnis. Dies kann nicht oft genug betont werden. Bei Primäransprüchen aus atypischen Verträgen (z.B. Lizenzvertrag oder Theateraufführungsvertrag) bringen seitenlange Ausführungen zur Bestimmung des Vertragstyps nichts: Es kommt allein auf die Verpflichtung aus der konkreten Vereinbarung an! Der Anspruch folgt „aus Vertrag“ und nicht „aus § X“.[27] Haben Sie einen Vertrag, der unproblematisch einem Vertragstyp