In bestimmten Fällen beschränkt das Gesetz das Vertretenmüssen auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Bei der groben Fahrlässigkeit liegt – wie der Name schon sagt – ein besonders schwerwiegender Sorgfaltsverstoß vor. Anders als beim allgemeinen Fahrlässigkeitsmaßstab des § 276 Abs. 2 sind beim Vorwurf grober Fahrlässigkeit auch individuelle Umstände, insbesondere Schwächen und Wissensdefizite, zu berücksichtigen.[5]
Grob fahrlässig ist ein Handeln, bei dem die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich grobem Maße verletzt worden ist und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, wobei auch subjektive, in der Person des Handelnden begründete Umstände zu berücksichtigen sind.[6]
Beispiel 1
Gem. § 300 Abs. 1 haftet der Schuldner während des Gläubigerverzugs nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Dabei ist zu beachten, dass diese Haftungsmilderung entgegen dem umfassenden Wortlaut nur die Haftung für den Leistungsgegenstand betrifft.[7] Das ergibt sich aus Sinn und Zweck der Haftungsmilderung. Sie soll einen Ausgleich dafür schaffen, dass der Schuldner durch das Verhalten des Gläubigers gezwungen ist, den Leistungsgegenstand weiterhin in seiner Obhut zu behalten. Für eine darüber hinausgehende Haftungserleichterung besteht dagegen kein Grund.
Beispiel 2
§§ 521, 599 (Haftung des Schenkers und Verleihers).
Beispiel 3
§ 968 (Haftung des Finders – wichtig bei Verletzung der Herausgabepflicht aus § 967).
Hinweis
Diese Erleichterungen im Haftungsmaßstab verliert der Schuldner durch Verzugseintritt wieder, da er dann nach § 287 S. 1 für jede Fahrlässigkeit einzutreten hat.
2. Teil Vertretenmüssen › E. Erleichterungen im Haftungsmaßstab › II. Haftungsbeschränkung auf die eigenübliche Sorgfalt
II. Haftungsbeschränkung auf die eigenübliche Sorgfalt
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An manchen Stellen ordnet das Gesetz an, der Schuldner hafte nur für „diejenige Sorgfalt, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflege“ (sog. „diligentia quam in suis“). Diese Beschränkung betrifft alleine den Fahrlässigkeitsmaßstab und lässt die Haftung für vorsätzliches Verhalten unberührt.
Beispiel 1
§ 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 (Haftung des kraft Gesetzes zum Rücktritt Berechtigten);
Beispiel 2
§ 690 (Haftung des unentgeltlichen Verwahrers);
Beispiel 3
§ 708 (Haftung des Gesellschafters wegen seiner Pflichten als Gesellschafter gegenüber Gesellschaft und Mitgesellschaftern – § 708 betrifft nicht die Haftung der Gesellschaft);
Beispiel 4
§ 1359 (Haftung der Ehegatten wegen ihrer ehelichen Pflichten);
Beispiel 5
§ 1664 Abs. 1 (Haftung der Eltern wegen Ausübung der elterlichen Sorge für das minderjährige Kind).
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Die Privilegierung besteht darin, dass der Schuldner in diesen Fällen nicht mehr einem objektiven Fahrlässigkeitsmaßstab gerecht werden muss, sondern sich lediglich an seinen eigenen Sorgfaltsmaßstäben messen lassen muss. Da die Beschränkung des Haftungsmaßstabes den Schuldner privilegieren und nicht benachteiligen soll, bleibt es beim objektiven Fahrlässigkeitsmaßstab, wenn der Schuldner in eigenen Angelegenheiten vorsichtiger agiert als der Verkehr.[8]
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Auf der anderen Seite verdient eine besondere Schlampigkeit keine Privilegierung. Nach § 277 ist der Schuldner bei grober Fahrlässigkeit von einer Haftung nicht befreit, auch wenn er in eigenen Angelegenheiten derart unvorsichtig zu agieren pflegt.
Hinweis
Auch diese Erleichterungen im Haftungsmaßstab verliert der Schuldner durch Verzugseintritt wieder, da er dann nach § 287 S. 1 für jede Fahrlässigkeit einzutreten hat.
2. Teil Vertretenmüssen › E. Erleichterungen im Haftungsmaßstab › III. Vertragliche Haftungsmilderungen
III. Vertragliche Haftungsmilderungen
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Wie sich aus § 276 Abs. 3 ergibt, kann die Haftung für schuldhaftes Handeln vertraglich grundsätzlich – ohne Beachtung einer besonderen Form – ausgeschlossen werden. Eine solche Vereinbarung ist im Zweifel zum Nachteil desjenigen auszulegen, zu dessen Gunsten der Ausschluss wirken soll.[9] Schließlich entspricht es der Lebenserfahrung, dass man seinen Schutz durch Ersatzansprüche nicht ohne Weiteres aufgeben möchte. Bei AGB folgt dies bereits aus der allgemeinen Regel des § 305c Abs. 2.
Beispiel
Die Beschränkung der Haftung für Sachmängel in einem Kaufvertrag erfasst im Zweifel nicht konkurrierende deliktische Ansprüche und Ansprüche wegen mangelhafter Nacherfüllung.[10]
a) Allgemeine Wirksamkeitserfordernisse
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Zunächst gelten wie für jeden Vertragsschluss die allgemeinen Wirksamkeitserfordernisse der §§ 107, 108, 164, 177.
b) Wirksamkeitshindernisse
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Das Gesetz kennt speziell für Haftungsbeschränkungen besondere Wirksamkeitshindernisse. Der Schuldner kann sich auf diese Weise keinen „Freibrief“ für vorsätzliches Handeln geben lassen, weshalb die Haftung nach § 276 Abs. 3 wegen Vorsatzes im Voraus nicht ausgeschlossen werden kann. Bei juristischen Personen und rechtsfähigen Personengesellschaften folgt aus § 276 Abs. 3, dass ein Haftungsausschluss wegen vorsätzlichen Verhaltens ihrer Organe, Organmitglieder und gesetzlichen Vertreter im Voraus nicht möglich ist.[11]
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Diese Regelung kann auch nicht dadurch umgangen werden, indem die Ergebnisse eines nach § 276 Abs. 3 unzulässigen Haftungsausschlusses annäherungsweise durch andere Gestaltungen erreicht werden und dadurch die Haftung im Ergebnis zumindest beschränkt wird. Auch dies soll nach dem Sinn und Zweck des § 276 Abs. 3 nicht wirksam erreicht werden können.
Beispiel 1
Eine Vereinbarung, nach der Schadensersatzansprüche der Höhe nach auf einen bestimmten Betrag (z.B. Versicherungssumme oder Wert der Gegenleistung) beschränkt sind, verstößt gegen § 276 Abs. 3, soweit sie Schadensersatzansprüche aus vorsätzlichem Verhalten betrifft.[12]
Beispiel 2
Eine vertragliche Abkürzung der Verjährungsfristen für Schadensersatzansprüche aus vorsätzlicher Pflichtverletzung würde die Haftung zwar nicht ganz ausschließen, aber immerhin eine Haftungsbeschränkung in zeitlicher Hinsicht erreichen, da dem Schuldner vorzeitig eine Einrede aus § 214 Abs. 1 zusteht.