I. Begriff der Sache
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Ein typisches Beispiel für eine Essentialdefinition ist die Definition des Begriffs der „Sache“ in § 90.[1]
Sachen sind nach § 90 alle körperlichen Gegenstände (Gegenstände = Oberbegriff – welche körperlich sind = unterscheidendes Merkmal). Der vom Gesetz verwendete Oberbegriff ist der des Gegenstandes.
Bitte lesen Sie die nachfolgenden Vorschriften im Gesetz mit!
Der Oberbegriff, nämlich der des „Gegenstandes“ wird im BGB nicht näher definiert. Er wird aber in den §§ 135 Abs. 1 S. 1; 161 Abs. 1 S. 1; 185; 747 S. 2; 816 Abs. 1 S. 1; 2040 Abs. 1, 2366 im Zusammenhang mit Verfügungen –, in den §§ 256; 260 Abs. 1; 273 Abs. 2; 292 Abs. 1 S. 1; 2374 im Zusammenhang mit schuldrechtlichen Verpflichtungen verwendet.
Aus den genannten Vorschriften lässt sich folgende weitere Definition ableiten:
Gegenstand ist alles, was Objekt von Rechten sein kann.[2]
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Dazu gehören außer den Sachen auch unkörperliche Gegenstände, nämlich Forderungen, Immaterialgüterrechte und sonstige Vermögensrechte.
Beispiel
Eine Kaufpreisforderung des Verkäufers V gegen den Käufer K ist zwar ein „Gegenstand“, aber keine Sache. Man kann sie also nicht „übereignen“, sondern muss sie, wenn man sie übertragen will, nach § 398 abtreten.
Wenn Sie diese Zusammenhänge verstanden haben, können Sie sicher auch folgende Frage beantworten: Kann man eine zu einem Nachlass gehörende Kaufpreisforderung des Erblassers von einem Nichterben, dem aber ein Erbschein erteilt worden ist, gutgläubig erwerben? Bevor Sie diese Frage beantworten, sollten Sie zunächst die §§ 398, 929, 932 und §§ 1922, 2365, 2366 genau lesen und dabei das eben besprochene begriffliche Handwerkszeug anwenden! Sehen Sie sich die nachstehenden Ausführungen erst dann an, wenn Sie eine Lösung gefunden haben!
Wenn Sie alles richtig gemacht haben, müssten Sie zu folgendem Ergebnis gelangen: Nach § 398 kann nur der „Gläubiger“ die Forderung abtreten.[3] Die Voraussetzungen des § 398 sind daher nicht erfüllt, wenn der Abtretende nicht der Gläubiger ist. Nach § 1922 geht mit dem Tode einer Person deren Vermögen als Ganzes auf den oder die Erben über. Der Nichterbe kann also die Kaufpreisforderung des Erblassers selbst dann nicht nach § 1922 erwerben, wenn ihm zu Unrecht ein Erbschein erteilt wurde. Tritt er diese nach § 398 an einen Dritte ab, so gilt: Die fehlende Berechtigung des Nichterben kann nicht nach §§ 929, 932 überwunden werden, da man danach nur bewegliche Sachen[4] gutgläubig von einem Nichtberechtigten erwerben kann, nicht aber sonstige Gegenstände, wie z.B. Forderungen. Allerdings ermöglicht § 2366 einen gutgläubigen Erwerb von Erbschaftsgegenständen vom Nichterben, dem ein Erbschein erteilt wurde. Unter den Begriff des „Gegenstandes“ fallen nicht nur Sachen, sondern auch Forderungen. Also kann man von einem Nichterben, dem ein Erbschein erteilt wurde, auch eine zum Nachlass gehörende Kaufpreisforderung (ausnahmsweise!) gutgläubig erwerben.[5]
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Der engere Begriff der Sache setzt dagegen einen nach natürlicher Anschauung für sich allein bestehenden, im Verkehrsleben besonders bezeichneten und bewerteten körperlichen Gegenstand voraus. Ein Gegenstand ist nur dann eine Sache, wenn er räumlich abgrenzbar ist, und zwar entweder durch seine eigene körperliche Begrenzung, durch Fassung in einem Behältnis (z.B. eine Flasche Milch) oder sonstige künstliche Mittel, wie z.B. durch Grenzsteine oder Eintragung in ein Liegenschaftskataster.[6] Frei fließendes Wasser, Gas oder Licht sind daher, mangels körperlicher Abgrenzung keine Sachen.[7]
Tiere sind nach § 90a S. 1 zwar keine Sachen, jedoch werden nach § 90a S. 3 die für Sachen geltenden Vorschriften auf sie entsprechend angewendet, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist.
1. Teil Einleitung › A. Sachenrechtliche Grundbegriffe › II. Grundstücke und bewegliche Sachen
II. Grundstücke und bewegliche Sachen
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Die Sachen werden in bewegliche Sachen und Grundstücke eingeteilt. Da hierfür jeweils unterschiedliche Regeln gelten, ist es wichtig, diese Begriffe genau zu unterscheiden. Der Begriff des Grundstücks wird im BGB nicht näher definiert. Diese Aufgabe haben Rechtsprechung und Literatur übernommen.
1. Grundstücke
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Grundstück ist ein Teil der Erdoberfläche, der im Grundbuch als „Grundstück“ geführt wird, einschließlich seiner Bestandteile.[8]
Beispiel
„Grundstück“ im Rechtssinne ist also nicht nur der blanke Grund und Boden, sondern auch die darauf wachsenden Pflanzen (vgl. § 94 Abs. 1 S. 2) so lange sie nicht vom Grundstück getrennt worden sind und i.d.R. auch die darauf stehenden Gebäude (vgl. § 94 Abs. 1 S. 1).
Man sieht einem Grundstück äußerlich nicht immer an, welche Ausdehnung es hat, vor allem, wenn eine sichtbare Begrenzung fehlt. Diese Aufgabe erfüllt das Grundbuch in Verbindung mit der katasteramtlichen Vermessung.
Das rechtliche Schicksal des Grundstücks teilen auch seine Bestandteile, und zwar die wesentlichen Bestandteile (§§ 93–96) immer, sowie die einfachen Bestandteile, soweit an ihnen keine Sonderrechte bestehen.
a) Wesentliche und einfache Bestandteile eines Grundstücks
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„Wesentliche“ Bestandteile eines Grundstücks sind in den §§ 94–96 definiert. Die in § 93 angeordnete Rechtsfolge gilt aber auch für sie. Diese besteht darin, dass an wesentlichen Bestandteilen vor der Trennung von der Gesamtsache weder durch Rechtsgeschäft, noch kraft Gesetzes, noch durch Hoheitsakt irgendwelche Sonderrechte begründet werden können (beachte aber ErbbauRG[9] und WEG[10]).
Hierzu sagt § 93:
Wesentliche Bestandteile . . . können nicht Gegenstand besonderer Rechte sein.“
Beispiel
Ein auf einem Grundstück errichtetes Gebäude ist nach § 94 Abs. 1 S. 1 i.d.R. wesentlicher Bestandteil des Grundstücks. Im juristischen Sinne ist es also „Grundstück“, und nicht nur der Boden, auf dem es steht. Als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks kann es somit nicht Gegenstand besonderer Rechte sein.
Was aber sind die konkreten Rechtsfolgen, die sich aus dieser begrifflichen Einordnung ergeben? Ein Gebäude kann nicht, wie eine bewegliche Sache nach § 929 S. 1 durch Einigung und Übergabe