Die teilsteuerlichen Modifikationen besitzen den Nachteil, dass sie die Aussagefähigkeit der Teilsteuerrechnung einschränken, da die Zusammenhänge der steuerlichen Einzelregelungen nicht mehr klar offengelegt werden.
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Ein wichtiger Vorzug der Veranlagungssimulation ist, dass nichtkonstante Tarife, wie progressive Steuersätze, Freibeträge und Freigrenzen, problemlos verarbeitet werden können. Bei jeder Steuerart wird die juristische Bemessungsgrundlage ermittelt, auf die der Tarif anzuwenden ist. Im Gegensatz hierzu müssen bei der Teilsteuerrechnung bereits zu Beginn der Berechnungen sämtliche Steuersätze bekannt sein. Bei nichtkonstanten Tarifen hängt der Steuersatz von der Höhe der juristischen Bemessungsgrundlage ab, deren Höhe aber bei der Teilsteuerrechnung systemimmanent nicht bekannt ist. Liegen nichtkonstante Tarife vor, müssen bei der Teilsteuerrechnung die im Einzelfall zutreffenden Steuersätze vorab in einer Veranlagungssimulation ermittelt werden. Damit ist aber die Gesamtsteuerbelastung bereits bekannt, die Teilsteuerrechnung dient lediglich der Verteilung auf die betriebswirtschaftlichen Größen. Aus dem gleichen Grund scheitert auch das grundsätzliche Anliegen der Teilsteuerrechnung zur einfachen Ermittlung der steuerlichen Konsequenzen bei Variation einer betriebswirtschaftlichen Größe. Da bei nichtkonstanten Tarifen Änderungen der Daten Rückwirkungen auf den Steuersatz haben, ist der sich nach der Datenvariation ergebende Steuersatz vor jeder Berechnung erneut zu bestimmen.
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Für die Teilsteuerrechnung besteht zusätzlich das Problem, dass sich bei Entscheidungen, deren Effekte über mehrere Perioden zu berechnen sind, die meisten Größen in den folgenden Perioden auf andere Bemessungsgrundlagenteile auswirken. Da die absolute Höhe der juristischen Bemessungsgrundlagen nicht bekannt ist, ist es bei der Teilsteuerrechnung nicht möglich, ohne zusätzliche Rechenschritte den ertragsteuerlichen Verlustabzug zu erfassen. Bei der Analyse der Abziehbarkeit von Fremdkapitalaufwendungen treten diese Probleme in besonderer Weise auf, da für die Berechnung der Begrenzungen nach § 4h EStG und § 8a KStG („Zinsschranke“) mehrere Werte benötigt werden, die sich aus verschiedenen Komponenten zusammensetzen, die bei der Teilsteuerrechnung nicht bekannt sind. Bei der Veranlagungssimulation treten diese Schwierigkeiten nicht auf, da durch das rechnerische Simulieren die benötigten Informationen vollständig vorliegen.
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In dem im vorangehenden Abschnitt verwendeten Beispiel werden die beiden zuletzt genannten Kritikpunkte nicht deutlich. Durch das Abstellen auf Kapitalgesellschaften wird der progressive Einkommensteuertarif nicht benötigt. Durch die Nichtberücksichtigung von Freibeträgen und -grenzen sowie das einperiodige Berechnungsschema wurden die damit verbundenen Schwierigkeiten ausgeklammert. Bei Entscheidungssituationen, die nicht so einfach strukturiert sind, verbleiben in der Praxis zwei Möglichkeiten: näherungsweise Berechnung der für die Teilsteuerrechnung benötigten Steuersätze oder exakte Ermittlung der Gesamtsteuerbelastung mit Hilfe einer Veranlagungssimulation.
Abb. 2.3: Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile der Veranlagungssimulation und der Teilsteuerrechnung
Veranlagungssimulation | Teilsteuerrechnung | |
---|---|---|
Vorteile | Steuerbelastung wird nach Steuerarten differenziert ausgewiesen hohe Anschaulichkeit nichtlineare Tarife, Verlustabzug und „Zinsschranke“ problemlos integrierbar | Effektivbelastung für jeden Bemessungsgrundlagenteil erkennbar ermöglicht Variationsrechnungen fördert Verständnis über die Zusammenhänge zwischen einzelnen Steuerarten |
Nachteile | keine Aussage über Anteil einer bestimmten betriebswirtschaftlichen Größe an der Gesamtsteuerbelastung Datenvariationen erfordern Neuberechnungen (aber: bei EDV-Einsatz weniger problematisch) | keine Aussage über Steuerarten, aus denen die Effektivbelastung resultiert Modifikationen notwendig, um steuerrechtliche Bemessungsgrundlagen in betriebswirtschaftliche Größen zu überführen nichtlineare Tarife, Verlustabzug und „Zinsschranke“ nicht abbildbar |
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Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Teilsteuerrechnung für betriebswirtschaftliche und finanzwirtschaftliche Analysen des Steuersystems sowie für Ausbildungszwecke hervorragend geeignet ist. Die wesentlichen Vorteile der Veranlagungssimulation liegen insbesondere in ihrer Verständlichkeit sowie der einfachen Berücksichtigung von nichtkonstanten Tarifen und von Mehrperiodenverknüpfungen. Diesen Aspekten kommt in vielen Entscheidungssituationen ein so starkes Gewicht zu, dass oft die Veranlagungssimulation als das geeignetere Berechnungsverfahren anzusehen ist. Ihr Nachteil des erhöhten Arbeitsaufwands bei Variationsrechnungen verliert dann an Bedeutung, wenn (beispielsweise mit Hilfe eines Tabellenkalkulationsprogramms) ein EDV-gestütztes Berechnungsschema entwickelt wird.
Zweiter Teil Methoden zur Quantifizierung von Steuerzahlungen › Sechster Abschnitt Besonderheiten beim Einbezug der Kirchensteuer
Sechster Abschnitt Besonderheiten beim Einbezug der Kirchensteuer
Zweiter Teil Methoden zur Quantifizierung von Steuerzahlungen › Sechster Abschnitt Besonderheiten beim Einbezug der Kirchensteuer › A. Zeitpunkt der Verrechnung der Kirchensteuer
A. Zeitpunkt der Verrechnung der Kirchensteuer
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Bei natürlichen Personen, die kirchensteuerpflichtig sind, ist bei der Berechnung der Einkommensteuer zusätzlich die Kirchensteuer zu beachten. Als Sonderausgabe ist jeweils die Kirchensteuer abziehbar, die im Veranlagungszeitraum gezahlt wurde (§ 10 Abs. 1 Nr 4 EStG, Abflussprinzip nach § 11 Abs. 2 EStG). Die im Laufe eines Veranlagungszeitraums gezahlte Kirchensteuer stimmt regelmäßig nicht mit der Kirchensteuer überein, die durch in diesem Jahr erwirtschaftete Einkünfte verursacht ist. Für Steuerbelastungsrechnungen stehen zur Erfassung der Interdependenzen zwischen der Einkommensteuer und der Kirchensteuer prinzipiell zwei Ansätze zur Verfügung:
1. | Bei Ermittlung des zu versteuernden Einkommens wird jeweils die Kirchensteuer des Vorjahres abgezogen. |
2. | Es wird ein Sofortabzug der Kirchensteuer bei der Einkommensteuer unterstellt und die Kirchensteuer gemeinsam mit der Einkommensteuer berechnet. |
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Beide Vorgehensweisen sind insoweit unrealistisch, als entweder keine Vorauszahlungen auf die Kirchensteuer berücksichtigt werden (erster Ansatz) oder von Vorauszahlungen in Höhe der in der Periode verursachten Kirchensteuer ausgegangen wird (zweiter Ansatz). Will man die Veranlagung uneingeschränkt in Anlehnung an das Veranlagungsverfahren