g) Interdependenz der Ausgestaltung der Produktionsfaktoren
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Zusammenfassend lässt sich damit feststellen, dass die Hoheitsgewalt durch die Ausgestaltung der Produktionsfaktoren in entscheidender Weise die volkswirtschaftliche Produktionsfunktion vorgibt[659]. Produktionsergebnisse lassen sich nur durch eine Kombination der von der Hoheitsgewalt ausgestalteten Produktionsfaktoren erreichen, sodass Defizite bei der Ausgestaltung einzelner Produktionsfaktoren durch einen vermehrten Einsatz anderer Faktoren kompensiert werden müssen. Das Strafrecht wird zum Schutz dieser Institutionen grundsätzlich nicht direkt eingesetzt; es gewährleistet den Bestand dieser Institutionen vielmehr in der Regel indirekt durch den Schutz individueller Rechte.
3. Differenzierende Steuerung der Güterverteilung über Marktmechanismen und durch öffentliche Intervention
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Als dritte elementare Aufgabe der Hoheitsgewalt wurde oben (vor 1.) die Aufgabe der Verteilung – im Sinne von Allokation und Distribution – der Güter sowie der Stabilisierung des Marktes herausgearbeitet[660]: Der Staat soll danach die Verteilung der Sachgüter und Dienstleistungen über den Markt gewährleisten, Güter in einem sozial gebotenen Umfang Güter umverteilen und insgesamt für eine störungsfreie und stetige Abwicklung der erforderlichen Transaktionen sorgen. Die für eine optimale Erfüllung dieser Aufgaben maßgebenden Determinanten gibt das Modell der sozial korrigierten Marktwirtschaft wiederum selbst vor. Die Verteilung der Güter (Produktionsfaktoren) soll diese an den Ort ihrer effizientesten Nutzung leiten, muss also grundsätzlich den Bedürfnissen des (ungestörten) Marktes gerecht werden und hat dessen Koordinierungsfunktion zu beachten. Die Umverteilung der Güter findet ihren Grund im Erhalt und ihre Grenzen im Überspielen der elementaren Anreizfunktionen des Marktes. Mit dem Topos der Stabilisierung wird zuletzt die Nachhaltigkeit staatlichen Handelns in den Blick genommen und prospektives Handeln gefordert, das den Erhalt und die Verstetigung der das Wirtschaftlichkeitsprinzip tragenden ökonomischen Strukturen zum Gegenstand hat.
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Die Verteilung der Wirtschaftsgüter erfolgt primär durch die unsichtbare Hand des Marktes[661]. Bei den sozial gebotenen Verteilungskorrekturen[662] etwa bei Einkommen, Vermögen und sozialen Chancen steht dagegen der Staat als intervenierendes Subjekt im Mittelpunkt[663]. Strategisch werden hier politische Oberziele wie Sicherheit, Gerechtigkeit oder sozialer Friede verfolgt. Wichtigster Bereich staatlicher Güterdistribution ist die staatliche Daseinsvorsorge. Hier werden erstens Güter und (Dienst-)Leistungen[664], die im Interesse der Allgemeinheit erbracht werden, einer (vollständigen) Determination durch den Markt entzogen, um sie zu fixen Bedingungen und in hinreichender Qualität der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Zweitens werden – vor allem über steuerliche Maßnahmen oder Subventionen – Transferzahlungen geleistet, um gemäß dem sozialstaatlichen Fürsorgeprinzip denjenigen Personen, die über kein ausreichendes Einkommen verfügen, die zur Sicherung ihrer Existenz notwendigen Mittel zu verschaffen. Eine dritte Form der Umverteilung erfolgt über das Sozialversicherungssystem[665]. Adressat dieser Umverteilung sind Personenkreise, die dem Risiko ausgesetzt sind, zu einem oft nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt über kein ausreichendes Einkommen zu verfügen. Konkrete Mechanismen sind in Deutschland die Systeme zur Renten-, Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Unfallversicherung[666]. Die Theorie der Verfügungsrechte und das Phänomen der Transaktionskosten erklären, warum bei der staatlichen Verteilung von Verfügungsrechten auf unvollkommenen Märkten weniger vermögende Individuen grundsätzlich zu bevorzugen sind. Mit in die Verteilung einzustellen sind auch – mit allen Einschränkungen bezüglich ihrer Erkennbarkeit – Verfügungsrechte künftiger Generationen. Hier kann allerdings nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass staatliche Instanzen als Sachwalter künftiger Generationen auftreten[667]. Da die real existierenden Märkte stets unvollkommene Märkte sind, sind Interventionen seitens der hoheitlichen Gewalt aus institutionenökonomischer Sicht grundsätzlich gerechtfertigt[668]. Das Strafrecht sichert der Hoheitsgewalt ihre Handlungsfähigkeit insbesondere durch steuerstrafrechtliche Tatbestände im weitesten Sinne. Diese Tatbestände werden hier als Tatbestände zum Schutz der Zuordnung von Verfügungsrechten und damit im Grunde wiederum als Tatbestände zum Schutz des der Hoheitsgewalt zugeordneten Eigentums verstanden.
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Da eine freie und unkontrollierte Wirtschaft zu starken Schwankungen bei den Preisen und der Beschäftigung neigt[669], muss der Staat gesamtwirtschaftlich eine die Verhältnisse stabilisierende Wirtschaftspolitik betreiben. Inhaltlich wird der Staat auf ein stabiles Preisniveau, einen hohen Beschäftigungsstand, eine gesunde Außenwirtschaft sowie ein stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum verpflichtet[670]. Zu den stabilisierenden Eingriffen des Staates in den Wirtschaftsprozess gehört neben einer aktiven Konjunkturpolitik vor allem eine aktive Strukturpolitik zur Lösung strukturell bedingter Fehlentwicklungen der Volkswirtschaft. In der Sache unterstützt regionale Strukturpolitik durch Maßnahmen der Investitionsförderung die Ansiedlung von Industrien in Fördergebieten. Sektorale Strukturpolitik soll dagegen aus politischen Gründen einzelne Wirtschaftszweige erhalten, Anpassungen an den Strukturwandel erleichtern oder zukunftsträchtige Technologien und Märkte bewusst fördern. Dazu werden unter anderem wiederum Subventionen und Steuererleichterungen eingesetzt. Das Erschleichen solcher Leistungen wird hinreichend durch die Tatbestände des Subventionsbetrugs oder durch Steuerstraftatbestände erfüllt. Ein Bedürfnis nach speziellen strafrechtlichen Normen zur Unterstützung globalsteuernder staatlicher Maßnahmen zur Stabilisierung der Gesamtwirtschaft besteht nach der hier vertretenen Auffassung grundsätzlich nicht[671].
Teil 1 Grundlagen zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts › D › III. Zusammenfassung und erster Ausblick auf die Folgen für das Wirtschaftsstrafrecht
1. Marktwirtschaftliche Grundausrichtung der in internationale Zusammenhänge eingebundenen Wirtschaftsverfassung
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Die geltende Wirtschaftsordnung vollzieht sich juristisch auf einem Mehrebenensystem, das sich aus dem Wirtschaftsvölkerrecht, dem Recht regionaler Organisationen wie der EU, der Normsetzung durch Private sowie nationalem Verfassungsrecht zusammensetzt. Wirtschaftstheoretisch ist die Wirtschaftsordnung gleichwohl ohne grundlegende Friktionen und trotz ihrer globalen Integration verhältnismäßig harmonisch[672]:
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Der Sozialschutz spielt in internationalen Wirtschaftsrechtsquellen gegenwärtig eine nur marginale Rolle und beschränkt sich auf allgemein gehaltene Absichtserklärungen und unverbindliche Bekenntnisse zu sozialer Gerechtigkeit und sozialem Fortschritt[673]. Die Notwendigkeit universeller Sozialstandards wurde zwar im Rahmen der WTO mehrfach diskutiert, ein Konsens über die Aufnahme verbindlicher Sozialklauseln oder sozialer Arbeitsstandards – insbesondere zum Schutz vor internationalem Sozialdumping – konnte bislang allerdings nicht erreicht werden[674].
Auf europäischer wie nationaler Ebene wird die ökonomische Rahmenordnung grundsätzlich als sozial korrigierte Marktwirtschaft ausgestaltet[675]. Die soziale Korrektur der Marktwirtschaft führt zu einem erheblichen Schutzniveau der Interessen sozialer Bezugsgruppen eines Unternehmens (Stakeholder) gegenüber den Interessen der Unternehmenseigentümer[676].
Elementare Aufgabe der Ordnungspolitik ist es, den Wettbewerb sinnvoll zu begrenzen