Zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts. Marco Mansdörfer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marco Mansdörfer
Издательство: Bookwire
Серия: Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783811457072
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Regel nicht-)kooperative Situationen in einer Weise gestaltet werden können, dass bestimmte Ergebnisse und bestimmte Verhaltensweisen gefördert werden. Die Entwicklung solcher Instrumentarien ist das Aufgabenfeld des sog. Mechanismusdesigns und der Konzepte zur Implementierung bestimmter sozialer Mechanismen[201]. Zum Mechanismusdesign gehört damit gerade auch die Gestaltung sozialer Institutionen und Normen in allen gesellschaftlichen Bereichen. Das strategische Verhalten der Einzelnen sollte insgesamt in solche Mechanismen eingebunden sein, die am ehesten gewährleisten, dass die Ergebnisse der korrespondierenden Spiele den gesetzten sozialen Normen entsprechen.

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      Derartige Normen können eine Regel im Sinne bestimmter Ereignisse (oder genauer eines bestimmten Ereignisses) beschreiben; sehr häufig werden sie aber auch Axiome – wie z. B. Neutralität, Fairness oder Effizienz – ausdrücken. Je umfassender die in einem bestimmten Bereich gewährten Freiheiten ausgestaltet werden sollen, desto weiter wird die Norm das Feld der zulässigen Ereignisse fassen und desto weniger Axiome werden gesetzt. Erst recht sollten nach dem hier vertretenen Ansatz bei der Strafrechtssetzung Axiome wie Fairness oder Neutralität gerade nicht zum Regelungsgegenstand einzelner Strafnormen werden.

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      Nachdem eine soziale Entscheidungsregel festgelegt ist, werden mithilfe des Mechanismusdesigns die geeigneten Aktionsformen entwickelt, die hinreichend strategisch robust sind, um das Verhalten der Einzelnen innerhalb des abgegrenzten Zielbereichs zu halten. Strategisch robust ist ein Mechanismus, wenn er dem Einzelnen einen größten Gewinn unabhängig vom Verhalten des oder der Anderen gewährleistet und damit Gleichgewichte in dominanten Strategien implementiert. Soweit dies im konkreten praktischen Fall nicht möglich ist, wird auf schwächere Gleichgewichtskonzeptionen zurückgegriffen. Zu solchen schwächeren Gleichgewichtskonzeptionen gehören beispielsweise das Nash-Gleichgewicht und seine Verfeinerungen.

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      Die Umsetzung der Handlungsmaximen des Ergiebigkeitsprinzips in Unternehmen wird traditionell als Aufgabe der Unternehmensleitung oder des Managements bezeichnet. Die Unternehmung wird heute im Allgemeinen durch Zielvorgaben geleitet (Führung durch Zielvereinbarung, management by objectives). Die traditionelle Theorie der Unternehmung hat dazu ihre Leitsätze über die Unternehmensplanung und das Unternehmensgleichgewicht, insbesondere ihre Aussagen über Absatz-, Investitions- und Produktionsentscheidungen, auf der Prämisse formuliert, der Unternehmer handle nach dem erwerbswirtschaftlichen Prinzip in seiner ausgeprägtesten Form, also im Sinne Gewinn- und Rentabilitätsmaximierung[202].

      Über diese einfach ökonomischen Zielvorgaben hinaus konstatiert die Betriebswirtschaftslehre angesichts der wachsenden Komplexität und Dynamik der Entwicklung von Umwelt und Unternehmungen eine weitgehende Orientierungslosigkeit im Management und bei den Mitarbeitern[203]. Um diese Krisenlagen zu überwinden, bedarf es sicherheitsversprechender Fixpunkte[204].

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      Als betriebswirtschaftsinterne Lösungsmodelle in dieser Krise wurden in jüngerer Zeit die Institute des strategischen Managements, des normativen Managements und der Unternehmensphilosophie entwickelt[205]. Sie bilden insbesondere eine Gegenform zum überkommenen autoritären Management.

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      Ausgangspunkt des autoritären Managements war ein Menschenbild, das dem zu führenden Mitarbeiter zunächst nur negative Eigenschaften zuschrieb: Danach sollte dem Menschen eine natürliche Abscheu vor Arbeit angeboren sein. Der Mensch musste daher grundsätzlich kontrolliert, geführt und durch die Androhung von Sanktionen dazu gezwungen werden, einen produktiven Beitrag zum Erreichen der Organisationsziele zu leisten[206]. Als Konsequenz sollte die Arbeit in einfache repetitive und leicht zu erlernende Schritte aufgeteilt werden, zu denen detaillierte Arbeitsanweisungen entwickelt und durchgesetzt werden sollten[207].

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      Die neueren Ansätze sehen den Menschen in seinem sozialen Umfeld (sog. Human Relations Modell) und schreiben ihm weitergehende Fähigkeiten zu (sog. Human Resources Modell)[208]. Das traditionelle Menschenbild wird dadurch zwar nicht vollständig abgelöst, aber zumindest ergänzt und ausdifferenziert[209]. Das strategische Management richtet sein Augenmerk folgerichtig auf den Aufbau, die Pflege und die Ausbeutung von Erfolgspotentialen[210]. Sie bilden das Gesamtgefüge aller jeweils produkt- und marktspezifischen erfolgsrelevanten Voraussetzungen zur Realisierung des Unternehmenserfolgs[211].

      Beispiele für strategische Ziele:

      Steigerung der Ertragskraft, Verbesserung der Marktposition, Erweiterung der heimischen Absatzmärkte um ausländische Märkte, Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung oder Sicherung der Unabhängigkeit des Unternehmens[212]. Aus diesen in der Regel recht allgemeinen Zielen lassen sich als Unterziele bestimmte Sachziele formulieren, die direkt auf den Leistungsbereich (Beschaffung, Fertigung, Absatz) des Unternehmens bezogen sind. Solche Unterziele sind etwa die Erhöhung des Produktionsvolumens, die Verbesserung der Produktqualität, der Ausbau des Vertriebssystems oder die Umstellung der Produktionsmethode[213].

      Die Orientierungsleistung des strategischen Managements erscheint in jüngerer Zeit aufgrund grundlegend neuer Wettbewerbsbedingungen sowie struktureller und technologischer Veränderungen in Branchen und Regionen allerdings als unzureichend[214].

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      In einer derartigen Umbruchphase etabliert das normative bzw. integrierte Management Prinzipien, Normen und Strategien, die den Bestand und die Entwicklungsfähigkeit der Unternehmung gewährleisten und eine qualifizierte Veränderung in Richtung eines positiven, sinnvollen Wandels gewährleisten[215]. Die Zwecke der Unternehmung im Umfeld von Wirtschaft und Gesellschaft werden definiert und den Mitgliedern des Unternehmens eine Identität nach innen und außen vermittelt[216]. Besondere Bedeutung kommt dort der Unternehmensverfassung zu, die die fundamentalen Richtlinien für das Verhalten im Unternehmen vorgibt[217]. Die so vermittelte Legitimität der Unternehmung wird für das normative Management zum leitenden Maßstab[218].

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      Schwierigkeiten für die Entwicklung einer konkreten Unternehmensphilosophie ergeben sich praktisch vor allem aus der Pluralisierung der Wertesysteme im Zuge der Spezialisierung und Differenzierung industrieller und post-industrieller Gesellschaften. Werthaltungen von Belegschaft und Gesellschaft lassen sich konkret nur empirisch ermitteln[219]. Allerdings hat die Wirtschaftswissenschaft ein allgemeines Spektrum herausgearbeitet, innerhalb dessen sich die Unternehmensziele im Einzelfall bewegen und das den Spielraum abbildet, in dem sich ein Unternehmen im Außen- und Innenverhältnis positionieren kann.

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      So ist etwa nach dem sog. St. Gallener Management-Konzept zunächst zu fragen, ob eine Unternehmung ihre Legitimation aus der Befriedigung der Eigentümerinteressen (shareholder) oder aus der Bereitstellung eines Nutzens für vielfältige Bezugsgruppen (stakeholder) erhält[220]:

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      Der Shareholder Value-Ansatz macht die Maximierung des Unternehmenswertes zum Mittelpunkt unternehmerischen Handelns und deckt sich insoweit mit dem traditionellen Ziel der langfristigen Gewinnmaximierung[221]. Eine unternehmerische Betätigung ist demnach dann sinnvoll, wenn der erwirtschaftete Gewinn größer ist als die erwartete Mindestverzinsung des Eigenkapitals. Die Höhe der erwünschten Mindestverzinsung richtet sich nach der Höhe des eingegangenen Risikos. Zur Realisierung dieser Ziele beanspruchen die Eigenkapitalgeber grundsätzlich die uneingeschränkte Kompetenz zur Unternehmensführung. Manager sollen daher ausschließlich die Interessen der Eigenkapitalgeber vertreten und werden durch entsprechende Anreizsysteme, wie z. B. Aktienkaufoptionen, an dem geschaffenen Wert beteiligt.